Alt 08.12.19, 23:19
Standard So tickt die Börse: Wenn dem Donald die Hutschnur platzt
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Um die Entwicklungen dieser Woche zu verstehen, sollten Sie im Hinterkopf behalten, dass Trump stets zwei Teams gleichzeitig auf ein Problem ansetzt, um am Ende nach Herrschermentalität zu entscheiden, welche Lösung er wählt.

Ende Oktober gab sich US-Präsident Donald Trump zuversichtlich, rechtzeitig vor der nächsten Stufe der Zollerhöhungen am 15. Dezember zumindest eine Teileinigung im Handelsstreit mit China zu finden. Diese Zuversicht übertrug sich auf die Finanzmärkte, das China-Thema geriet in der Hintergrund.

Das Team um Wirtschaftsberater Larry Kudrow und Finanzminister Steve Mnuchin, das als gemäßigt gilt, wurde zunehmend optimistisch und zeigte dies teilweise auch in Interviews. Das Team der Hardliner um Robert Lighthizer und Peter Navarro herum hob bei jeder Gelegenheit mahnend den Finger, doch nicht einmal Trump hörte noch auf sie.

Doch die Zurschaustellung des Optimismus führte dazu, dass die letzten Details für die Teileinigung nicht mehr geklärt werden konnten. China bewegte sich meinen Informationen zufolge nicht mehr. Als dann noch ein Gesetz zur Unterstützung der Demonstranten in Hongkong von Trump unterschrieben wurde und die Haltung der einen Partei Chinas gegenüber der Minderheit der Figuren in China kritisiert wurde, setzte China zum Gegenschlag an: Es wurden dem US-Militär der Zugang zum Hafen Hongkongs untersagt und man veröffentlichte die Forderung, dass die USA die Strafzölle für eine Teileinigung im Vorfeld bereits zumindest teilweise reduzieren müssten.

Das war eine völlig neue Forderung, denn bislang sprach Trump lediglich davon, dass die nächste Runde der Zollerhöhungen, die für den 15. Dezember angekündigt ist, ausgesetzt werden könne, sofern man eine Teileinigung erziele. Die Forderung nach einer Rücknahme von Strafzöllen hat nun bei Trump die Hutschnur platzen lassen.

Wütend stellte er sich am Montag vor die Kameras und sagte, das die Teileinigung vielleicht besser erst nach der US-Präsidentschaftswahl (November 2020!) geschlossen werden könnte.

Damit beförderte er die Verhandlungen wieder zurück in die leidige "Eskalationsphase", die wir in den vorangegangenen 18 Monaten erleben mussten. Jede Provokation der einen Seite zog eine größere Provokation der anderen Seite nach sich.

Es war eine Kehrtwende, die uns wieder viele Wochen Ärger bescheren wird. Der DAX brach am Montag um über 2% ein.

Diese vollständige Kehrtwende Trumps hat mich überrascht. Doch nicht einmal 24 Stunden später machte Trump eine Kehrtwende von der Kehrtwende ... zu kompliziert? Hmm, vielleicht einfach nur schusselig: Irgendjemand muss ihm gesagt haben, dass er in der Weihnachtszeit keine so bösen Verhaltensweisen an den Tag legen dürfe oder ich weiß nicht, was ihn dann wieder geritten hat: Im Rahmen des Umweltgipfels in Spanien verkündete er, die Verhandlungen mit China liefen sehr gut.

Seither haben die Märkte nur einen Teil ihrer am Montag erlittenen Verluste aufgeholt. Mit dieser Wechselhaftigkeit kann man schwer investieren und viele Anleger warten nun erst einmal ab, wie sich die Nachrichtenlage in den nächsten Tagen wohl entwickelt.

Schauen wir uns mal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (05.12.2019) Woche Δ Σ '19 Δ

Dow Jones 28.010 -0,1% 21,5%
DAX 13.167 -0,5% 24,7%
Nikkei 23.354 0,3% 16,7%
Shanghai A 3.051 1,4% 16,8%
Euro/US-Dollar 1,11 0,3% -3,4%
Euro/Yen 120,09 -0,4% -4,8%
10-Jahres-US-Anleihe 1,84% 0,06 -0,90
Umlaufrendite Dt -0,32% 0,05 -0,42
Feinunze Gold $1.461 -0,2% 14,0%
Fass Brent Öl $64,28 3,1% 23,1%
Kupfer 5.811 -1,2% -3,4%
Baltic Dry Shipping 1.575 7,4% 23,9%
Bitcoin 7.403 -1,3% 88,8%



Es bleibt eine schwache Woche für DAX und Dow Jones. China konnte profitieren (Shanghai A +1%), allerdings hat die Bank of China überraschend den Leitzins gesenkt, was zu einer kleinen Aktienrallye führte.

Konjunkturoptimismus macht sich breit, oder besser gesagt, der Konjunkturpessimismus der vergangenen Monate schwindet zunehmend. Entsprechend steigt das Zinsniveau langsam an, in den USA um 0,02%punkte auf 1,8% für die 10 Jahre laufenden Staatsanleihen und in Deutschland um 0,05%punkte auf eine Umlaufrendite von -0,32%.

Derweil wird in Brüssel die nächste Phase der expansiven Geldpolitik konsequent vorbereitet: Mit Christine Lagarde hat man bereits eine EZB-Chefin, die eng mit der Politik verdrahtet ist. Nun hat man in Brüssel für Europa den "Klimanotstand" ausgerufen und somit ein ziemlich unpolitisches Ziel für die Menschheit und unsere Erde, neben dem Fiskaldisziplin keine Chance haben wird. Voll im Trend liegen damit die beiden neuen SPD-Chefs, die bei gesunder Konjunktur, gutem Konjunkturausblick und niedriger Arbeitslosigkeit die Abkehr von der Schwarzen Null fordern.

Das Gold hat sich im Verlauf dieser turbulenten Woche stabilisiert (+0,6%). Im November war die Nachfrage nach Gold gering. Insbesondere an den Finanzmärkten waren Verkäufe von Gold-Finanzprodukten zu verzeichnen, weltweit wurden so 1,2 Mrd. USD von entsprechenden Produkten abgezogen. Nach der guten Performance im laufenden Jahr und der im November aufgekommenen Hoffnung für eine Teillösung im Handelsstreit ist es nachvollziehbar, dass Geld vom Gold in den Aktienmarkt umgeschichtet wurde.

Der Ölpreis ist mit +1,6% leicht angestiegen, nachdem die OPEC+ sich in Wien auf eine weitere Förderkürzung geeinigt hat. Die genaue Ausgestaltung der Förderkürzung wird zwar erst heute verhandelt, aber das Signal ist klar: Der Ölpreis darf nicht weiter fallen. Am liebsten sollte der Ölpreis ansteigen, doch daraus wird erst mal nichts, denn in den USA stehen Kapazitäten zur Verfügung (Fracking), um bei einem steigenden Ölpreis wieder mehr zu fördern.

Nächste Woche soll der größte Börsengang aller Zeiten erfolgen: Saudi Aramco wird mit einem IPO-Wert von 1,7 Mrd. USD aus dem Stand das wertvollste börsennotierte Unternehmen der Welt. Die Saudis geben Aktien im Wert von 25,6 Mrd. USD in den freien Handel. Berichten zufolge soll der größte Teil der Aktien von Arabern aufgekauft werden.

Damit bleiben die westlichen Börsen relativ unbeteiligt und ich mache mir daher auch wenig Sorgen, dass dieser IPO Kapital aufsaugt, das dann für andere Aktien nicht zur Verfügung steht. Sprich, eine Belastung durch diesen IPO, wie ich es im Rahmen der vielen vorangegangenen IPOs in diesem Jahr beschrieb, befürchte ich nicht.

Der Baltic Dry Verschiffungsindex ist diese Woche deutlich angestiegen. Kein Wunder, denn die vermeintliche Gewissheit, bis zum 15. Dezember eine Teillösung zu verabschieden, ist verflogen und US-Amerikaner decken sich einmal mehr mit Waren ein, die vielleicht in zwei Wochen durch höhere Zölle teurer werden.

Nun bin ich neugierig, wie sich die kurze und heftige Korrektur dieser Woche auf die Stimmung der Anleger ausgewirkt hat.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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