Beitrag gelesen: 11743 x |
||
CLOUD-STRATEGIE VON SAP MIT PROBLEMEN.
Gerade einmal sechs Monate hielt die Doppelspitze von SAP, bestehend aus Christian Klein und Jennifer Morgan. Ende April, mitten in der Coronakrise, gab SAP bekannt, dass der Konzern in dieser schwierigen Zeit kurze Entscheidungswege benötige und daher keine Doppelspitze mehr sinnvoll sei. Jennifer Morgen verließ das Unternehmen. Morgan ist eine Amerikanerin, die sich über Accenture und Siebel Systems zu SAP arbeitete. In den USA dominiert Pragmatik. Ich war 1998 bis 2000 in den USA in einem SAP Projekt und lernte die US-Denke aus nächster Nähe kennen. Der vermeintliche Vorteil der tiefen Integration des CRM-Systems von SAP wird in den USA als Nachteil gesehen. Die Konkurrenzlösung von Oracle, basierend auf Tabellen (vereinfacht gesagt), ist da viel flexibler. Geschäftsprozesse können mit wenig Aufwand in die Oracle-Lösung gepresst werden, während bei SAP unsinnige Lösungen auch nicht programmiert werden können. Siebel arbeitete eng mit Oracle zusammen und wurde später auch von Oracle übernommen. Jennifer Morgen dürfte damit in ihren ersten Berufsjahren Pragmatik gelernt haben. Christian Klein kommt von der Dualen Hochschule Mannheim, also dem direkten Einzugsgebiet der SAP. Über die Finanzbuchhaltung und das Controlling hat er sich zum COO (Chief Operating Officer) hochgearbeitet. Die tiefe Integration SAPs dürfte er besser kennen als viele andere. Sein Steckenpferd, so steht es bei Wikipedia, war die enge Verzahnung aller Unternehmensbereiche. Schauen wir uns mal die Q-Zahlen an, die SAP zum Wochenbeginn veröffentlicht hat: Statt eines Umsatzwachstums von 1% meldete der Konzern einen Umsatzrückgang von 4%. Allerdings ist der Gewinn je Aktie um 26% angesprungen. Ursächlich für den Umsatzrückgang war Concur, ein Softwaremodul, über das Reisen abgewickelt werden. Früher wurden Softwarelizenzen verkauft, künftig sollen Cloud-Lösungen für kontinuierliche, monatliche Abo-Einnahmen sorgen. Berechnet wird in der Regel eine feste Gebühr je Nutzer und Monat. Bei Concur wird jedoch noch anders abgerechnet: SAP erhält die monatliche Gebühr in Abhängigkeit vom Transaktionsvolumen, dass über das Modul abgewickelt wird. Aufgrund von Corona gibt es derzeit wenig Geschäftsreisen, daher ist der Umsatz von Concur um 15% eingebrochen. Ohne diesen Effekt wären die SAP-Zahlen deutlich besser ausgefallen. Ich habe nachgerechnet: Statt -4% wäre der Umsatz bei -3% gelandet. Hmm, so wirklich überzeugend ist diese Begründung nicht. Außerdem reden wir hier über die Q3-Zahlen, da war das Desaster mit den coronabedingten Reisebeschränkungen bereits lange bekannt. Zudem werden noch Währungseffekte angeführt, aber natürlich auch der Wechsel vom Lizenz- zum Cloud-Geschäft. Alles bekannte Variablen. Ich suche noch immer die Ursache für die negative Überraschung, die den Aktienkurs von SAP um 25% in den Keller rauschen ließ. Der wertvollste Konzern Deutschlands hat diese Woche 40 Mrd. Euro Marktkapitalisierung verloren. Was steckt dahinter? Ich fürchte, ich muss hier das Bild des Tankers bemühen: SAP ist nun einmal ein Tankschiff, das nur sehr schwer auf einen neuen Kurs gebracht werden kann. Wenn man eine pragmatische US-Amerikanerin an der Seite hätte, dann könnte man während des aufwendigen Manövers zur Kursänderung bereits frühzeitig Kunden für den neuen Kurs gewinnen und gleichzeitig bestehenden Kunden Übergangslösungen anbieten. Wenn man natürlich die Cloud genauso gut verzahnen möchte wie alle bisherigen Produkte von SAP, dann wird das Manöver zu einem Kraftakt, während dem man sich nicht wirklich um seine Kunden kümmern kann. Ich habe zu wenig Einblick in den Konzern, mein diesbezügliches Netzwerk ist über zwanzig Jahre alt und meine Kontakte sind inzwischen alle anderswo unterwegs. Somit ist das, was ich hier überlege, kein Insider-Blick, sondern es sind Überlegungen, die ich anhand meiner Erfahrung anstelle. In den 90ern wurde R/3 eingeführt. Es war die Ablösung von R/2 :-) und überall, wo ich hinkam, stellte ich großes Vertrauen in die Fähigkeiten von SAP fest. Ein Konzern mit höchsten Ansprüchen vermittelte den Eindruck, dass SAP R/3 auf alle Bedürfnisse des Konzerns anpassen würde, man müsse SAP nur ein wenig Zeit geben. Letztlich wurde R/3 zu einem großen Erfolg. So ähnlich sieht es nun mit der Cloud aus. Einmal mehr legen die SAP-Ingenieure mehr Wert auf eine saubere Lösung als auf Marketingerfolge. Das ist vorübergehend teuer, dürfte sich langfristig aber auszahlen. Das Problem dabei: Wie langfristig müssen wir denken? Und was, wenn andere Unternehmen wie Oracle oder Salesforce in der Zwischenzeit Marktanteile erobern, die SAP später nicht wieder zurückgewinnen kann? Meinem Eindruck nach haben Anleger die Auflösung der Doppelspitze mit einem Vertrauensvorschuss bewertet, der durch die überraschend schwachen Zahlen dieser Woche missbraucht wurde. Es wird mindestens zwei Quartale dauern, bis SAP dieses verlorene Vertrauen wieder zurückgewinnen kann. Voraussetzung dafür ist jedoch ein pragmatisches Vorgehen, das in der aktuellen Struktur offensichtlich nicht oberste Priorität hat. Auf Sicht von 5 Jahren würde ich SAP blind ins Depot legen. Auf Sicht von Monaten bis wenige Jahre wäre ich noch vorsichtig. MICROSOFT TEAMS GEGEN SLACK, APPLE ONE GEGEN PELOTON Einige Aktien haben in der Corona-Zeit für Furore gesorgt. So zum Beispiel Slack und Peloton. Slack betreibt mit Trello eine Plattform, über die Gruppen Online besser zusammen arbeiten können. Viele Projekte wurden in der Zeit der Heimarbeit auf die Trello-Plattform gebracht und entsprechend ist die Aktie von Slack vom Coronatief im März bei 15 USD bis Juni auf 40 USD gesprungen. Seither pendelt die Aktie unter heftigen Schwankungen seitwärts, Tendenz leicht südlich. Aktuell steht die Aktie bei 26 USD. Auf diesem Niveau wird der für 2021 erwartete Umsatz von 877 Mio. USD mit einer Marktkapitalisierung von 15 Mrd. USD belegt, ein Kurs/Umsatz-Verhältnis (KUV) von 17. Abenteuerlich. Da das Unternehmen noch keinen Gewinn erzielt (Gewinnmarge -38%), können wir kein KGV (Kurs/Gewinn-Verhältnis) als Bewertungsgrundlage heranziehen. Es bleibt die Rule 40, demzufolge Wachstumsgeschwindigkeit plus Gewinnmarge über 40 liegen sollten. Nun rechnen Analysten mit einem Umsatzwachstum von 28% und einer Gewinnmarge von -38%. 28-38= -10 und somit deutlich kleiner als 40. Damit ist die Rule 40 nicht erfüllt, in meinen Augen darf man diese Aktie nicht wirklich kaufen. Erschwerend kommt hinzu, dass Microsoft mit seinem Teamarbeit-Angebot "Teams" ein ziemlich schlagkräftiges Konkurrenzprodukt anbietet. Teams sorgt derzeit bei Microsoft für märchenhaftes Umsatzwachstum bei märchenhaftem Gewinn. Das Office-Paket ist perfekt integriert. E-Mails, Chats, etc. sind ebenfalls aus einer Hand, wenn man sich auf Teams einlässt. Trello von Slack ist also in erster Linie für Unternehmen, die ohne Microsoft auskommen wollen. Ich selbst nutze Trello für meine Marketing-Aktivitäten, die ich mit einem Freelancer koordiniere. Funktioniert gut, ist eine schöne Sache. Aber ob sich damit eine abenteuerliche Bewertung, wie oben gezeigt, rechtfertigen lässt, bezweifle ich. Solche abenteuerlichen Bewertungen sind, wenn überhaupt, höchstens dann gerechtfertigt, wenn ein neuer Markt erschlossen und ohne nennenswerten Wettbewerb erobert wird. Microsoft sollte man als Wettbewerber nicht unterschätzen. Ganz ähnlich sieht es bei Peloton aus: Die Aktie ist sogar von 18 auf 140 USD gesprungen. Peloton bietet Hometrainer an, die über das Internet angebunden werden und verschiedene Challenges anbieten. Dabei werden die sportlichen Leistungsdaten des Radlers gemessen und wissenschaftlich ausgewertet. Herzstück des Angebots: Cardio (Nomen est Omen). Ich selbst habe vor einigen Jahren von Horizon mal einen Hometrainer gekauft: Die Nutzung ging Winter für Winter zurück, bis wir das Gerät schließlich verkauft haben. Das Manko: Irgendwie ist es doch auf Dauer langweilig, wenn man sich nicht vergleichen kann ... und sei es auch nur mit sich selber. Derzeit setze ich mich regelmäßig auf "die Rolle", mein Rennrad ist auf einer Rolle montiert und ich kann somit beim Lesen oder Fernsehen radeln. Peloton bietet Hometrainer, also ein entsprechendes Rad, sowie diverse Trainingsprogramme an. Wie oben gesagt ist das Verkaufsargument hier die Echtzeit-Anbindung an die Cardio-Auswertungen, die über die Cloud berechnet und direkt auf einen Peloton-Bildschirm ausgegeben werden. Aber es gibt auch die Möglichkeit, andere Trainingsformen ohne Rad zu wählen, wie bspw. Krafttraining, Yoga, Laufen, etc. Apple One startet heute in Deutschland. Apple bündelt einige Dienste und hat seinen Zukunftsschwerpunkt bereits ausgerufen: Gesundheit. Die Apple Watch misst immer mehr Daten ihres Trägers, speichert sie und wertet sie aus. Das sind grundlegende Fitnessinformationen bis hin zu Leistungsdaten für den Sport. Somit ist auch Peloton in meinen Augen nicht in einem Bereich unterwegs, wo Neuland einfach nur erobert werden muss, sondern es gibt mindestens einen sehr schlagkräftigen Wettbewerber: Apple. Erinnern Sie sich noch an Fitbit? Oder GoPro? Es gibt bereits eine lange Liste von Unternehmen, die mit speziellen und überaus sinnvollen Angeboten kurzzeitig Erfolge verzeichneten, bevor deren Funktionalität von Smartphone oder Smartwatch übernommen wurden. Peloton wird bereits mit 33 Mrd. USD bewertet. Bei 1,4 Kunden ist jeder Peloton-Kunde, der ein monatliches Abo für 55-65 Euro abschließt, 24.000 USD wert. Bei Netflix ist jeder Kunde 1.139 USD wert, beim Online-Doktor Teladoc sind es 350 USD und bei Spotify nur noch 315 USD. Hmm, ich denke, wer Aktien von Peloton hat, sollte auf jeden Fall ein Stopp Loss vorsehen. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (29.10.2020) Woche Δ Σ '20 Δ Dow Jones 26.437 -6,5% -7,7% DAX 11.556 -8,6% -12,8% Nikkei 22.977 -2,3% -2,9% Shanghai A 3.380 -1,6% 6,1% Euro/US-Dollar 1,17 -1,7% 4,1% Euro/Yen 121,86 -1,9% -0,3% 10-Jahres-US-Anleihe 0,86% 0,02 -1,07 Umlaufrendite Dt -0,64% -0,05 -0,41 Feinunze Gold $1.881 -1,2% 24,4% Fass Brent Öl $37,41 -10,1% -45,6% Kupfer 6.694 -3,7% 7,8% Baltic Dry Shipping 1.297 -7,4% 19,0% Bitcoin 13.479 3,5% 84,8% Der Dow Jones sowie der DAX sind eingebrochen, in Asien hingegen konnten sich Nikkei und Shanghai A-Index vergleichsweise gut behaupten. Der Euro ist stark eingebrochen (-1,7%), das ist auf dem Währungsmarkt dramatisch. Auch gegenüber dem japanischen Yen ist der Euro eingebrochen (-1,9%), so dass wir tatsächlich von einer Euro-Schwäche sprechen können, und nicht von einer US-Dollarstärke. Dieser Unterschied wird in Kapitel 03 bei der Sentiment-Analyse noch eine wichtige Rolle spielen. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
|