Alt 26.07.09, 11:30
Ist die „Lehman-Schockstarre“ schon überwunden?
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Die von mir erwartete Sommerrallye der letzten Woche macht einerseits viele Anleger optimistischer, andere Fragen sich aber, ob sie die Kursrallye nicht jetzt zu Gewinnmitnahmen nutzen sollten. Die Berichtssaison, die in Deutschland erst nächste Woche startet, wird Aufschluss darüber geben, ob die Talsohle schon durchschritten wurde. Dabei handelt es sich aber auch nur um eine Momentaufnahme von sich überlagernden Effekten wie niedrige Verzinsung, Staatseingriffen und tatsächlichen Turn around-Situationen.

Was ist positiv, was negativ? Der für den DAX recht zuverlässige IFO-Geschäftsklima-Index stieg letzte Woche erneut an, was bedeutet, das die Zuversicht der deutschen Manager über die Zukunftschancen wieder besser wird und sich auch die Auftragslage auf niedrigem Niveau wieder stabilisiert. Jetzt werden die Prognosen bis Jahresende gemacht und jede Prognose, die einen positiven Ausblick hat, wird sofort an der Börse mit steigenden Kursen honoriert (und umgekehrt!). Der Ausblick ist dabei wichtiger als die Geschäftszahlen für das 2. Quartal 2009, die demnächst berichtet werden. Die bisherigen Berichte und auch Ausblicke von den US-Blue Chips machen Hoffnung, dass aus einer Stabilisierungsphase auch wieder eine Wachstumsphase werden könnte.

Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Kapazitätsauslastung immer noch sehr gering ist und fast alle Volkswirtschaften der Welt immer noch dabei sind, Überkapazitäten abzubauen, sprich Mitarbeiter zu entlassen. Dennoch erwarte ich im 2. und erst recht im 3. Quartal erste Wachstumsimpulse, also bessere Quartalszahlen als im Vorquartal, aber schlechter als im Vorjahr. Dabei werden die Arbeitslosenquoten weiter ansteigen, die Unternehmen aber auch wieder schlanker, profitabler und wettbewerbsfähiger. Das wichtigste für die Weltwirtschaft ist aber die Frage, ob es weiterhin eine weltweite Kreditklemme gibt oder nicht.

Die Schockstarre an den Weltbörsen wurde im letzten Jahr im globalen Welt-Finanzsystem durch die Lehman Brothers-Pleite ausgelöst und sie ist bei den Banken trotz der Überflutung der Notenbanken noch nicht vollends überwunden; aber es gibt Anzeichen einer Normalisierung auf niedrigem Niveau. Die Aktienkurse signalisieren das auch, denn bei vielen Unternehmen sind die Kurse schon wieder auf dem Niveau wie vor der „Lehmanschen Genickstarre“. Ich betone immer wieder, dass eine nachhaltige Trendwende an den Weltbörsen nur gelingen kann, wenn die Banken wieder gesunden und sich auch gegenseitig wieder vertrauen. Weiterhin besteht große Unklarheit über die Werthaltigkeit von Forderungen, sei es bei eigenen Produkten (Kreditderivaten), sei es im „Commercial Banking“. Die Super-Gewinne bei den besten Banken der Welt JP Morgan und Goldman Sachs beruhten auf „Investmentbanking“ und im Eigenhandel. Das große Fragezeichen bleiben die Forderungen im Kreditgeschäft für Privat- und Geschäftskunden, denn hier wurden schon erhebliche Rückstellungen gebildet. Die Frage ist aber, wie hoch die Kreditausfallquote am Ende des Jahres sein wird.

In den USA sind bisher 57 Banken Pleite gegangen ohne dass dies nachhaltige negative Auswirkungen à la Lehmann hatte. Die CIT Bank, die für die Finanzierung des Mittelstands konnte nur knapp von der Pleite bewahrt werden. Chinesische Großbanken geben im Moment den Ton an und überragen US-Banken im Wert schon um Längen. Ob dies immer so bleibt, hängt auch davon ab, ob sich in China ein Bubble bildet. George Soros hat dies unlängst in seinem neuen Buch angedeutet. Soros ist der Auffassung, dass die globale Finanzkrise nur global zu lösen ist. Aus G8 wird G20 und wenn G20 nicht kooperiert, sondern sich einzelne Länder von Bedeutung (zu) protektionistisch verhalten, gibt es ein Fiasko (oder einen Krieg). Daher deutet sich auch hier ein gewisser Paradigmawechsel an, der allerdings nicht ganz reibungslos verlaufen wird. China und auch Russland geht es darum, die geopolitische Vormachtstellung der USA zu überwinden und China will selbst die No 1 werden. Dabei sollte sich China auch im Wachstumswahn aber nicht übernehmen, sondern sich Zeit lassen, sonst wird es früher oder später auch Opfer eine selbst initiierten „Bubble-Ökononomie“. Noch ist die USA klar der weltwirtschaftlich bedeutsamste Markt.

Da die Wirtschaft in China im Moment auch aufgrund der Konjunkturprogramme weiterhin mit 7% dynamisch wächst, besteht auch die Hoffnung, dass China seinen Beitrag zur Gesundung der Weltwirtschaft weiterhin beiträgt. Dies hilft im Moment auch den Weltbörsen. Mein Tipp: schauen Sie nicht nur, was in den USA passiert, sondern schauen sie auch, was in China im Moment passiert. Aufgrund der Chinanachfrage steigen auch einige Industriemetalle wieder an. So erreichten in der letzten Woche Kupfer mit 5500 USD und Nickel mit 16.000 USD jeweils neue Jahreshöchstkurse. Kupfer gilt immer als Frühindikator für die Industrie. Auch dies ist also einen Lichtblick, der Beachtung finden sollte. Davon profitierten auch Rohstoffwerte aus Osteuropa wie Norilsk Nickel aus Russland. Kazakhyms aus Kasachstan oder KGHM aus Polen, die im Kurs alle kräftig zulegen konnten und zum Teil sogar neue Jahreshöchstkurse erreichten.

Auch die russischen Ölwerte stiegen um etwa 20% in den letzten 2 Wochen aufgrund des von 60 auf 68 USD/Barrel gestiegenen Ölpreises. Damit dürften auch die Konjunkturdaten in Russland im Monat Juli erstmals besser ausfallen als im Vormonat. Im ersten Halbjahr zählte Russland mit einem Minus von 10 noch zu den am stärksten eingebrochen großen Volkswirtschaft der Welt: in der zweiten Hälfte dürfte die Einbrüche nicht so groß werden. Der Stahlkonzern Mechel meldete schon positive Zahlen für das 2. Quartal. Die neue Gazprom-Anleihe auf €-Basis im Volumen von 850 Mio. € war 10-fach überzeichnet und stieg gleich von 100 auf 102 im Kurs. Ich empfehle nach wie vor den Kauf von russischen Unternehmensanleihen (mehr dazu im EAST STOCK TRENDS, www.eaststock.de) mit ansehnlichen Renditen.

Ich bleibe aber dabei: man kann auf eine Trendwende auch an den Weltbörsen spekulieren und dabei auch „BRIC übergewichten. Man sollte aber wider möglich voll in Liquidität gehen oder sich absichern, wenn der S&P nachhaltig 875 unterschreiten sollte. Bedenken Sie bitte, dass es auch 1931-1933 bemerkenswerte Zwischenhaussen gab, im Jahr 1933 aber einen Welt-Krieg. Auf die Kurse von Rüstungsaktien sollten Sie schon jetzt achten. Wir haben jetzt die Gefahren eines Israel/Iran-Kriegs und von Terroranschlägen auch in Deutschland vor den Wahlen. Zwischen Ukraine und Russland könnte es einen neuen Gasstreit geben. In der Ukraine, die nach wie vor mehr denn je am Tropf des IWF hängt, wird im Oktober ein neuer Präsident gewählt, wobei Russland hier seinen Einfluss geltend machen könnte. Es könnte also in mancher Hinsicht ein“ heißer“ Herbst werden. Auch ist die Schweinegrippe noch nicht aus der Welt und könnte für Gesprächsstoff oder das übliche „Sommertheater“ sorgen, schon um die Pharmaindustrie zu stützen.

Noch haben wir aber die Chance, dass sich die Sommerrallye weiter fortsetzt, wobei der Dow Jones nachhaltig die 9000-er Marke und der S&P die 1000-Marke überschreiten müsste. Hier gibt es aber auch wieder starke Widerstände; werden diese nicht nachhaltig überschritten, dürften die Kursreaktionen durch Gewinnmitnahmen kräftig ausfallen. Ebenso bleibe ich für Gold bullish, glaube aber auf der anderen Seite kurzfristig nicht an das Überschreiten der magischen 1000-Mrake Ich erwarte also weiter hohe „Vola“, was ein Eldorado für geübte Trader ist.

Ein Überschreiten der magischen 1000er-Marke beim S&P und damit dem Kursniveau wie nach dem Crash Anfang Oktober 2008 würde dann neue Kaufsignale auslösen und den DAX wahrscheinlich in weinigen Tagen auf 6000 katapultieren, wenn der S&P Richtung 1200 marschiert, also dem Niveau vor der Lehmanschen Schockstarre. Denn das Vor-Lehmansche-Niveau befand sich bei 1200 beim S&P-Index, was nach Überschreiten der 1000-Marke auch möglich erscheint. Machen Sie nicht den Denkfehler und denken jetzt zu langfristig; es handelt sich jetzt noch „Spekulationswellen“ über Auslandskäufe- die deutschen Anleger sind ohnehin zu passiv und befinden sich immer noch in der Schockstarre - die auch wieder abebben können. Denn fundamental ist die Kuh noch nicht vom Eis, erst recht nicht im Bankensektor. Ich erwarte aber zunächst gute Zahlen bei der Deutsche Bank AG und Allianz, was dem DAX wider Auftrieb verleihen könnten. Geld ist genug da – weltweit über 20 Billionen USD!-, um die nächste Spekulationswelle anzutreiben. Dabei ist aber noch vieles auf keynsianischen Sand gebaut und dem Staat geht demnächst das Geld aus, wenn die Pferde nicht saufen sollten.

Wir haben es also mit einer brisanten, chancen-, aber gleichsam auch risikoreichen Situation zu tun. In welche Richtung der Markt laufen wird, wird wiederum von den nächsten US-Konjunkturdaten und Quartalszahlen abhängen. Nach der Sommerrallye könnte einiges Sommertheater ins Haus stehen. VW/Porsche haben das Sommertheater schon hinter sich. Neben Porsche werden auch andere Firmen, die sich finanziell überhoben haben, die Eigenständigkeit verlieren, wenn sie zu hoch pokern wie „Hedgefondsmanager“ Frank Wedekind, der sich mit VW deutlich überhoben, um nicht zu sagen verspekuliert hat. Die Abfindung in Höhe von 50 Mio. € für die Hinterlassenschaft von 14 Mrd. USD Schulden und der Beinahe-Insolvenz von Porsche – oder waren es doch „nur“ 10 Mrd. € - spricht dafür, dass trotz Obama-Gerede „yes, we can (change)“ in Wirklichkeit alles beim Alten bleiben wird. Im Gegenteil: die Boni werden bei Goldman Sachs und JP Morgan höher ausfallen als jemals zuvor, weil sie im Investmentbanking und Eigenhandel viel Geld verdient haben. Mein Fazit lautet: Unternehmensvorstände sollten keine Hedgefondsmanager und Spekulanten werden und Bankmanager auch nicht; dann würde die Welt schon viel besser aussehen.

Der DAX schloss am Freitag mit einem Minus von 0,34% bei 5229 Indexpunkten, wobei intraday ein neues Jahreshoch von 5300 Indexpunkten erreicht wurde. Dann setzten kräftige Gewinnmitnahmen ein. Das kann auch nächste Woche passieren, wenn keine neuen Höchststände markiert werden können. Kurse bei über 5300 sind aber als „bullish“ zu interpretieren. Der S&P Index schloss an Freitag mit einem Plus von 0,3% bei 979 Indexpunkten und der Dow Jones mit einem Plus von 0,26% bei 9029 Indexpunkten. Falls der S&P nächste Woche über 1000, der Dow Jones nachhaltig über 9100 gehen sollte, werden DAX und RTS noch stärker steigen, weil sie viel volatiler sind und im Grunde die Märkte von US-Kapital „gemacht“ werden. Wird Kapital abgezogen, sind die Märkte in freien Fall, wird wieder mehr investiert, steigen sie dynamisch an. JP Morgan setzt übrigens wieder auf die Deutschland-Karte. Abschließend noch mal mein Tipp and an alle Anleger und Vermögensberater: vergessen Sie bei Ihren Anlageentscheidungen „BRIC“ nicht, bevor es zu spät ist, denn wer zu spät kommt, den betraft die Börse!
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Andreas Männicke die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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