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Wie sich in der abgelaufenen Handelswoche zeigen sollte, ist mit der Verabschiedung des griechischen Sparpakets die Schuldenkrise noch lange nicht ausgestanden. Diesmal war es die Ratingagentur Moody’s die erneut Öl ins Feuer goss und Portugal um empfindliche vier Stufen auf „Ba2“ herabsetzte. Portugal ist neben Griechenland der zweite europäische Staat dessen Staatsanleihen als „Ramsch“ bezeichnet werden. Neben den unmittelbaren Folgen – die Zinsen bei portugiesischen Bonds erreichten neue Rekordstände – wird es immer unwahrscheinlicher, dass sich Portugal ab 2013 wieder über den Finanzmarkt refinanzieren kann. Doch das bewilligte Sparpaket sieht – wie bei Irland auch – genau dies vor. Der Abgabedruck bei Schuldverschreibungen der europäischen Sorgenkinder um Irland, Griechenland und eben Portugal, ist in dieser Woche als geradezu gravierend zu bezeichnen (siehe Graphik).
Seit dieser Woche beschäftigt sich auch das Bundesverfassungsgericht mit der Materie. Die Richter in Karlsruhe müssen der Frage nachgehen, ob die Rettungsfonds-Hilfen mit der deutschen Verfassung in Einklang stehen oder eben nicht. Der Vorwurf der Kläger: Der Staat gebe in der Schuldenkrise zu viele Kompetenzen in die Hände der EU und sowohl Volk und Parlament blieben bei allen entscheidenden Fragen außen vor. Ein konkreter Vorwurf lautet außerdem, dass jegliche Zustimmung zu den bereits beschlossenen finanziellen Rettungsmaßnahmen der Zustimmung des Parlaments bedurft hätte. Die Hoheit über den Staatshaushalt, ist vielleicht das bedeutungsschwangerste Recht des deutschen Parlaments. Eine Entscheidung des Gerichts wird nicht vor Herbst erwartet. Sollte das Gericht einen Verfassungsbruch konstatieren, so würde nicht weniger als die gesamte Integrität und Stabilität der Europäischen Union ins wanken geraten, befürchten Beobachter. Vor einer ebenfalls nicht einfachen Entscheidung standen am Donnerstag Jean-Claude Trichet und seine Kollegen von der Europäischen Zentralbank: Einerseits sollen die bestehenden Inflationstendenzen eingedämmt werden und die Märkte wieder ein bisschen mehr vom billigen Geld entwöhnt werden, andererseits sind die Probleme bei Griechenland und Co. nach wie vor evident. Die EZB sollte jedoch ihrem Auftrag für Währungsstabilität zu sorgen nachkommen und erhöhte den Leitzins abermals um 25 Basispunkte auf insgesamt 1,5 Prozent. Nachdem EZB-Präsident Trichet bereits Anfang Juni verlauten ließ den Teuerungsdruck in Europa mit „höchster Wachsamkeit“ wurde die Erhöhung bei vielen Marktteilnehmern bereits erwartet, was letztlich dazu führte, dass DAX, Euro, sowie der Bund-Future nicht unmittelbar auf den Zinsentscheid reagierten. Erst gegen Abend kam das deutsche Anleihenbarometer dann doch noch unter Druck, was vor allem an einer ganzen Reihe positiver US-Arbeitsmarktdaten lag: In der Privatwirtschaft wurden demnach mehr als doppelt so viele neue Arbeitsplätze geschaffen wie von Analysten erwartet (insgesamt: 168.000) und auch die Anträge auf Arbeitslosenhilfe lagen etwas unterhalb der Prognosen. Letztlich erwischte der Bund-Future einen sehr ordentlichen Start in die Handelswoche. Doch nach dem Erreichen des Wochenhochs von 126,36 Zählern am Mittwochabend, ging es für das deutsche Anleihenbarometer steil bergab, so dass gegenüber der Vorwoche nur marginale Gewinne übrig blieben. Bondsweekly Spezial: Die Rolle der Ratingagenturen in der Schuldenkrise Teil 2 „Wir sollten nicht blindlings das regulatorische System von Drittländern übernehmen“, so Steven Maijoor, Chef der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde. In der Frage, dass sich etwas ändern soll herrscht sowohl in den USA, als auch in Europa durchaus Einigkeit, nicht jedoch in der Frage was: Diskutiert wurde bereits der Vorschlag einer privaten europäischen Ratingagentur nach dem US-Vorbild. Doch was würde sich ändern? „Auch eine europäische Ratingagentur könnte an dieser offensichtlichen Tatsache“, das Griechenland kurz vor dem Staatsbankrott steht, „weder etwas ändern, noch würde sie sie korrigieren können“, konstatiert Professor Thomas Straubhaar, Direktor des HWWI. Zudem hatte beispielweise Moody’s über 100 Jahre Zeit sich am Markt zu etablieren, die Ratings der „großen Drei“ bewegen sich nahezu im Gleichschritt, was zudem eine gewisse Nachvollziehbarkeit garantiert und vor allem: Die Marktteilnehmer und die Staaten vertrauen ihnen selbst nach der Finanzkrise (fast) unverändert. Eine von der Politik oktroyierte Ratingagentur wiederum, wäre nicht nur mit demselben Problem konfrontiert, sie stünde zudem – spätestens seit die EZB durch den Ankauf von Staatsanleihen ihre Jungfräulichkeit verloren hat – vor dem Dilemma der Objektivität; von nationalen Empfindlichkeiten ganz zu schweigen. Wie objektiv könnte eine europäische Agentur im Fall Griechenland sein? Würde ein solches Rating vom Markt überhaupt angenommen? Als Konsequenz aus der Finanzkrise wollte die EU die Agenturen an die Kandare nehmen und erließ 2009 eine sogenannte Rating-Verordnung. Das Versagen der Agenturen im Vorfeld der Finanzmarkt-Krise war gravierend: Faktisch mussten Ratingagenturen im Falle von Fehleinschätzungen bis 2009 keine finanziellen Konsequenzen befürchten. Sie trugen weder das kommerzielle Verlustrisiko, da sie selbst nicht als Gläubiger auftreten, noch konnten sie in Regress genommen werden, da sie unter Berufung auf den Ersten Verfassungszusatz (Redefreiheit) nur Meinungen, aber keine bindenden Empfehlungen abgeben. Zudem war die Verquickung aus eigenen (wirtschaftlichen/finanziellen) Interessen alles andere als seriös. Im Zuge der EU-Ratingverordnung sollen die Agenturen und ihre Methoden künftig regelmäßig überprüft werden. Der BaFin oder seit diesem Jahr der ESMA wird das Recht zugesprochen die Agenturen jederzeit einer Prüfung unterziehen zu können, was u.a. die Transparenz des Ratingverfahrens erhöhen soll. Interessenkonflikte sollen von Beginn an vermieden werden. Zudem sollen die Agenturen für Verstöße gegen die Vorgaben der Richtlinie mit Bußgeldern bis zu einer Höhe von 1 Million Euro versehen werden. Abgesehen davon, dass sie Strafe in einem Markt wo es um Milliarden geht eher verschmerzbar erscheint, stellt sich auch hier die Frage, was es an den miesen Ratings für Griechenland und Portugal ändert? Hat irgendwer bei der ESMA oder vielleicht auch der BaFin konkrete Verdachtsmomente, dass es bei den Ratings nicht mit rechten Dingen zugeht? Will irgendwer ernsthaft bestreiten, dass Griechenland kurz vor der Pleite steht und Portugal denselben Weg eingeschlagen hat? Volker Wissing vergleicht im „The European“ Ratingagenturen mit einem Lotsen für die Finanzmärkte: „Sie [die Ratingagenturen] warnen vor Gefahren […] Sie erhöhen die Stabilität und Transparenz der Märkte“. Aber der Lotse scheint in der Schuldenkrise nicht länger willkommen: Nicht nur Angela Merkel will sich schnellstmöglich von der „Rating-Hörigkeit“ emanzipieren. Es ist durchaus erstaunlich was im Augenblick passiert: „Die Politik hat sich regeln gegeben, die ihr Handeln an unseren Ratings ausrichtet“, konstatiert Torsten Hinrichs, Geschäftsführer von S&P Deutschland, in der FAZ. Das heißt, über Jahre hinweg wurde den Piloten (Pensionsfonds, Lebensversicherungen, etc.) eingetrichtert, dass der Lotse das für ihn maßgebliche Instrument sei. Ist das nun alles Makulatur? Zudem beteuert Hinrichs, dass S&P das identische Bewertungs-Muster wie während der Russland-Krise anwende (damals hätte sich schließlich auch niemand beschwert), zudem könnte das Vorgehen von jedem auf der Homepage der Agentur eingesehen werden. Der Ärger der Europäer über das Vorgehen der Rating-Agenturen mag verständlich sein, denn bisher wurde fast jede Bemühung die Märkte zu beruhigen von Fitch & Co. konterkariert. Dennoch ist er de facto unbegründet – was bleibt den Agenturen denn anderes übrig? Soll man einfach alle ausschließen, weil das Rating nicht genehm ist? Die Probleme sind nach Ansicht von Marktbeobachtern vielmehr hausgemacht. Woher kommt die Macht der Ratingagenturen? Warum hat ein „downgrade“ derart fatale Auswirkungen? „Die Agenturen haben niemanden gezwungen, ihr Urteil zum Maßstab zu erheben“, schreibt der „Spiegel“. Und letzten Endes muss der Pilot sich ganz allein auf sein eigenes Können verlassen – stürzt das Flugzeug ab, so kann den Lotsen vielleicht eine Teilschuld treffen, doch der Hauptverantwortliche wird immer der Pilot bleiben! Börse Stuttgart TV – Interview hier abrufbar: Erwartungsgemäß hebt die EZB den Leitzins um 25 Basispunkte an. Die Märkte reagierten entsprechend gelassen auf die Ankündigung Trichets. Für das in dieser Woche gebeutelte Portugal kommt diese Anhebung jedoch zur Unzeit, oder? Und was ist eigentlich mit den Ratingagenturen – ist die teilweise harsche Kritik an Fitch & Co. begründet? Rolf Kazmaier von der SVA Vermögensverwaltung bei Börse Stuttgart TV. https://www.boerse-stuttgart.de/de/...v.html?vid=5760 Das neue Anleihenmagazin aus Stuttgart beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), heute mit folgenden Themen: - Die Energiewende in Deutschland und ihre Auswirkungen - Schuldenkrise in der Eurozone – speziell die Lage in Portugal und Griechenland - Marktsegment Bondm und Umsatzspitzenreiter in Stuttgart https://www.boerse-stuttgart.de/de/...v.html?vid=5761 Bondm-News: Die Anleihe der Windreich AG befindet sich noch bis kommenden Mittwoch den 13. Juli 2011 in der Zeichnung an der Börse Stuttgart. Das Unternehmen aus dem schwäbischen Wolfsschlugen offeriert einen festen Kupon von 6,5 Prozent und kann zu einer Mindeststückelung von 1.000 Euro nominal erworben werden. Das Hauptgeschäftsfeld der Windreich AG liegt in dem Betrieb von on- und offshore Windparks. Laut Unternehmensangaben liegt das mittelfristige Ziel der Windreich AG darin, einer der wichtigsten Entwickler von Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee zu werden. Aktuelle Neueinführungen an der Börse Stuttgart Das Land Nordrhein-Westfalen emittierte in der abgelaufenen Handelswoche eine 10-jährige Anleihe mit festem Kupon von 3,5 Prozent (WKN: NRW0CN). Die Mindeststückelung beträgt 1.000 Euro nominal. Außerdem kann in Stuttgart eine Anleihe der Aktiengesellschaft Solarworld zu einer Mindeststückelung von ebenfalls 1.000 Euro nominal gehandelt werden (WKN: A1H3W6). Bei einem festen Kupon von 6,375 Prozent wird das Papier am 13. Juli 2016 fällig. Quelle: boerse-stuttgart AG | ||
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