Alt 19.12.14, 22:53
Standard So tickt die Börse: Nichts für schwache Nerven
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Diese Woche war wirklich nichts für schwache Nerven. Der DAX war zwischenzeitlich um 8,5% von seinem Allzeithoch von nur einer Woche zuvor abgestürzt. Damit folgte er dem Ölpreis, der in dieser Woche Kurs auf die von mir als Boden ausgegebenen 52 USD/Fass Western Texas Öl (WTI) nahm. Dieses Kursziel beim Ölpreis war in der Finanzwelt so verbreitet, dass offensichtlich viele Akteure gar nicht erst auf dessen erreichen warteten, sondern bereits bei 54 USD/Fass beherzt zugriffen und somit frühzeitig eine Wende einleiteten.

Seither haben sich Ölpreis und Aktienmarkt endlich voneinander entkoppelt: Der Ölpreis nimmt erneut Kurs auf 52 USD/Fass, das Ziel ist ja noch nicht erreicht worden. Der DAX hingegen klettert weiter nach oben. Auch Dow Jones und der S&P 500 laufen gen Norden, obwohl der Ölpreis erneut unter Druck gerät.

Historisch gesehen ist es tatsächlich so wie von mir beschrieben: Ein niedriger Ölpreis ist vorteilhaft für die Wirtschaft und somit auch für Aktienkurse. Nachdem in einer ersten Panik das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, also Aktien gemeinsam mit dem Öl auf den Markt geworfen werden, folgt nun die Phase der differenzierten Beurteilung der Bedeutung des Ölpreisverfalls.

Der Ausverkauf war zu schnell beendet, als dass wir von den günstigen Kursen hätten Gebrauch machen können. Aber zumindest hat uns die richtige Beurteilung der Zusammenhänge davor bewahrt, unsere Positionen panisch aufzulösen.

Dabei hat sich nicht viel verändert in der Welt, nur kleine Nuancen lieferten positive Impulse. Und die Kurse drehten bereits bevor diese Nuancen bekannt wurden. Einmal mehr können wir daran sehen, dass an der Börse die Stimmung manchmal so schlecht ist, dass egal welche Ereignisse kommen, diese als weniger schlimm interpretiert werden als in den Aktienkursen aktuell abzulesen ist.

Derzeit gibt es drei Bären, die auf dem Börsenparkett wüten: Russland, Petrobras und verschuldete Fracking-Explorer. Keiner dieser Bären wurde erlegt. Doch kommen wir zu den positiven Nuancen:

Am Mittwoch Abend trat Fed-Chefin Janet Yellen vor die Presse und verkündete eine Beibehaltung ihrer Zinsanhebungsabsichten, allerdings werde man "geduldig" auf den richtigen Zeitpunkt warten. Damit hat sie nichts weiter getan als ihre Position zu bestätigen: Die Wirtschaft in den USA befinde sich im Aufschwung und eine Zinsanhebung ist zu erwarten. Sollten sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen in den kommenden Monaten jedoch verschlechtern, dann wird die Fed natürlich mit der Zinsanhebung warten.

Diese Nuance reichte aus, um eine Rallye loszutreten. Zwar haben Ölpreis und Aktienmarkt schon am Dienstag Mittag ihr Tief gesehen, doch bis zu dieser Aussage stand die Erholung auf des Messers Schneide. Der Ölpreis pendelte knapp über der Nulllinie, und ein rotes Vorzeichen hätte schnell wieder Panik entfachen können. Doch die schwarze Null wurde gehalten, und so ging es im Anschluss an die Pressekonferenz mit dem Aktienmarkt steil nach oben.

Am Donnerstag hielt Präsident Putin seine mit Spannung erwartete jährliche Pressekonferenz ab. Darin nahm er ausführlich Stellung zu den geopolitischen Spannungen zwischen Russland und der westlichen Welt. Die Probleme seien vom Westen produziert worden, der Westen baue eine neue "Berliner Mauer" in der Ukraine und Russland sei bereit, für seine Überzeugung einzutreten. Sprich: Keine Entspannung in Sicht.

Doch dann wurde er auf den ukrainischen Präsidenten Poroschenko angesprochen, den er kürzlich persönlich gesprochen hat. Putin lobte Poroschenko als umsichtigen Politiker, der die Beilegung der Krise seines Landes im Auge habe. Eine weitere positive Nuance.

Ist die Stabilisierung des Ölpreises, das vorläufige Ende des Ausverkaufs bereits eine weitere positive Nuance? Vielleicht.

Denn die drei Bären, die auf dem Börsenparkett wüten, wurden allesamt vom abstürzenden Ölpreis aus ihrem Winterschlaf geweckt. Russlands Finanzen sind abhängig vom Ölpreis, das Land hat in den vergangenen Jahren versäumt, seine Abhängigkeit von den Rohstoffen zu verringern. Entsprechend fürchten nun viele Marktteilnehmer eine drohende Insolvenz des Landes.

So weit ist es noch nicht, Russland verfügt noch über ausreichend Währungsreserven (ca. 400 Mrd. USD), um die wichtigsten finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen (ca. 217 Mrd. USD von Unternehmen, überwiegend Banken, und ca.35 Mrd. USD vom russischen Staat). Parallel zur Pressekonferenz Putins wurden einige hundert Milliarden Euro als Hilfe für internationale Unternehmen bereitgestellt.

Doch es gibt schon direkte Folgen der Sanktionen. So gab BASF gestern bekannt, dass der seit 2012 vorbereitete Deal mit Gazprom, der in den nächsten Tagen vollzogen werden sollte, seitens Gazprom storniert wurde. Als Grund gaben die Russen die politischen Spannungen an.

Ich kann also keine Besserung dieser Situation erkennen.

Der zweite Bär, Petrobras, ist ebenfalls am Straucheln. Die Brasilianer verfügen zwar über gigantische Ölvorkommen, doch das Öl befindet sich einige Tausend Meter unter dem Meeresgrund und ist sehr teuer zu fördern. Zudem ist Petrobras mit 51 Mrd. USD extrem hoch verschuldet, und zwar leider in US-Dollar. Die Stärke des US-Dollars belastet die Bilanz also zusätzlich zum Ölpreisverfall. 60% von Petrobras befinden sich in der Hand des brasilianischen Staates, und man kann die Einhaltung von Zahlungsverpflichtungen durchaus als unsicher betrachten.

Der dritte Bär lebt in den USA und ist überall dort zu Hause, wo Explorer große Wetten auf durch Fracking zu gewinnendes Öl gemacht haben, als der Ölpreis noch über 100 USD/Fass stand. Die Situation wird mit der Immobilienblase 2007 verglichen, als viele Hausbauer aufgrund der günstigen Finanzierungskosten noch zugegriffen haben, ihre Immobilie jedoch zwei Jahre später um 30% weniger wert war. Ähnlich wird es diesen Öl-Unternehmen ergehen, viele davon werden Pleite gehen.

Doch ich habe bereits vor einer Woche das Volumen dieser Finanzierungen mit 200 Mrd. USD als verkraftbar identifiziert. Große Ölkonzerne wie Exxon, Chevron oder Total und Statoil lecken sich die Finger nach diesen Ölvorkommen und freuen sich, wenn sie günstig an diese Werte herankommen. Ja, es wird Verwerfungen am Ölmarkt geben, aber die Branche ist durchaus in der Lage, dies alleine aufzufangen.

Fazit:

Also mal ehrlich: Die drei Bären bleiben gefährlich. Sie sind jederzeit in der Lage, die Aktienbörsen aufzumischen. Wir dürfen uns also auf eine Phase hoher Volatilität an den Börsen gefasst machen. Unter'm Strich jedoch dürfte es weiter aufwärts gehen, denn der niedrige Ölpreis wirkt wie ein gigantisches weltweites Konjunkturprogramm für alle Länder und Unternehmen, die mehr Öl verbrauchen als produzieren.

Schauen wir uns einmal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (18.12.2014) | Woche Δ

Dow Jones: 17.778 | 1,0%
DAX: 9.811 | -0,5%
Nikkei: 17.621 | 1,4%
Euro/US-Dollar: 1,23 | -1,2%
Euro/Yen: 146,56 | -0,5%
10-Jahres-US-Anleihe: 2,20% | 0,02
Umlaufrendite Dt: 0,51% | -0,07
Feinunze Gold: $1.197 | -2,3%
Fass Brent Öl: $59,85 | -5,8%
Kupfer: 6.375 | -1,4%
Baltic Dry Shipping: 814 | -8,2%



Es ist unglaublich, aber das von uns vor einer Woche ausgegebene Kursziel für den DAX bei 9.800 Punkten wurde heute Mittag ziemlich punktgenau erreicht. Dort befand sich vor einer Woche das größte Put / Call Volumen und daher hatten wir darauf hingewiesen, dass diese Marke zum heutigen dreifachen Optionsverfallstag wie ein Magnet wirken dürfte. Das Wochenminus von -0,5% zeigt die heftige Bewegung dieser Woche nicht an. Wer also nur einmal pro Woche nach der Börse schaut, hat von dem Chaos dieser Woche nichts mitbekommen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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