Alt 10.07.15, 20:04
Standard So tickt die Börse: China und Griechenland halten die Welt in Atem
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Tri Tra Trallala, der Kasper ist noch immer da! Das böse Krokodil, die Merkel, die hat ja zuletzt kräftig eins drauf gekriegt. Recht so, das griechische Publikum jubelt.

Wenn die Situation nicht so ernst für das griechische Volk wäre, würde ich gerne dieses griechische Drama weiter lächerlich machen. Ich habe mich am Mittwoch klar positioniert. Moralisch gibt es keine andere Möglichkeit mehr für die Verhandlungspartner, als nun den Grexit umzusetzen. Für beide Seiten.

Doch was wollen wir in der Politik mit Moral, wenn hehre Ziele auf dem Rücken eines leidenden Volkes ausgetragen werden? Und dass ein Volk von Demagogen leicht in die Irre geführt werden kann, wissen wir hier in Deutschland am besten. Also: Warten wir ab, was am Wochenende beschlossen wird.

Die Signale, die von der Börse gesendet werden, sind eindeutig: Der Grexit ist deutlich unwahrscheinlicher geworden, als noch vor zwei Tagen.

Doch nicht allein Griechenland dominiert die Börsen, auch China ist wieder zum Thema geworden, wie ich Ihnen in einem Update vor einigen Tagen schrieb.

Der Shanghai-A-Aktienindex ist in den vergangenen zwölf Monaten von 2.134 Punkten auf 5.410 Punkte Anfang Juni angestiegen. Mehr als eine Kursverdopplung. Viele Privatanleger haben aus diesem Kursanstieg große Gewinne mitgenommen und in iPhones, gutes Essen und teure Kleidung umgesetzt.

Am 10. Juni erhöhte man in China die erforderlichen Sicherheiten, die für Kredit-Spekulationen hinterlegt werden müssen. Es folgte ein beispielloser Ausverkauf, der die Kurse binnen eines Monats um 33% einbrechen ließ.

Nun streiten sich die Meinungsführer darum, ob eine Spekulationsblase nun wieder ausgeglichen wird bzw. noch ein wenig tiefere Kurse dazu erforderlich sind, oder aber ob der Kurseinbruch nur der Vorläufer von noch schwächeren Konjunkturdaten im Land der Mitte ist.

Vieles spricht für die erste Version. Immerhin sind 45% aller in China notierten Aktien Mitte der Woche vom Handel ausgesetzt worden. Die Kursverluste wären ohne diesen Schritt noch viel dramatischer ausgefallen. Und das spricht doch eher für einen technischen Verkauf (Rückführung einer Blase) als für realwirtschaftliche Gründe. Es ist schon unwahrscheinlich, dass eine Wachstumsverlangsamung von 7% auf vielleicht 5% über 30% der Marktkapitalisierung in China ausradiert.

Doch in China befinden sich Aktien hauptsächlich in der Hand von Privatanlegern, ganz anders als bei uns, wo Fonds und Rentenkassen, ETFs und Hedgefonds den Löwenanteil des Börsenhandels ausmachen. Und für diese Privatanleger stellen Dividenden und Aktienkursgewinne einen Teil ihres Einkommens dar. Ihres frei verfügbaren Einkommens, das sie in Luxusartikel wie iPhones, Restaurantessen und teure Kleidung stecken können. Es ist ein Teil der Binnenkonjunktur.

Fallen nun die Börsengewinne weg, so fällt auch ein Teil der Binnennachfrage weg. Wenn die Baisse in China also anhält, dürfte es Auswirkungen auf die Konjunkturentwicklung geben. Entsprechend eifrig ist die chinesische Zentralregierung nun dabei die Aktienbörsen zu stützen. Dazu wurden zum einen Stützungskäufe durchgeführt, zum anderen wurde jedoch auch eine neue Regel eingeführt: Unternehmen müssen ihre Aktien nach dem Kauf mindestens sechs Monate halten, wurde diese Woche erlassen. Institutionelle Anleger, die also in diesen Tagen Aktien verkaufen, machen sich in China strafbar. Diese Maßnahme ist in der westlichen Welt undenkbar, zeigt jedoch das umfangreiche Waffenarsenal, über das die kommunistische Regierungspartei in China verfügt.

Sollte das nicht ausreichen, um den Börsencrash aufzuhalten, wird die kommunistische Regierung noch weitere Maßnahmen ergreifen: Warum nicht den Margin-Call verbieten? Sie hat zwar die erforderlichen Sicherheiten für kreditfinanzierte Spekulationen erhöht. Doch wenn jemand die erforderlichen Sicherheiten nicht bringen kann, dann wird dessen Portfolio in der Regel nach einem letzten Anruf bei ihm, dem sogenannten Margin-Call, verkauft. Ich würde mich nicht wundern, wenn in China diese Vorgehensweise im Bedarfsfall ebenfalls untersagt wird.

Der Börsencrash 1987 nahm wenige Tage in Anspruch, und anschließend begannen die Kurse umgehend wieder mit einem langsamen Aufwärtstrend. Die Wirtschaft blieb damals von dem Crash unbeeindruckt. Es handelte sich um eine Kettenreaktion, ausgelöst durch die damals noch neuen Stopp-Loss-Orders, die beim Unterschreiten immer tieferer Kurse in minutenschnelle (ja, so langsam ging das damals) immer neue Verkaufsorders automatisch platzierten.

Im Jahr 2000 hingegen verpuffte die Idee des Konjunkturwachstums ohne Verschnaufpause. Bewertungen waren auf ein Niveau gestiegen, das die optimistischsten Wachstumsraten unendlich in die Zukunft schrieb. Diese Idee verpuffte, die Aktienkurse der betroffenen Technologieaktien brachen um 80% ein, und ein konjunktureller Abschwung folgte.

Ich kann mir vorstellen, dass wir in China eher ein Szenario wie 1987 haben. Daher ist es durchaus möglich, dass die Maßnahmen der kommunistischen Partei Chinas ausreichen werden, um einen weiteren Kursverfall zu stoppen. Nach über 100% Kursgewinn in nur zwölf Monaten ist eine Korrektur von 33% nicht gerade üppig, Markttechniker erwarten eher das doppelte an Korrektur, also 66%. Doch China ist keine freie Marktwirtschaft, sondern eine zentralistisch gelenkte Wirtschaft. Da kann so etwas eben auch anders aussehen.

Der Begriff "Achterbahnfahrt" ist schmeichelhaft für die Börsenentwicklung, wenn ich mir die vergangenen Tage anschaue. Unter der Woche haben wir wichtige Untergrenzen besucht und erfolgreich verteidigt. Aktuell notiert der DAX wieder bei 11.262 Punkten, was genau der Pforte zur Wiederaufnahme der ursprünglichen Rallye entspricht.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich geschlagen haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (09.07.2015) | Woche Δ

Dow Jones: 17.549 | -1,0%
DAX: 10.996 | -0,9%
Nikkei: 19.780 | -3,7%
Euro/US-Dollar: 1,11 | 0,2%
Euro/Yen: 135,79 | -0,6%
10-Jahres-US-Anleihe: 2,30% | -0,09
Umlaufrendite Dt: 0,55% | -0,16
Feinunze Gold: $1.163 | -0,5%
Fass Brent Öl: $59,03 | -4,7%
Kupfer: 5.558 | -4,1%
Baltic Dry Shipping: 853 | 7,4%



Unter'm Strich blieb beim DAX ein Wochenminus von nur noch 0,9%, beim Dow Jones von 1%. Doch am heutigen Tag werden auch die negativen Vorzeichen noch überwunden. Dabei betrug das Minus im DAX am Dienstag Abend noch 3,9%. Sowohl der Ausverkauf in China, als auch die unverblümten Reden der Verhandlungspartner vor dem Europaparlament sorgten für einen Tiefpunkt.

Auch der Euro hat im Wochenverlauf eine Kehrtwende vollzogen: Mehrmals wurde die Marke von 1,10 USD/EUR im Wochenverlauf unterschritten, erst heute kann sich der Wechselkurs deutlich stabiler präsentieren. Euroland mit Griechenland wird wohl als stabiler betrachtet als ohne, vermutlich spielen bei dieser Einschätzung auch soziale Aspekte eine wichtige Rolle.

Dieser stabilisierende Effekt auf Euroland macht sich auch bei der Zinsentwicklung bemerkbar: Die Nachfrage nach Anleihen aus Euroland ist angesprungen, das Zinsniveau ist deutlich gefallen (Umlaufrendite -0,2 Prozentpunkte).

Die Probleme in China und in Europa hinterlassen auch Spuren in den USA. Dort gilt es inzwischen als eher unwahrscheinlich, dass in dieser fragilen globalen Situation eine erste Leitzinserhöhung umgesetzt werden kann. Entsprechend wurde ein Teil des Zinsanstiegs wieder abgegeben, US-Anleihen sind vor dem Hintergrund einer nunmehr wieder etwas länger anhaltenden Niedrigzinsphase wieder ein wenig attraktiver geworden. Das Zinsniveau sank um 0,1 Prozentpunkt.

Der Ölpreis (-4,7%) sowie das Kupfer (-4,1%) sind vor dem Hintergrund der drohenden Schwäche in China eingebrochen. Der Baltic Dry Verschiffungsindex (+7,4%) hingegen vollzog einen großen Sprung nach oben. Die Binnenschwäche Chinas wird also nach Ansicht von Investoren durch steigende Importe aufgefangen werden müssen.

Nach wie vor verhält sich der Goldpreis relativ neutral. Als "Sicherer Hafen" wird das Gold kaum gesucht. Vielleicht mussten einige Chinesen, die nicht über ausreichend Barreserven auf den Konten verfügten, um die angehobenen Sicherungsanforderungen zu erfüllen, ihren Goldschatz versilbern.

Wieder steht ein Wochenende an, an dem über das Schicksal von Griechenland entschieden wird. Schauen wir uns einmal die Stimmung unter den Anlegern an, um eine mögliche Reaktion der Märkte für die nächste Woche besser abschätzen zu können.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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