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Der DAX hat diese Woche 1,7% abgegeben. Schlimmer noch hat's den Dow Jones erwischt, der um 2,1% absackte. Nachdem Griechenland nun endlich aus den Schlagzeilen verschwindet, werden andere Themen betrachtet. In erster Linie wiegt China derzeit schwer auf den Aktienmärkten.
Die Argumentation ist einfach: China mag zwar den Aktiencrash per Dekret aufgefangen haben, doch die chinesische Binnenwirtschaft ist alles andere als robust. Zweifel an dem 7%-Wachstumsziel der kommunistischen Regierungspartei werden immer lauter, den veröffentlichten Zahlen glauben viele Marktbeobachter nicht mehr. Und wenn man schon mal die Misstrauenskarte gespielt hat, warum dann nicht die kommunistische Regierung unter Generalverdacht der Zahlenmanipulation stellen: Auch die unlängst veröffentlichten Goldreserven werden als viel zu niedrig angesehen: China horte insgeheim Gold, um sich für Währungsturbulenzen zu rüsten, so die Kritiker. Genährt werden die Befürchtungen von den Quartalszahlen international agierender Unternehmen. Caterpillar, 3M, McDonald's, United Technologies und Microsoft zeigten durch die Bank weg schwache Umsätze in China. Doch China ist nur das Zünglein an der Waage. Hinsichtlich der Quartalszahlen fürchten Anleger ein anderes Damoklesschwert: die anstehende Zinserhöhung durch die US-Notenbank Fed. Nachdem ein Griechenland-Chaos vorerst abgewendet und der Aktiencrash in China aufgefangen wurde, wird eine erste Zinserhöhung noch im laufenden Jahr, vielleicht sogar schon im September, immer wahrscheinlicher. Steigende Zinsen in den USA machen US-Staatsanleihen attraktiver. Es wird große Kapitalströme internationaler Investoren geben, die von dem attraktiveren Zinsumfeld in den USA profitieren wollen. Kapital, das andernfalls in Aktien von Schwellenländern investiert worden wäre, oder aber auch bei uns in Europa. Entsprechend wird ein weiterhin starker US-Dollar schon fast als gegeben hingenommen. Das wiederum wird die Wettbewerbsfähigkeit international agierender US-Unternehmen beeinträchtigen und deren Gewinne schmälern. Hinfort also mit den US-Unternehmen, die ein China-Geschäft haben. Gleichzeitig steigt der US-Dollar (gegenüber dem Euro um 1%) und der Kurs von US-Staatsanleihen, was wiederum die Rendite drückt (um 0,1% auf 2,29% für 10-Jahre laufende US-Bonds). Unsere Welt ist auf Wachstum ausgerichtet. Doch wer soll für das Wachstum sorgen? Europa wird mit Wachstumsraten zwischen 0,2% und 0,7% belächelt. Die USA drohen sich selber das Wachstum abzuwürgen, wenn sie den Leitzins zu schnell anheben. China traut man nicht. Und die anderen BRICs sind überwiegend mit eigenen Problemen beschäftigt. Brasilien bekämpft die Korruption auf allen Ebenen. Russland wurde durch Sanktionen in eine Rezession getrieben. Indien geht es verhältnismäßig gut, China hat Probleme, die Binnenkonjunktur auf die Beine zu stellen. Also: Kein Wachstum in Sicht. Und dann ist da noch Apple. Das Unternehmen hat sich lange Zeit gelassen mit dem Markteintritt in China. Nun sorgt das Land der Mitte für die größte Wachstumsfantasie beim weltgrößten Innovator. Entsprechend sind die Erwartungen für Apple in den vergangenen Monaten durch die Decke gegangen. Die diese Woche veröffentlichten Quartalszahlen konnten diese Erwartungen nicht übertreffen, und auch der Ausblick blieb hinter den Erwartungen zurück. Analysten haben schnell einen Schuldigen ausgemacht: China. Der Absatz ist zwar um 112% gestiegen, hat sich also verdoppelt, aber es hätte noch mehr sein sollen. 47,5 Mio. iPhones wurden weltweit verkauft, 50 Mio. Stück hätten es sein sollen. So sprechen die Bären nun vom Ende des Smartphonebooms, vom Ende der Apple-Dominanz. Und Weltuntergangspropheten sehen in den schwachen Zahlen den Beweis für eine kollabierende Wirtschaft in China... Moment mal, das ist mir ein wenig voreilig. Wir haben gerade erlebt, wie der DAX in nur zwei Wochen um 10% angesprungen ist. Griechenland wurde vorübergehend gerettet. Mit dem Iran wurde ein historisches Abkommen vereinbart, was wiederum nur durch eine Kooperation zwischen Russland und den USA möglich wurde. Chinas Aktienbörse hat in den vergangenen zwölf Monaten um 150% zugelegt. Und die US-Wirtschaft steht so gut da, dass erstmals seit der Finanzkrise eine Zinserhöhung vorgenommen werden kann. So viel Positives, das fordert den Widerspruch der Bären doch geradezu heraus. Und tatsächlich, nachdem nun die Jubelgesänge verklingen, kommen die Bären zu Wort. Vielleicht sind die Bullen nach den Siegesfeiern einfach in den wohlverdienten Sommerurlaub gefahren und haben das Feld den ausgehungerten Bären überlassen? Nicht einmal der Erfolg Daimlers in China wird medial ausgeschlachtet: Das seien nur Nachholeffekte, weil Daimler den chinesischen Markt viel später entdeckt habe als BMW und VW. Aha, denke ich mir also, Daimler verbucht zwar gute Absatzzahlen in China, das zählt aber nicht. Daimler ist heute mit -0,6% sogar im unteren Drittel des DAX zu finden. Kein Bulle mehr da, um zu sagen: Gute Zahlen sind gut. Stattdessen hören wir: Gute Zahlen gelten nicht. So auch geschehen bei SAP: Es ist doch inzwischen bekannt, dass SAP auf ein neues Geschäftsmodell umstellt: die Cloud. Dabei werden Umsatz und Gewinn in die Zukunft verschoben, dafür besser kalkulierbar. Zudem werden einige Mitarbeiter nach Hause geschickt. Beide Vorhaben sind so erfolgreich, dass es sich in den Zahlen widerspiegelt. Mehr Mitarbeiter als geplant (4% statt 3%) nehmen das Angebot des Vorruhestands in Anspruch. Das kostet mehr Abfindung als geplant, macht SAP aber mittelfristig wieder schlank. Zudem erfolgt der Umstieg auf das Cloud-Geschäftsmodell weiterhin schneller als geplant, was heutige Einnahmen schneller zugunsten von Aboverträgen wegbrechen lässt als geplant. Ich schätze das Management von SAP als gut ein. Diese beiden Themen wurden auch hinreichend kommuniziert. Dass die Aktie nun ins Minus rutscht, obwohl beide Vorhaben erfolgreicher laufen als geplant, ist für mich ein weiterer Hinweis auf den Sommerurlaub der Bullen. Ein weiterer Markt ist in Mitleidenschaft gezogen worden: Der Rohstoffmarkt. Aufgrund des festen US-Dollars fallen die in US-Dollar abgerechneten Rohstoffe ohnehin ein wenig. Wenn der US-Dollar wertvoller wird, braucht man weniger dafür auf den Tisch zu legen um eine Einheit eines Rohstoffs zu kaufen. Zusätzlich lastet auch auf dem Rohstoffmarkt die Ungewissheit über die chinesische Konjunktur. Wenn nicht einmal mehr China ordentliche Wachstumsraten aufweist, wo soll dann überhaupt noch Wachstum herkommen? Und als sei das nicht genug, feuern Rohstoffunternehmen aus allen Rohren. Vale hat heute erneut eine Rekordproduktion von Eisenerz im abgelaufenen Quartal vermeldet. Auf dem Ölmarkt schaut man ängstlich wie das Kaninchen auf die Schlange auf den Iran, der nach der Einigung mit den Atommächten künftig auch wieder Öl auf die Weltmärkte geben darf. Und wenn wir uns die Edelmetalle (Gold -4,2%) anschauen, bekommt das ganze Treiben schon Züge von Panik. Schauen wir uns die Wochenperformance der wichtigsten Indizes einmal im Überblick an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES 23.07.2015 | Woche Δ Dow Jones: 17.732 | -2,1% DAX: 11.512 | -1,7% Nikkei: 20.552 | -0,5% Euro/US-Dollar: 1,10 | 0,7% Euro/Yen: 135,88 | 0,6% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,27% | -0,08 Umlaufrendite Dt: 0,56% | -0,08 Feinunze Gold: $1.095 | -4,2% Fass Brent Öl: $55,29 | -2,9% Kupfer: 5.270 | -4,2% Baltic Dry Shipping: 1.118 | 10,8% Im Jahr 2011 haben die Rohstoffmärkte ihre Hochs gesehen. Die verschiedenen Rohstoffe erzielten ihre jeweiligen Hochs in unterschiedlichen Monaten, doch seither geht's bergab. Die Verluste dieser Woche, Gold und Kupfer je -4,2%, Öl -2,9%, erinnern schon an eine Kapitulation an den Märkten. Gleichzeitig ist jedoch der Baltic Dry Verschiffungsindex weiter angestiegen. Rohstoffe werden also wieder importiert, sonst würden keine Schiffskapazitäten nachgefragt werden. Sehen wir hier also die Kapitulation der Finanzspekulanten an den Rohstoffmärkten, während gleichzeitig die Realwirtschaft die günstigen Preise nutzt? Oder aber steigt der Verschiffungsindex weil immer mehr produziert und verschifft wird, der Preis dennoch immer weiter fällt? Ich denke, der Ausverkauf an den Rohstoffmärkten nähert sich dem Ende. Doch noch fallen die Preise ungebremst und wer zu früh einsteigt, greift ins fallende Messe. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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