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Der Kupferpreis hat sich in den vergangenen fünf Jahren halbiert. Eisenerz hat sich gedrittelt. Öl hat sich ebenfalls gedrittelt. Aluminium hat 40% verloren. Bei vielen weiteren Rohstoffen sieht es ähnlich aus.
Vale hat diese Woche bekanntgegeben, dass die Erschließung der weltgrößten Eisenerzmine in Brasilien schneller und günstiger voran schreitet als geplant. Ein vermeintlicher Erfolg. Seitens Rio Tinto und BHP Billiton sind die Meldungen über die Investitionsprojekte zur Erschließung neuer Eisenvorkommen ähnlich. Freeport McMoRan veröffentlicht ähnliches zu seinen Kupferprojekten. Diese Woche ist die Aktie von Glencore, dem weltgrößten Rohstoffhändler, eingebrochen. Der Grund: Die niedrigen Rohstoffpreise belasten nicht nur das Tagesgeschäft, sondern auch die Finanzstruktur des Unternehmens. Ohne maßgebliche Unternehmensteilverkäufe, so ein Analyst, könne das Unternehmen Liquiditätsengpässe bekommen. Und versuchen Sie mal in diesen Tagen einen ansehnlichen Preis für ein Unternehmensteil im Rohstoffbereich zu bekommen. 2007 stand die Welt im Zeichen der zweistelligen Wachstumsraten Chinas. Sämtliche Rohstoffe der Welt wurden nach China gekarrt, könnte man meinen, und dort wurde täglich eine neue Millionenstadt samt Infrastruktur gebaut. Dann folgte die Finanzkrise und mit ihr der Rohstoffcrash. Doch während sich die Finanzmärkte inzwischen wieder erholt haben, kennen die Rohstoffmärkte nach wie vor nur eine Richtung: abwärts. Unzählige Investitionsprojekte zur Erschliessung neuer Rohstoffvorkommen wurden noch in den Jahren 2009 bis 2011 losgetreten, insbesondere das niedrige Zinsniveau hat für diese Projekte eine günstige Kalkulation ermöglicht. Heute sind die zweistelligen Wachstumsraten Chinas jedoch Geschichte, dennoch strömen immer mehr Rohstoffe auf die Weltmärkte. Unternehmen wie Petrobras, ein brasilianischer Ölkonzern mit gigantischen Tiefseevorkommen vor der Küste, sowie Glencor, mit einer gigantischen Beteiligung an Xstrata, haben Finanzierungen in US-Dollar vorgenommen, weil der Zins so schön niedrig war. Doch nun ist der US-Dollar gestiegen, und die niedrigen Zinszahlungen fallen gegenüber dem exorbitant gestiegenen Kreditvolumen in heimischer Währung gar nicht so sehr ins Gewicht. Vielmehr ist nun fraglich, ob die Projekte sich auch zu dem teuren US-Dollar überhaupt noch rechnen. Der Ölmarkt ist da schon einen Schritt weiter, wie ich Ihnen im heutigen Update zeige (Kapitel Updates). Doch die anderen Rohstoffmärkte befinden sich noch voll im Investitionswahn. Wenn US-Notenbankchefin Janet Yellen den US-Leitzins anhebt, könnte das Unternehmen wie Glencore oder Petrobras in die Knie zwingen, was wiederum Schockwellen durch die Weltwirtschaft treiben würde. Da könnten dann auch weitere Rohstoffkonzerne wie Vale, BHP, Rio Tinto oder sogar Warren Buffets Liebling Freeport McMoRan Probleme bekommen. Das möchte Yellen natürlich nicht verantworten, also wartet sie. Und so ist es wie ein Pokerspiel: Wer zwinkert aus Nervosität als erstes mit den Augen? Eines der Rohstoffunternehmen indem ein Investitionsprojekt auf Eis gelegt wird und sämtliche Wettbewerber sich dann den verlorenen Marktanteil untereinander aufteilen? Oder Yellen, die damit einmal mehr unter Beweis stellt, dass ihre Handlungsfreiheit inzwischen sehr sehr eingeschränkt ist? Heute wurden in den USA Arbeitsmarktdaten veröffentlicht, die unter den Erwartungen lagen. "Siehst Du", sagen die einen, die darin die Bestätigung der Zurückhaltung Yellens vor zwei Wochen sehen, als sie den Zins eben NICHT erhöht hatte. "Oh Gott", schreien die anderen, die Yellen nun vorwerfen, so lange mit dem ersten Zinsschritt gewartet zu haben, dass der inzwischen mehrere Jahre alte Aufschwung sich wieder abschwächt. Nun sei es zu spät, die Fed habe die Chance verpasst, sich Handlungsspielraum für die nächste Konjunkturabschwächung zu erarbeiten. Damit ist Fed-Chefin Yellen in einer Situation, in der jede ihrer Entscheidungen falsch ist. Erhöht sie nun den Zins, obwohl der Arbeitsmarkt sich abschwächt und während die Rohstoffmärkte zu kollabieren drohen, riskiert sie, die Weltwirtschaft in eine Krise zu stürzen. Belässt sie den Zins im laufenden Jahr bei 0-0,25%, so ist QE4 bereits vorprogrammiert: Die nächste Konjunkturschwäche wird mit der vierten quantitativen Lockerung bekämpft werden müssen. Noch mehr Geld! In den vergangenen sechs Jahren ist die Liquidität in US-Dollar um den Faktor 4,5 angestiegen. Früher galt der Faktor 2 für eine Zehnjahresfrist als angemessen bis sportlich. Statt in zehn Jahren verdoppelt sich die Geldmenge nun alle drei Jahre, und ein QE4 würde diesen Trend fortsetzen. Das viele Geld, das ja idealerweise für Investitionen verwendet werden soll, bitte aber nicht Investitionen in die Erschliessung neuer Rohstoffvorkommen, findet seinen Weg in die Finanzwirtschaft: Immobilienpreise, Aktien, Anleihen etc. werden gekauft, Investitionen stagnieren jedoch. Die Liquiditätsflutung hat also lange schon ihre Funktion als stimulierende Maßnahme verloren, sie fungiert inzwischen lediglich als Katastrophenabwehr. Dieses Szenario dämmert nun den meisten Anlegern, und in meinen Augen ist diese Auswegslosigkeit der Grund hinter der Korrektur, in der wir uns seit einigen Monaten befinden. Ich habe diese Woche wieder eine altbewährte Heibel-Methode angewendet, um mir über das mögliche Ende der Korrektur ein Bild zu machen. Mit Hilfe einer Checkliste von Problemen, die gelöst werden müssen bevor die Korrektur endet, können wir relativ nüchtern Zwischenerholungen und erneute Abwärtswellen beobachten. Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass heute schon sehr viele Aktien auf einem günstigen Niveau notieren. Wer einen langen Zeithorizont bei der Anlage verfolgt, der kann sich ausgewählte Aktien auf dem aktuellen Niveau ins Depot holen. Daher werden wir auch nicht panisch Aktien aus unserem Portfolio verkaufen, sondern lediglich auf günstige Kaufkurse für das bisschen Liquidität warten, das wir haben. Die Checkliste stelle ich Ihnen genau wie in den Jahren 2011 und 2008 in Kapitel 04 vor. Schon damals war die Checkliste ein verlässlicher Begleiter durch das turbulente Chaos. Schauen wir nun zunächst einmal auf die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (01.10.2015) | Woche Δ Dow Jones: 16.272 | 0,4% DAX: 9.509 | 0,9% Nikkei: 17.725 | -0,9% Euro/US-Dollar: 1,12 | 0,2% Euro/Yen: 134,13 | -0,5% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,04% | -0,08 Umlaufrendite Dt: 0,44% | -0,01 Feinunze Gold: $1.109 | -2,9% Fass Brent Öl: $45,65 | -5,3% Kupfer: 5.115 | 1,0% Baltic Dry Shipping: 888 | -3,7% Nach dem VW-induzierten Ausverkauf der Vorwoche kann sich der DAX diese Woche ein wenig erholen. Doch nach -7,8% in der Vorwoche ist das +0,9% nicht mehr als eine Stabilisierung. Von einer Gegenbewegung kann da noch nicht gesprochen werden. Wir sind auch noch weit davon entfernt, das Diesel-Problem von VW in Zahlen fassen zu können. Zu viel ist da noch ungewiss. Wir haben vor einer Woche den VW-Skandal von beiden Seiten beleuchtet: von der einen Seite mit der Ungewißheit, was da noch alles auf uns zukommen mag, sowie von der anderen Seite, dass die Aktie doch schon deutlich Federn gelassen hat. Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass ein Skandal dieser Tragweite nicht binnen weniger Wochen abgearbeitet ist. BP konnte zwar in den sechs Monaten nach dem Macondo-Unglück in der Karibik um 50% zulegen, doch heute notiert die Aktie wieder auf dem absoluten Crashniveau, das in den Wochen nach dem Unglück erreicht wurde. Eine ähnliche Entwicklung könnte ich mir für VW auch vorstellen. Ich will Ihnen hier noch ein paar Bedenken an die Hand geben, die Ihnen bewusst machen sollen, dass die VW-Aktie jetzt vielleicht eine Spekulation wert ist, noch lange aber kein Investment. Die Diesel-Trickserei stellt meiner Einschätzung nach die Diesel-Technik wieder einmal in Frage. Diesel erlebte einen Aufschwung weil Diesel in Deutschland und teilweise in Europa gefördert wurden. Und gefördert wurden sie eben aufgrund der vermeintlich niedrigen Schadstoffbelastung. Doch bei VW ist das offensichtlich nicht der Fall, und entsprechend ist das Gefühl, etwas für die Umwelt zu tun, wenn man Diesel fährt, nun kaputt. Prüfverfahren werden geändert werden müssen. Und da würde es mich wundern, wenn sämtliche Diesel-Fahrzeuge die im Prospekt und im Labortest ermittelten Ergebnisse halten können. Allein schon wenn Sie mit Ihrem Diesel eine längere Strecke über die Autobahn heizen, werden Sie wesentlich mehr Schadstoffe emittieren als irgendein Test vermuten lässt. Denn die Abgasvermeidung ist auf die Testumgebung ausgelegt, und da gibt es einfach keine mehrstündige Dauerbelastung mit über 160 Km/h sondern immer nur kurzzeitige verschiedene Verkehrssituationen. Um die Dieselfahrzeuge nun auf die erforderlichen Abgaswerte zu bringen, wird mindestens eine neue Software erforderlich, vermutlich aber auch neue Hardware. Das Resultat wird dann ein geringerer Schadstoffausstoß sein, doch der Preis dafür wird eine wesentlich intensivere, sprich spritfressendere, Reinigung der Abgase sein. Die Verbrauchswerte der Dieselfahrzeuge könnten also schlechter werden. VW hat Dank der Laborwerte die regional erforderliche Flottenquote an Schadstoffausstoß erzielt. Da diese Laborwerte offensichtlich nicht mit der Realität übereinstimmen, könnte man daraus ableiten, dass VW viel mehr seiner kleinen Dieselfahrzeuge hätte verkaufen müssen, was sich nur über einen günstigeren Preis umsetzen lässt, um die Quote zu erfüllen. Die anderen Autobauer könnten also Schadensersatz fordern ... aber eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Es würde mich auch nicht überraschen, wenn auch bei den anderen Herstellern deutliche Abweichungen auftreten. Das muss gar nicht durch vorsätzlich manipulierte Software erfolgen, sondern einfach durch die Abgastest-optimierten Einstellungen im Motor, die einfach nicht dem realen täglichen Fahrgebrauch entsprechen. Neue Abgastests werden neue Ergebnisse liefern, und daraus könnten auch für andere Hersteller Probleme bei der Erfüllung obiger Quoten folgen. Na, und Schadensersatzforderungen von Käufern, Ländern und Kommunen bis hin zu Aktionären werden natürlich auf folgen. Ein Fass ohne Boden. Ich halte es noch für verfrüht, hier das Ende des Crashs für VW auszurufen. Wenn Sie was tun wollen, dann kaufen Sie Tesla. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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