Alt 25.03.16, 00:48
Standard So tickt die Börse: Besonnenheit bedeutet nicht Gewöhnung
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Und wieder ein abscheulicher Terrorakt des IS. Die Auswirkung auf die Finanzmärkte ist gering: Tui und Lufthansa sackten um 5% ab, weil die Menschen mit ihren Reisen vorsichtiger werden. Doch die Konsumaktien wie Metro und Beiersdorf haben ihre Verluste schon in den Stunden danach wieder ausgeglichen. Der Konsumausfall durch die Menschen, die nun vorsichtig zu Hause bleiben, wird in den anschließenden Tagen wieder ausgeglichen. Es scheint, als hätten sich die Finanzmärkte an Terroranschläge gewöhnt.

Die Menschen jedoch nicht, zu perfide sind diese Terrorakte, zu fragwürdig die Motive. Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer. Nun werden Antworten gesucht: Warum konnte dieser Terroranschlag nicht verhindert werden, obwohl nur wenige Tage zuvor einer der verantwortlichen für die Pariser Terroranschläge verhaftet wurde? Warum konnte man seither das Milieu in Molenbeek nicht besser unter Kontrolle bringen? Die USA fordern ein stärkeres Engagement der Europäer beim Kampf gegen den IS.

Es ist absehbar, dass dieser Anschlag Folgen haben muss für die Zusammenarbeit der europäischen Sicherheitsbehörden. Und dieser Abschlag führt uns erneut vor Augen, wie dringend die chaotische Flüchtlingssituation in Europa überarbeitet werden muss.

Trotz der Anschläge konnte der DAX im Wochenverlauf um 1,3% zulegen. Damit ist genau das eingetreten, was ich vor einer Woche in Aussicht stellte: Legt der Dow Jones zu (+0,4%), dürfte der DAX aufgrund des Aufholpotentials überproportional zulegen. Hätten wir fallende Kurse in den USA gesehen, dann hätte sich der DAX meiner Erwartung zufolge verhältnismäßig gut gehalten. Zu stark war das Kaufinteresse vor einer Woche.

Derweil haben sich die Konjunkturdaten moderat oder nur leicht schlechter als erwartet entwickelt. Der deutsche Einkaufsmanagerindex (PMI) steht mit 50,4 noch immer im positiven Bereich (über 50), wenngleich die erwarteten 50,8 knapp verfehlt wurden. Der US-Verbraucherpreisindex stieg um 0,3%, erwartet wurden 0,4%. Die ZEW Konjunkturerwartung für Deutschland steht bei 4,3, erwartet wurden 5,0. Einzig überraschend fiel mit 9.357 Mio. Fässern der Anstieg beim Erdöllagerbestand aus, erwartet wurden nur 3,090 Mio. Fässer. Dem Ölpreis konnte diese Meldung jedoch nicht zusetzen (+2,6%).

Damit verfestigt sich für mich das Bild einer stabilen, wenn auch schwachen Konjunkturentwicklung. Prof. Issing, erster Chefvolkswirt der EZB, hat sich diese Woche über die Notenbankpolitik beschwert: Mit der expansiven Geldpolitik vermittele die EZB ein Gefühl der Dringlichkeit hinsichtlich einer schlechten Konjunkturentwicklung, die in keiner Weise gerechtfertigt sei. Wir haben genau das Szenario, das wir seit langem in Aussicht gestellt bekamen: Eine lange Phase mit extrem niedrigen Wachstumsraten.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (23.03.2016) | Woche Δ

Dow Jones: 17.559 | 0,4%
DAX: 10.023 | 1,3%
Nikkei: 17.000 | 1,7%
Shanghai A: 3.149 | 3,6%
Euro/US-Dollar: 1,12 | -1,1%
Euro/Yen: 125,84 | 0,0%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,89% | -0,01
Umlaufrendite Dt: 0,12% | -0,02
Feinunze Gold: $1.224 | -3,2%
Fass Brent Öl: $42,50 | 2,6%
Kupfer: 5.062 | -0,1%
Baltic Dry Shipping: 401 | 2,3%



Der US-Dollar hat gegenüber dem Euro wieder Boden gut gemacht. Das mag in Zusammenhang mit dem Terroranschlag von Brüssel liegen, da solch ein Ereignis von internationalen Anlegern gerne dazu genutzt wird, ihre Engagements in dieser nunmehr als riskanter gesehenen Region zu verkleinern.

Es geht hier um die Wahrnehmung, nicht um Fakten. Im US-Sender CNBC fragte ein Journalist den ehemaligen US-Botschafter nach der Sicherheitslage in Europa, speziell Belgien. Seine Antwort lautete, Belgien sei auf der Sicherheitsliste aller Länder weltweit auf Position 14, also in der Spitzengruppe. Daran ändere auch dieser Anschlag wenig. Zum Vergleich nannte er Großbritanniens Position 39 und die USA aus Platz 94. Deutschland befindet sich übrigens auf Position 16.

Diese Faktenlage hindert das US-Außenministerium jedoch nicht daran, eine Reisewarnung für europäische Großstädte auszugeben, mit dem Hinweis, Orte mit Massenansammlungen von Menschen zu meiden.

Ich habe den Eindruck, das internationale Kapital, das aus dem Euro abgezogen wurde, hat sich in Japan und China eingenistet, denn dort sind die Börsenindizes stark angestiegen. Der Nikkei stieg um 1,7%, der Shanghai A-Index sprang sogar um 3,6% an.

Insbesondere der chinesische Aktienindex deutet auf eine Normalisierung an den Finanzmärkten. Denn gleichzeitig ist auch der Baltic Dry Verschiffungsindex weiter angestiegen. Der absolute Import-Exportstillstand, der Mitte Februar noch zu beobachten war, scheint sich langsam aufzulösen.

So zeigen auch viele Rohstoffe inzwischen deutliche Bodenbildungen oder schon einen ersten Aufwärtstrend. Seien es Industriemetalle, Agrarrohstoffe oder Energierohstoffe, überall sind konstruktive Entwicklungen zu verzeichnen. Handelt es sich dabei nun tatsächlich um den Beginn eines weltweiten Konjunkturaufschwungs, oder aber sehen wir nur eine kurze Verschnaufpause im seit sechs Jahren andauernden Bärenmarkt der Rohstoffe? Auch im DAX befinden wir uns aktuell an einem wichtigen Scheidepunkt, wir werden in den nächsten Handelstagen eine Antwort erhalten.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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