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Vor einer Woche habe ich mich weit aus dem Fenster gelehnt mit meiner Prognose, die Aktienmärkte würden weiter ansteigen. Nun hat der DAX um 0,9% zugelegt, der Dow Jones sogar um 1,2%. Dabei waren die Argumente der Bären doch so überzeugend, oder?
Nun, wir blicken zurück auf schwere Börsenzeiten. 2000 bis 2013 konnte der DAX keinen Boden gutmachen. Immer wieder rutschten die Kurse in den Keller und eine ganze Generation von Anlegern verlor ihr Vermögen oder kehrte der Börse entnervt den Rücken. Nach der Finanzkrise 2008 folgte 2011 noch die Euro-Krise und in den Köpfen vieler Anleger gilt es nun als bewiesen, dass sowohl unser Finanzsystem als auch der Euro als die Einheitswährung Europas nicht funktionieren. Wer anders denkt, war 2011 noch nicht an der Börse, ist also blutiger Anfänger. Und das sind sehr viele. Denn seit 2009 hat sich der DAX verdreifacht, das ruft neue Spieler auf den Plan. Und diesen jungen Spielern will ich nun weis machen, dass eine Börsenrallye länger dauern kann als acht Jahre (2009 bis 2017). Doch das ist nicht schwer, schauen Sie sich einfach nur die DAX-Rallye von 1990 bis 2000 an, damals stieg der DAX um das Zwölffache. Doch seit dem daran anschließenden Jahrhundertcrash gilt es als unseriös, steigende Kurse zu prognostizieren. Zur Jahrtausendwende waren so viele Scharlatane mit blumigen, aber utopischen Prognosen unterwegs, dass sich in den anschließenden Jahren derjenige Börsenanalyst als "seriös" qualifizierte, der die vorsichtigsten Prognosen abgab. Wenn's dann wider Erwarten doch besser lief, dann nahm ihm das keiner übel, denn Vorsicht ist ja schließlich kein Verbrechen. Doch das Resultat dieser Geschichte ist, dass es heute kaum jemanden gibt, der positive Prognosen abgibt. Und stellen Sie sich mal vor, der DAX läuft weiter und die meisten Anleger schauen nur zu. Bei der aktuellen Niedrigzinsphase, in der Ihr Geld sukzessive an Kaufkraft verliert, wäre das in meinen Augen jedoch nicht in Ordnung. Die Börse ist dazu da, die Kaufkraft des Vermögens zumindest zu erhalten, wenn nicht sogar leicht zu mehren. Und wer Anleger von einer Rallye fern hält, der wird meiner Meinung nach seinem Auftrag nicht gerecht. Es gibt natürlich auch Argumente, die für ein baldiges Ende der Rallye sprechen. Hier habe ich mal vier davon aufgezählt: BÄREN: 1. Die Situation in den USA hat sich nach der Wahl Trumps nur augenscheinlich verbessert, denn lediglich Sentiment-Indikatoren sind angesprungen, nicht aber harte Konjunkturfakten. Das stimmt natürlich, der Beweis für die sich verbessernde Konjunktur muss erst noch geliefert werden. Aber das ist and der Börse immer so, dass mit Veröffentlichung des "Beweises" die Kurse ihre Rallye schon hinter sich haben. Man sollte also aus dieser immerwährenden Gefahr kein besonderes Risiko machen. 2. US-Aktien sind zu teuer. Auch dieses Argument hat etwas für sich, denn das KGV des S&P 500 steht inzwischen bei stolzen 25. Nach diesem Barometer sind Aktien bereits seit drei Jahren zu teuer. Wer sich nach diesem Indikator richtet, hat 33% Kursgewinn ungenutzt verstreichen lassen. Dieses KGV ist ein Indikator für Anleger, die mit einem Horizont von mindestens fünf Jahren Entscheidungen treffen. 3. Wahlen in Frankreich: Niemand glaubt an Wahlsieg von Le Pen Diesen Punkt kann ich gut nachvollziehen. Aktuell geht man weithin davon aus, dass Le Pen im ersten Wahlgang im April ein ordentliches Ergebnis abliefern wird, dann jedoch bei der Stichwahl Anfang Mai unterliegen wird. Für uns als Anleger ist es weniger wichtig, wer am Ende gewinnen und wer verlieren wird, für die Aktienbörse reicht es schon, wenn die Gewinnchancen von Le Pen bspw. falsch eingeschätzt werden. Wenn sich also heute alle in Sicherheit wiegen, dass sie im zweiten Wahlgang verlieren wird, so wird ein Wahlerfolg im ersten Wahlgang diese Überzeugung zumindest kräftig testen. Und das könnte Druck auf die Aktienmärkte bringen... doch nur kurzfristig, bis zur erwarteten Wahlniederlage Anfang Mai. Aber was, wenn Le Pen dann als Überraschungssieger aus der Stichwahl hervorgeht? 4. Globale Wachstumsschwäche, angeführt von China, begleitet von Schwellen- und Entwicklungsländern, die aufgrund des starken US-Dollars ihre Schulden nicht abzahlen können. China hat nun seit vielen Jahren bewiesen, dass die Umstellung auf eine stärkere Binnenwirtschaft erfolgreich orchestriert werden kann. Natürlich wird es immer bessere und schwächere Zeiten geben, aber an einen Crash in China glaube ich derzeit nicht. Schauen wir uns mal die vier Bullanargumente an: BULLEN: 1. Aktien sind im Niedrigzinsumfeld alternativlos Sie wissen, was ich von dem Begriff "alternativlos" halte: Nichts. Es ist eine bequeme Begründung für ein beabsichtigtes Handeln, um nicht über die komplizierten Abwägungsprozesse sprechen zu müssen. Niemand wird gezwungen, Aktien zu kaufen. Aktien werden gekauft, weil man sich den besten Ertrag verspricht. 2. DAX hat Nachholbedarf Das ist kein Bullenargument, es ist höchstens das Argument eines Traders, der auf eine unterschiedliche Entwicklung zwischen DAX und Dow Jones setzt und daraus seine Performance erzielt. Dabei ist es ihm egal, ob die Richtung der Märkte Norden oder Süden ist. 3. Die Gewinnentwicklung zeigt weiter nach oben Das ist das Argument, das ich akzeptiere: Die Quartalszahlen sind durch die Bank weg positiv ausgefallen und zudem haben viele Unternehmen mit positiven Prognosen überrascht. 4. Zentralbank wird weiter die Märkte fluten Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, dass die Liquiditätsflutung früher enden wird als von vielen Marktteilnehmern derzeit erwartet. Und dann wird die Aktienbörse das Ende der Liquiditätsflutung positiv begrüßen, was sodann gleich die zweite Überraschung sein wird. Denn viele Marktprozesse funktionieren nicht mehr, der billige Euro-Wechselkurs sowie die überschüssige Liquidität führen zu vielen Fehlallokationen. Das wird endlich beendet, wenn die Liquiditätsflutung endet und das wird dann von Anlegern begrüßt werden. FAZIT Viele Argumente werden geliefert um von einer wesentlichen Entwicklung abzulenken: Wir erleben einen konjunkturellen Aufschwung. Diese Woche wurde der Verbraucherpreisindex CPI für die Eurozone veröffentlicht: 2%! In Deutschland betrug der Anstieg sogar 2,2%. Ich weiß nicht, wie die EZB vor diesem Hintergrund noch ihre Liquiditätsflutung begründen kann. SNAP IPO Gestern ist Snap, die Mutter von Snapchat, an die Börse gegangen. Der Ausgabepreis wurde auf 17 USD gesetzt, der IPO war zehnfach überzeichnet. Aus Brokerkreisen war zu hören, dass man den IPO auch zu 10 USD hätte vollständig platzieren können. Die erste Notiz erfolgte zu 24 USD. Inzwischen ist die Aktie auf 27 USD gestiegen. Es gibt einen Grund dafür, warum der Kurs direkt nach dem IPO so drastisch in die Höhe springt. Wenn wir hören, die Aktie war zehnfach überzeichnet, dann heißt das, dass Anleger zehnmal mehr Aktien haben wollten, als sie schließlich bekommen haben. Es ist ein inzwischen übliches Vorgehen beim IPO nur eine kleine Tranche direkt zu verteilen. Dabei achten die Broker, die mit dem Verteilen der Aktien betraut sind, darauf, dass vorwiegend langfristig orientierte Anleger Aktien zugeteilt bekommen. Hedgefonds, die diese Aktien am ersten Tag für einen Tradinggewinn wieder abstoßen, gehen häufig leer aus. Wenn ein Fonds nun eine Position in Snap eröffnen möchte, die am Ende vielleicht 1% des Portfolios ausmacht, dann wird er nicht 1% sondern vielleicht nur 0,3% erhalten. Die fehlenden 0,7% muss er dann über die Börse zukaufen. Am Ende des Quartals steht dann ein durchschnittlicher Kaufpreis, der in unserem Fall dann etwa 0,3*17 USD + 0,7*25 USD zu einem durchschnittlichen Kaufpreis von 22,60 USD je Aktie führt. Ich gehe daher davon aus, dass die Aktie von Snap in den kommenden sechs Monaten nochmals unter 22,60 USD rutschen wird. Bitte führen Sie sich vor Augen, dass weder der IPO-Preis, noch die Erstnotiz einen Hinweis darauf geben, wieviel das Unternehmen letztlich wirklich wert sein könnte. Mit diesen Preisen spielt die Emissionsbank in Kombination mit einer künstlichen Verknappung der Aktien (nur 15% der ausstehenden Aktien wurden an die Börse gebracht), um den Ertrag für das Unternehmen und damit die eigene Kommission zu maximieren. Snap macht noch keinen Gewinn und wird nun mit dem knapp 20-fachen des Jahresumsatzes bewertet. Facebook wurde mit dem 10-fachen bewertet und machte damals schon Gewinn. Was ist eigentlich Snap? Nun, Snap bezeichnet sich als Anbieter von Foto-Hardware im sozialen Umfeld. So hat das Unternehmen eine Brille herausgebracht, die eine Photolinse enthält und geschossene Bilder per Bluetooth über das Handy direkt auf die Snapchat Plattform hochladen kann. Dabei können Sie die Bilder mit lustigen Ergänzungen aufhübschen, zum Beispiel mit Schweinsohren oder einer Hundenase. Das besondere an Snapchat: Es soll den eigenen Freunden nur einen kurzen Einblick in die momentane Situation gebe, die Bilder oder auch Videos verschwinden nach kurzer Zeit wieder... werden also von Snapchat gelöscht. Die Sache ist total hipp unter Jugendlichen und wer Zugang zur Jugend hat, der ist ein angehender Börsenstar von morgen, so die einfache Logik hinter dem Erfolg des Unternehmens. Auch die Werbebranche kommt an Snapchat nicht vorbei, mit 161 Mio. Nutzern ist die Plattform überaus attraktiv für gezielte Werbung für Jugendliche. Meine Kritik daran: Facebooks Instagramm hat inzwischen die wesentlichen Funktionen von Snapchat kopiert und verfügt über schlappe 400 Mio. Nutzer. Ich fürchte, Snapchat ist zu langsam. Zudem zahlt das Unternehmen, das derzeit mit 730 Mio. USD Umsatz 515 Mio. USD Verlust erwirtschaftet, jährlich 200 Mio. USD an Amazon für die Nutzung der Amazon Cloud AWS, eine eigene Infrastruktur hat das Unternehmen nicht. Auch bei Google möchte man Kapazitäten zukaufen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass in den kommenden Wochen noch viele Fonds ihre Snap-Position ausbauen, koste es was es wolle. Gegebenenfalls müssen sie nur noch das verbleibende 0,1% zum Erreichen der beabsichtigten Positionsgröße kaufen, was sich dann auf den durchschnittlichen Kaufpreis kaum auswirkt, jedoch den Aktienkurs von Snap noch weiter in die Höhe katapultiert. Auch die Diskussion um die attraktive Kundschaft von Snapchat - Jugendliche mit passenden Mobilfunkverträgen stammen häufig aus wohlhabenden Familien - dürfte dazu führen, dass Snap als Anlagevehikel für attraktive Geschäfte von morgen gesehen wird. Diese beiden Effekte können den Aktienkurs von Snap also noch ein wenig in die Höhe treiben. Doch im Anschluss dürfte die Ernüchterung folgen, wenn Spekulanten sich aus der Aktie verabschieden und Fonds ihre vollen Positionen besitzen. In meinen Augen lohnt es sich nicht, auf einen Anstieg von derzeit 28 USD (die Aktie steigt während ich schreibe) auf vielleicht 33 oder 34 USD zu wetten, wenn das Risiko bei 22 USD liegt. Das Chance/Risiko-Verhältnis ist schlecht und den optimalen Verkaufszeitpunkt werden Sie als Privatanleger kaum erwischen. Dennoch hat der Snap IPO für gute Laune an der Börse gesorgt. Es ist der größte IPO seit Alibaba im Jahr 2014 und Börsianer in den USA nehmen wohlwollend zu Kenntnis, dass große Tranchen (3,4 Mrd. USD) problemlos vom Markt aufgenommen werden können. Für mich ist das ein weiteres Indiz dafür, dass der Bullenmarkt noch nicht an Altersschwäche stirbt. Schauen wir uns mal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (02.03.2017) | Woche Δ Σ '17 Δ Dow Jones 21.062 1,2% 6,6% DAX 12.060 0,9% 5,0% Nikkei 19.565 1,0% 2,4% Shanghai A 3.382 -0,7% 4,1% Euro/US-Dollar 1,05 -0,6% -0,3% Euro/Yen 120,23 0,9% -2,2% 10-Jahres-US-Anleihe 2,50% 0,11 0,06 Umlaufrendite Dt 0,04% 0,03 0,05 Feinunze Gold $1.233 -1,3% 7,1% Fass Brent Öl $55,09 -2,6% -2,9% Kupfer 5.993 0,1% 10,5% Baltic Dry Shipping 904 5,6% -2,6% Anders als in den Jahren 2000 bis 2013 ist nicht jeder Minus-Tag an den Börsen gleich der erste Tag eines heftigen Ausverkaufs. Früher, vor 2000, gab es während jeder Rallye Minustage, Konsolidierungstage. Das braucht eine Rallye, um neue Kraft zu schöpfen. Im Wochenvergleich ist der DAX also um 0,9% angestiegen, der Dow Jones um 1,2% und der Nikkei um 1%. Lediglich in China gab der Shanghai A-Index um 0,7% ab. Mit einer wahrlich präsidialen Rede vor dem Kongress hat US-Präsident Donald Trump zum zweiten mal nach seiner Rede am Tag seines Wahlsieges positiv überrascht. Er weiß, dass er für viele seiner Vorhaben Stimmen der Demokraten benötigt, daher wohl der versöhnliche Tonfall. Damit sind Steuererleichterungen, Infrastrukturprogramm sowie Repatriation (Rückholung unversteuerter Auslandsgewinne) wieder in der Diskussion, auch wenn es noch lange dauern kann, bis Konkretes dazu bekannt wird. Der US-Dollar ist zumindest schonmal angesprungen, das Wochenplus gegenüber dem Euro beträgt 0,6%. Der Bund hat diese Woche eine 2-Jahre laufende Anleihe ausgegeben, die mit -0,94% verzinst wurde. Bundesanleihen scheinen der letzte Zufluchtsort für überschüssiges Kapital aus Italien, Frankreich und natürlich auch Griechenland zu sein. Allen Unkenrufen zum Trotz, die einen Crash für China prognostizieren, steigt der Baltic Dry Verschiffungsindex immer weiter an und ist inzwischen fast schon wieder auf dem Niveau vom Jahresbeginn. Auch das Kupfer gibt bullische Signale, das rote Metall hat dieses Jahr bereits um 10,5% zugelegt. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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