Beitrag gelesen: 13130 x |
||
Üble Langzeitprognosen vernebeln den Blick.
Die Aussichten für die nahe Zukunft fallen trotz konjunktureller Stärke selten rosig aus. Im startenden Bundestagswahlkampf zeichnet SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ein negatives Zerrbild der Realität. Die Angst vor dem Abstieg der „Mitte“ wird zum Thema. Über Europa schwebt der Brexit wie ein Damoklesschwert, die europäische Einigkeit steht durch wichtige Parlamentswahlen auf dem Prüfstand. Der Euro, unsere Gemeinschaftswährung, sei ohnehin eine fehlerhafte Konstruktion. Nicht nur Europa blickt einer ungewissen Zukunft entgegen, auch in den USA sollen die langfristigen Aussichten düster sein. Der von den Börsen positiv aufgenommene „Trump-Effekt“ wird oftmals als Strohfeuer bezeichnet. Donald Trump wird die eigene Politik irgendwann auf die Füße fallen und die Märkte werden - evtl. gemeinsam mit ihm selbst - vom hohen Ross abstürzen. Aktuell ist das Niveau sowieso viel zu hoch und eine kräftige Korrektur oder ein Ende des laufenden Bullenmarkts somit nur eine Frage der Zeit. Nachhaltiger Optimismus ist auch im achten Jahr des laufenden Bullenmarkts kaum vorhanden. Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Stärke werden langfristig positive Trends aufgrund der skeptischen Marktstimmung weiterhin kaum beachtet. Ist wirklich alles so übel? Nein! Ein brutal positiver Faktor: Niedrige Zinsen Niedrige Zinsen verschaffen den Aktienmärkten nicht nur eine relative Attraktivität von historischem Ausmaß, sie nehmen dem Thema „Staatsverschuldung“ auch die Brisanz. Während Skeptiker mutmaßen, dass bereits ein Zinsanstieg von nur einem Prozentpunkt die Schuldenlast der Länder empfindlich erhöhen würde (anhand des beliebten Beispiels Italien spricht man von einer Mehrbelastung von 20 Milliarden Euro bei einer Staatsverschuldung von 2 Billionen Euro) sieht es in der Realität ganz anders aus. Der Effekt niedriger Zinsen ist noch lange nicht in vollem Umfang in den Schuldenportfolios der einzelnen Länder angekommen. Über Jahre hinweg können Staaten ihre gesamte Zinsbelastung nach unten drücken, durch den Effekt, dass neu aufgenommene Schulden weitaus bessere Konditionen ausweisen als die Anleihen, die in den nächsten Jahren auslaufen und aus dem Schuldenportfolio verschwinden. Über sämtliche Laufzeiten hinweg ist eine „günstigere“ Neuverschuldung möglich, selbst wenn die Zinsen einen Prozentpunkt oder mehr zulegen. Die Zinsstrukturkurven sprechen für sich. Auch auf der Unternehmensseite sorgt das Niedrigzinsumfeld für günstige Rahmenbedingungen. Planungssicherheit für Großprojekte, volle Flexibilität im Bereich der Fremdfinanzierung. Diese Effekte werden noch über viele Jahre hinweg für Entspannung in den Bilanzen sorgen. Für Unternehmen, die ohnehin auf gigantischen Cash-Bergen sitzen, ist die Anleihe zur „zusätzlichen Finanzierungsoption“ geworden, die aus steuerlichen Gründen in Anspruch genommen werden kann. Ungerechtigkeit? Immer auf die Kleinen? Wenn die Staaten also ihre Schuldenportfolios nachhaltig aufpolieren können und die Unternehmen flexibler werden, wer sind dann die Leidtragenden der vielgescholtenen Niedrigzinsphase? Der Fall scheint - auch durch den Wahlkampf befeuert - klar: Es wird wieder mal der arme Kleinsparer bevorzugt zur Kasse gebeten! Medienwirksam aufgearbeitete Einzelschicksale, die „um den Sparbuchzins beraubte“ Anleger zeigen, verfestigen diesen Eindruck. Unsinn! In der Realität bluten natürlich vor allem „die Großen“. Es gilt die simple Regel: Je höher das festverzinslich angelegte Vermögen, desto größer ist natürlich auch der Zinsverlust! Wie die Vermögensverhältnisse der deutschen Anleger offenbaren, befinden sich immer noch Summen in Billionenhöhe in festverzinslichen Anlagen. Kombiniert mit der viel kritisierten Tatsache, dass „zehn Prozent der Bevölkerung über 90 Prozent des gesamten Vermögens verfügen“ wird offensichtlich, dass es vor allem die sehr vermögenden Anleger sind, die durch den Wegfall der Zinsen eine einschneidende Veränderung hinnehmen müssen. Vorbei sind die Zeiten hoher Zinserträge bei defensiv angelegten Vermögen! Niedrigzinsen sind eine Vermögenssteuer! Letztendlich hat das Niedrigzinsumfeld ganz simpel und vor allem den Effekt einer gigantischen Vermögenssteuer. Schon vergessen? Man erinnere sich an die Jahre nach 2008, als von der Politik mehrfach die Einführung einer „Zwangsanleihe“ gefordert wurde, die vermögende Anleger in die Pflicht nimmt, zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage beizutragen. Eine Verzinsung von zwei Prozent (was damals tatsächlich einem Abschlag gegenüber den Marktkonditionen entsprach) über 15 Jahre wurde in den Raum gestellt. Über derartige „Zwangsanleihen“ würden sich heute die vermögenden Anleger kaputtlachen - sie würden ein Instrument in den Händen halten, das ihnen gegenüber den heutigen Marktkonditionen einen signifikanten Vorteil bescheren würde. Politische Eingriffe in die Wirtschaft waren in der gesamten Historie noch nie von durchschlagendem Erfolg gekrönt! Schnapsideen dagegen gab es zur Genüge. Eine derartige Zwangsanleihe ist heute natürlich keine Diskussion mehr wert. Für den deutschen Staat ist es in der Realität noch viel besser gelaufen! Wer eine Verzinsung unterhalb der Inflation akzeptiert, erleidet einen Kaufkraftverlust. Wer mehr Vermögen hat, erleidet mehr - eine Vermögenssteuer in reinster Form. Die Vermögensaufteilung belegt eindeutig, dass sich „die Reichen“ nicht in großem Ausmaß den Aktienmärkten widmen, sondern das Zinsniveau relativ klaglos hinnehmen, und somit die obersten Leidtragenden dieses Nullzinsniveaus sind. Es gibt sie nicht, diese ominösen Geldanlagen, die nur „den Reichen“ zugänglich sind. Sie bezahlen die Zinsersparnis zu einem proportionalen und damit überragenden Anteil. Umverteilung nahezu gestoppt! Die oftmals auch zu Recht beklagte „Umverteilung“ von arm zu reich wird durch diese Nullzinsphase gestoppt. Der tatsächliche „Faktor“ der Umverteilung ist in der Realität der Zins! Grundsätzlich legen vermögende Anleger ihr Geld an und die ärmeren Bürger leihen es sich aus. Je geringer der Zinssatz, desto geringer ist natürlich auch dieser Umverteilungseffekt! Es mutet geradezu grotesk an, dass gerade die politisch eher links orientierten Parteien die EZB am heftigsten für ihre Nullzinspolitik kritisieren. Einfach mal gründlicher nachdenken und vor allem einmal nachrechnen! Immobilienzinsen auf Rekordtiefs Gibt es Wege, vom aktuellen Zinsniveau zu profitieren? Sicher - gerade für die „Kleinen“ ist die Situation doch signifikant besser als noch vor zehn oder 20 Jahren. Bei Immobiliendarlehen kann man sich auf Jahre hinweg diese extrem niedrigen Zinsen sichern! Sämtliche dieser Refinanzierungseffekte wirken wie ein Konjunkturprogramm und führen zu steigender Kaufkraft! Sicher auch in Ihrem Bekanntenkreis profitieren zahlreiche Immobilienbesitzer von der kürzlich erfolgten oder in Kürze anstehenden Kreditprolongation zu extrem tieferen Zinssätzen. Wer sind denn überhaupt „die Reichen“? Politiker und Banker wechseln sich fast immer als Gewinner der Wahl der „unbeliebtesten Berufsgruppe“ ab. Sie machen auch oft keinen Hehl aus ihrer gegenseitigen Abneigung. Die aktuelle Diskussion „Manager-Einkommen über 500.000 € gnadenlos besteuern“ ist zentrales Thema im Wahlkampf. Schlagworte wie „Gehaltsobergrenze“ oder „Reiche in die Pflicht nehmen“ kommen in dieser „Gerechtigkeitsdebatte“ sehr gut an. Wer erklärt das den Fußball-Fans? Aber wer ist denn überhaupt so richtig reich? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, aber: Diese Grenze lässt vermuten, dass aus Sicht der Politiker auf jeden Fall alle Manager viel zu reich sind, die ein höheres Gehalt als die Top-Beamten des eigenen Berufsstands haben. Wer mehr verdient als der Bundeskanzler oder hochrangige Europapolitiker, muss sich gegenüber der Gesellschaft verpflichtet fühlen und verdient offensichtlich „unanständig“ viel. Wie sieht es dabei mit unseren Sport-Stars aus, die diese Summen oft in wenigen Wochen bereits verdienen? Sollen auch deren Gehälter ab einer Obergrenze von 500.000 Euro nicht mehr absetzbar sein können? Was würde das Bundesverfassungsgericht dazu sagen? „Wenig durchdacht“ erscheint mir noch am freundlichsten ausgedrückt. Neiddebatten haben schon immer dem ganzen Land geschadet Nie in der Geschichte hat man mit Neiddebatten produktive und schon gar keine gerechten Ergebnisse erzielen können. Unser Leistungsprinzip zu bekämpfen, heißt unsere Produktivität und Leistungsbereitschaft einzuschränken. Wenn deutsche Top-Manager und ganze Unternehmen das Land verlassen, weil sie im Ausland für ihre Leistungen besser honoriert werden, ist keinem geholfen. Die deutsche Angst wird zunehmend zur Gefahr Warum fürchtet sich kaum jemand davor, dass sich die deutschen Top-Unternehmen selbst immer mehr in ausländischer Hand befinden! Fast alle großen Aktiengesellschaften befinden sich mehrheitlich im Besitz ausländischer Aktionäre. Deutschland verliert damit immer mehr an faktischem Einfluss im eigenen Land. Parallel dazu geben wir uns Neid- und vermeintlichen Gerechtigkeitsdebatten hin. Der fehlende Mut, verstärkt in unsere Unternehmen zu investieren, wird dabei langfristig zur größten Gefahr für unseren Wohlstand. Fazit Der Ausblick in die Zukunft fällt genau dann düster aus, wenn man die berühmte und vorbildliche deutsche Arbeitseinstellung nicht mehr in den Vordergrund des Schaffens stellt. Und weil keiner so wirklich zum langfristigen Aktienbesitzer werden will, so driftet die deutsche Wirtschaft unweigerlich Schritt für Schritt in die Hände ausländischer Investoren ab. Neid und Missgunst sind dabei unsere größten Feinde. Stellen wir uns der Realität. Auch hier ist die Politik gefragt, die schnellstmöglich gegensteuern muss! Die Kapitalmarktprognose für 2017 von Grüner Fisher Investments ist fertiggestellt. Sie können sich diese detaillierte Studie unter www.gruener-fisher.de kostenlos anfordern. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Thomas Grüner die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
|