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"Party like it's 1999" schrieb ich vor einer Woche. Im Jahr 1999 befand sich die Jahrhundert-Hausse in ihren letzten Zügen. Doch in den letzten Zügen wurden die größten Kurszuwächse erzielt: Der Dow Jones sprang vom September 1998 (LTCM-Krise) bis März 2000 (Zenit der Internet-Blase) um 55%. Und das, nachdem sich der Dow Jones in den vorangegangenen !16! Jahren verzehnfacht hat.
Der DAX sprang in der heißen Endphase von unter 4.000 Punkten auf über 8.000 Punkte, verdoppelte sich also binnen anderthalb Jahren. Und auch der DAX hat sich zuvor innerhalb von sechzehn Jahren verzehnfacht. Allein von Oktober 1999 bis März 2000 sprang der DAX um 55% an. Diese extremen Bewegungen fanden an der Technologiebörse Nasdaq in einem noch exzessiveren Umfang statt. Auch das deutsche Pendant, der Nemax, wartete damals mit Superlativen auf. Ich erinnere mich noch gut an den damaligen IPO-Markt. Beinahe täglich gingen Internet-Unternehmen ohne Gewinne, teilweise ohne nennenswerten Umsatz, an die Börse, um am ersten Tag ihres Börsendaseins mit zwei- bis dreistelligen Kursgewinnen zu überraschen. 95% der damals an die Börse gegangenen Unternehmen existieren heute nicht mehr. Meine Freunde fragten mich nach den neuesten, heißesten Börsentipps. In der Bahn, beim Friseur und auf jeder Party nahm das Börsengeschehen einen großen Platz ein. All das waren Zeichen einer Überhitzung, denen ein heftiger Börsencrash folgte. Seit dem Korrekturtief im März 2003 sind 14 Jahre vergangen. Der Dow Jones hat sich seither verdreifacht, der DAX versiebenfacht. In der Bahn höre ich keine Aktiengespräche und mein Friseur weiß nicht einmal, wie man Aktien kaufen kann. Gespräche mit anderen Eltern am Rande von Fußballspielen meines Sohnes enden meist mit den Worten meiner Gesprächspartner: "Ja, ich sollte mich mal um meine Vermögensanlage kümmern, vielleicht sollte ich mich mal über Aktien informieren, aber leider habe ich keine Zeit dafür." Überhitzung? Keine Spur. Tatsächlich schreibe ich seit 1998 Börsenbriefe: Zunächst habe ich an Deutschlands erstem elektronischen Börsenbrief, dem "Aktiennewsletter" mitgewirkt, später habe ich mich dann mit einem Partner selbständig gemacht und viele meiner Kunden der ersten Stunde mitgenommen. Und auch der Heibel-Ticker in seiner heutigen Form besteht zu einem sehr großen Teil aus Lesern, die mich schon seit der Jahrtausendwende kennen. Damals strömten Hinz und Kunz als junge Anleger an die Börse, davon ist heute noch nichts zu sehen. Das Lied "1999" schrieb Prince im Jahr 1982 vor dem Hintergrund der atomaren Bedrohung. Damals weiteten Russland und die USA ihr Atomraketen-Netzwerk aggressiv aus. Viele andere Länder, die heute als etablierte Atommächte gelten, bauten damals ihre ersten Atombomben. "War is all around us, my mind says prepare to fight" - "Kriege überall, mein Verstand zwingt mich, mich für den Kampf zu rüsten". Prince fragt zweimal am Schluss des Liedes: "Mommy, why does everybody need a bomb?" - "Mami, warum braucht jedermann eine Bombe?". 1999 symbolisiert den Vorabend des Endes der Welt. Party like it's 1999 heißt also feiern, als wäre es die letzte Feier, die wir feiern. Heute: Iran, Nordkorea? Sieht in meinen Augen nicht anders aus. Viele Jahre schon schreien die Menschen auf und suchen nach friedlichen Lösungen. Seit einigen Wochen jedoch sind Nordkorea und der Iran aus den Schlagzeilen verschwunden. Donald Trump, der dritte Krisenherd, erlaubt sich einen Fehltritt nach dem anderen und wird inzwischen nicht einmal mehr dafür kritisiert. Ein Gewöhnungseffekt ist eingetreten und an den Aktienmärkten wird trotz der Vielzahl der Krisenherde ein Rekord nach dem anderen erzielt. Wenn ich mir die Sommerkorrektur an der Börse anschaue und mit der LTCM-Krise vergleiche, dann stehen uns noch anderthalb Jahre Hausse bevor. Die anderthalb Jahre Crack-Up Boom, die ich 1998 bis 2000 in New York lebte, könnten sich meiner Einschätzung nach nun wiederholen. "Party like it's 1999" hat gerade erst begonnen. Aus diesem Anlass bin ich meine damaligen Börsenbriefe nochmals durchgegangen. Ich habe geschaut, was damals funktioniert hat und was nicht. Was waren die größten Fehler, wie konnte man am besten von dem Crack-Up Boom profitieren. Zudem gibt es im englischsprachigen Internet eine Vielzahl von Abhandlungen über die damalige Situation. Aus diesen Erkenntnissen habe ich eine Liste von 7 Regeln erstellt, die uns in den kommenden Monaten bei unseren Anlageentscheidungen helfen sollen. Diese Regeln lesen Sie in Kapitel 04. Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES 02.11.2017 Woche Δ Σ '17 Δ Dow Jones 23.516 0,5% 19,0% DAX 13.441 2,3% 17,1% Nikkei 22.539 3,7% 17,9% Shanghai A 3.531 -1,0% 8,7% Euro/US-Dollar 1,17 -0,4% 10,7% Euro/Yen 132,94 -0,2% 8,1% 10-Jahres-US-Anleihe 2,35% -0,10 -0,10 Umlaufrendite Dt 0,21% -0,06 0,22 Feinunze Gold $1.275 0,2% 10,7% Fass Brent Öl $60,63 3,5% 6,9% Kupfer 6.854 -1,6% 26,3% Baltic Dry Shipping 1.482 -4,7% 59,7% Die Aussicht auf mehr von "Abenomics" lässt Kapitalströme nach Japan fließen. Premierminister Abe wurde vor zwei Wochen wiedergewählt, seine Politik des lockeren Geldes zum Zwecke der Yen-Abwertung (-0,2%) wird fortgesetzt, der Nikkei springt entsprechend kräftig um 3,7% an. Aber auch die Exportnation Deutschland profitiert von weltweit guten Konjunkturdaten, der DAX stieg diese Woche um 2,3%. Wie vergangenen Freitag erläutert wirkt in Europa die anhaltend lockere Geldpolitik des EZB-Chefs Mario Draghi. Da sieht das Plus im Dow Jones (+0,5%) sehr bescheiden aus. Die US-Notenbankchefin Janet Yellen hat diese Woche den US-Leitzins unverändert belassen. US-Präsident Donald Trump hat gestern Abend den Nachfolger für Yellen bekannt gegeben. Yellens 5-jährige Amtszeit Ende im Februar nächsten Jahres. Nachfolger wird Jerome Powell (64). Er ist bereits seit fünf Jahren führend in der US-Notenbank tätig. Er wurde von Obama in die Notenbank geholt, obwohl er Republikaner ist. Ihm eilt der Ruf einer Taube voraus, er wird also die Strategie der behutsamen Zinserhöhungen, die Yellen gefahren ist, fortsetzen. Alles andere wäre für Trump, der gigantische Investitonsprogramme durchsetzen möchte (kreditfinanziert, niedrige Zinsen helfen ihm also), eine Belastung. Die Entscheidung dürfte am heutigen Freitag für eine positive Entwicklung an den US-Aktienmärkten sorgen. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden langsameren Zinserhöhungen kaufen Anleger wieder Anleihen, die Rendite in den USA ist um 0,1%punkte gesunken, in Deutschland um 0,06%punkte. Der Ölpreis zieht weiter an, wie von mir angekündigt: Ein kalter Winter steht bevor und entsprechend wird die Ölnachfrage diesen Winter ansteigen. Geologen prognostizieren für diesen Winter tiefere Temperaturen als in den vergangenen Jahren. Warum der Goldpreis noch immer auf der Stelle tritt, kann ich mir nur schwer erklären. Da sorgen in Europa, Japan und den USA die jüngsten Entscheidungen für eine anhaltend lockere Geldpolitik und dennoch tritt das Gold als Inflationsschutz auf der Stelle. Vielleicht sehen Anleger derzeit noch größere Chancen für den Inflationsschutz bei Unternehmensbeteiligungen, also Aktien. Kupfer sowie auch der Baltic Dry Verschiffungsindex geben ein wenig der in den Vorwochen erzielten Gewinne ab. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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