Alt 16.12.17, 11:21
Standard So tickt die Börse: US-Unternehmenssteuerreform ist irrelevant für Aktienmärkte
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Eine Unternehmenssteuerreform schien in den vergangenen Wochen in den USA in greifbare Nähe gerückt zu sein. Anleger haben entsprechend umgeschichtet: Die größten Profiteure einer US-Steuerreform wären national ausgerichtete Unternehmen. Tatsächlich haben gerade diese Unternehmen in den vergangenen vier Wochen die größten Kursgewinne erzielt: Verizon +18%, Home Depot +8%, United Health +4,5%.

Um diese nationalen Aktien kaufen zu können, wurden internationale Aktien verkauft: Intel -5,6%, Coca Cola -3%, GE -1,5%.

Gestern hat der republikanische Senator Marco Rubio gesagt, er werde der vorgeschlagenen Unternehmenssteuerreform nicht zustimmen. Die dünne Mehrheit, die Donald Trump im Senat hat, ist damit gefährdet. Es ist nicht auszuschließen, dass noch der eine oder andere weitere republikanische Senator umfällt. Dann wäre die Steuerreform wieder vom Tisch, die oben beschriebene Umschichtung würde erneut erfolgen, nur diesmal in die entgegengesetzte Richtung.

Historisch gesehen sind Steuerreformen gar nicht so relevant für die Aktienbörsen. Robert Schiller hat gestern eine Analyse veröffentlicht, die zeigt, dass die Aktienmärkte nach Unternehmenssteuerreformen als auch nach Einkommenssteuerreformen mehr oder weniger identisch weiterlaufen. Es ist egal, ob Steuern erhöht oder gesenkt werden.

Die Steuerreform wurde von Donald Trump schon im Wahlkampf versprochen, konnte aber gemeinsam mit dem Infrastrukturprogramm und der Steueramnestie für ausländische Gewinne bis heute nicht ansatzweise umgesetzt werden. Der Dow Jones ist trotzdem seit der Trump-Wahl um 36% angestiegen. Trotzdem, also obwohl keines dieser ach so wichtigen Versprechen eingelöst wurde.

Vor diesem Hintergrund ist der Ausverkauf, der gestern Abend stattgefunden hat, sicherlich nicht der Anfang vom Ende der laufenden Crack-Up Rallye, sondern in meinen Augen bestenfalls ein Schluckauf, der uns in der einen oder anderen Aktie eine erneute Kaufgelegenheit bereitet.

Die laufende Rallye dürfte noch mindestens bis ins Frühjahr 2018 laufen, vielleicht sogar noch ein oder zwei Jahren länger. Rallyes enden nicht in Skepsis, sondern in Euphorie.

Die Internetblase brachte unzählige Menschen hervor, die ihren Job quittierten und ihren Unterhalt als Trader erwirtschaften wollten. So sieht Euphorie aus.

Die Immobilienblase brachte unzählige Menschen hervor, die ihren Job quittierten und ihren Unterhalt als Immobilienspekulanten erwirtschaften wollten. So sieht Euphorie aus.

Heute sehe ich nichts dergleichen. Außerdem gibt es
- kein exzessives Insider Selling in Aktienplatzierungen des eigenen Unternehmens hinein,
- keine exzessiven Margin-Kredite, um mit Aktien zu spekulieren und
- kaum zu hohe Kursziele für Aktien.

Auch der Bitcoin ist noch lange nicht verbreitet genug, um als Massen-Euphorie herzuhalten, wie ich in den folgenden Absätzen zeigen werde.

NACHTRAG ZUM BITCOIN

In der vorhergehenden Ausgabe des Heibel-Tickers am 08.12.2017 habe ich ausführlich über den Bitcoin geschrieben. Seither erreichten mich - welch Überraschung - eine Vielzahl von Leserbriefen mit interessanten Anmerkungen zu diesem Thema. Daher heute noch ein paar Ergänzungen:

Der Gründer des Bitcoin ist bis heute anonym geblieben. Auf einigen Foren wird der Gründer "Satoshi" genannt, ich möchte mich aber in diese Diskussion hier nicht einmischen. Was jedoch unbestritten erscheint ist, das der Gründer in den Anfangsmonaten 1 Mio. Bitcoins "abgebaut" hat. Insgesamt seien in den ersten Jahren rund 4 Mio. Bitcoins "verloren" gegangen und bis zum heutigen Tage noch nie im Rahmen einer Transaktion genutzt worden.

Daraus folgt, eine Person (Satoshi) sitzt auf einem Bitcoin-Bestand von aktuell 17 Mrd. USD. Das macht ihn umgehend zu einem der reichsten Menschen der Welt. Insgesamt werden Bitcoins im Wert von 68 Mrd. USD von Nerds gehortet, von denen niemand weiß, wer sie sind, was sie tun oder welche Ziele sie verfolgen.

Zum heutigen Zeitpunkt haben nur etwa 6,7 Mio. Menschen auf der Welt Bitcoins im Wert von mindestens 100 USD. Wenn sich der Bitcoin weltweit als Währungsalternative oder Zahlungsmittel durchsetzen soll, dann müssen aber tausend mal mehr Menschen Bitcoins besitzen. Der Bitcoin ist zwar seit Wochen in allen Medien, besitzen tun ihn jedoch nur sehr wenige Menschen. Der Bitcoin ist also ein knappes Gut, ein sehr knappes Gut, daher der explosive Preisanstieg. Alle möchten ihn nun gerne haben.

Doch warum möchten alle Bitcoins haben? Ich habe letzte Woche aufgezeigt, dass der Bitcoin als Gold-Ersatz nicht taugt. Wie schaut's als Zahlungsmittel aus?

Auch als digitale Währung für tägliche Transaktionen taugt der Bitcoin nicht, er ist falsch konzipiert. Schon heute kann eine Transaktion nicht in Echtzeit abgerechnet werden: Die Ergänzung der Transaktion in einen der 2016 Blöcke dauert durchschnittlich 5 Minuten. Es werden aber mehrere Blöcke benötigt, um die Transaktion zu verifizieren. Und nicht immer ist sofort ein Block verfügbar. So dauert die Bestätigung des Kaufs einer Tasse Kaffee heute meist mehrere Stunden. Als Zahlungsmittel ist der Bitcoin somit unbrauchbar.

Warum also wollen so viele Menschen derzeit Bitcoins kaufen? Nun, nach den exorbitanten Kursgewinnen gibt es inzwischen viele Spekulanten, die einfach nur Kursgewinne erzielen wollen, egal was hinter dem Bitcoin steckt. Und als Argument für eine rosige Zukunft des Bitcoins muss das von mir letzte Woche vorgebrachte Argument herhalten: Politikverdrossenheit weltweit und die Suche nach Unabhängigkeit vom politischen System. Man nennt das auch Anarchie.

Mal sehen, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES 14.12.2017 Woche Δ Σ '17 Δ

Dow Jones 24.509 1,2% 24,0%
DAX 13.068 0,2% 13,8%
Nikkei 22.553 0,2% 18,0%
Shanghai A 3.421 -0,2% 5,3%
Euro/US-Dollar 1,18 0,0% 12,0%
Euro/Yen 132,26 -0,4% 7,5%
10-Jahres-US-Anleihe 2,35% 0,02 -0,10
Umlaufrendite Dt 0,17% 0,04 0,18
Feinunze Gold $1.256 0,2% 9,1%
Fass Brent Öl $63,44 2,4% 11,9%
Kupfer 6.722 2,9% 23,9%
Baltic Dry Shipping 1.668 -0,7% 79,7%



Diese Woche haben sowohl die US-Notenbank, als auch die EZB getagt und eine Zinsentscheidung getroffen. In den USA hat Notenbankchefin Janet Yellen letztmalig, bevor sie im Februar von Jerome Powell abgelöst wird, den Leitzins um 0,25% auf 1,25% bis 1,5% angehoben. Die Reaktion der Aktienmärkte war verhalten, der Dow Jones gab nur wenig Punkte ab und konnte schon am folgenden Tag wieder deutlich anziehen.

Die Zinsanhebung war weithin erwartet worden und die verhaltene Reaktion der Märkte ist das Resultat der guten, transparenten Kommunikationspolitik von Yellen, die ihre Aktionen stets im Vorfeld mit ausreichend Fakten unterlegt hat. Ich will hoffen, dass ihr Nachfolger Powell ebenso transparent argumentieren kann.

EZB-Chef Mario Draghi hat den Leitzins hingegen unverändert auf 0% belassen. Damit vergrößert sich die Zinsspanne zwischen den USA und Europa weiter und das dürfte den Euro schwächen. Denn Geld wird dorthin geschickt, wo es gut behandelt wird. Und Zinsen werden in der Regel als gute Behandlung betrachtet, sofern der Wechselkurs dies nicht im negativen Sinne aufwiegt. Und ich gehe von einem weiterhin festen US-Dollar aus.

So konnte der Dow Jones diese Woche um stolze 1,2% zulegen, während der DAX weiterhin unter der chaotischen Regierungsbildung in Berlin leidet und mit nur +0,2% aus dem Rennen geht.

Die Zinsentscheidungen haben zu einem Verkauf von Anleihen geführt, die Rendite ist insbesondere in Deutschland entsprechend leicht angestiegen. Hier wirkt sich das anhaltend niedrige Zinsniveau aus.

Gold als Barometer der Finanzmarktstabilität hat sich diese Woche kaum verändert. Der Ölpreis steigt weiter an (+2,4%), wie von mir vor einigen Wochen in Aussicht gestellt. Auch der Kupferpreis klettert weiter in die Höhe und spiegelt die gute konjunkturelle Verfassung auf der ganzen Welt wider.

Man sagt, Bullenmärkte starten mit Pessimismus, beschleunigen sich unter großer Skepsis, erreichen ihr Hoch im Optimismus und sterben in Euphorie.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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