Alt 20.08.18, 18:45
Standard So tickt die Börse: Fallende Zinsen nicht völlig ausgeschlossen - im Gegenteil
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Der DAX ist diese Woche um 1% gefallen. Wenn ich mir die 30 Komponenten des DAX anschaue, könnte man meinen, den Deutschen wird jegliches Selbstvertrauen genommen.

RWE und E.On sind seit dem Atomausstieg 2011 als unmoralisch verschrien. Die Deutsche Bank und die Commerzbank seit der Finanzkrise 2009. Volkswagen, Daimler und BMW seit dem Dieselskandal. Die Deutsche Telekom ohnehin schon seit ihrem Börsengang zu Zeiten der New Economy. Letztlich sind wir ein Land mit unmoralischen Bänkern, unmoralischen Versorgern (Energie & Tesco) und unmoralischen Autobauern. Was bleibt?

Die Chemie! Da geht man jetzt dran: Bayer hat Monsanto übernommen, ein Unternehmen mit höchst zweifelhaftem Ruf, wie ich im Heibel-Ticker in der Vergangenheit schon mehrfach ausgeführt habe. Nun muss Bayer für die Verfehlungen Monsanto vor US-Gerichten gerade stehen.

Ich werde immer wieder darauf angesprochen, warum ich so viele US-Aktien im Portfolio habe und so wenig deutsche. Nun, jetzt wissen Sie's.

Schauen wir uns mal die Wochenperformance der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (16.08.2018) Woche Δ Σ '18 Δ

Dow Jones 25.559 1,0% 2,9%
DAX 12.237 -1,5% -5,3%
Nikkei 22.192 -0,5% -2,5%
Shanghai A 2.833 -3,2% -18,2%
Euro/US-Dollar 1,14 -0,3% -5,1%
Euro/Yen 126,18 -0,3% -6,5%
10-Jahres-US-Anleihe 2,87% 0,01 0,45
Umlaufrendite Dt 0,14% -0,02 -0,14
Feinunze Gold $1.175 -3,0% -9,8%
Fass Brent Öl $71,20 -2,3% 7,0%
Kupfer 5.842 -6,5% -18,4%
Baltic Dry Shipping 1.727 1,9% 26,4%
Bitcoin 6.366 -0,7% -54,2%



Die Umlaufrendite in Deutschland ist um 0,02%punkte auf 0,14% gesunken, dabei werden doch steigende Zinsen erwartet. Auch in den USA springt die Rendite der 10 Jahre laufenden US-Anleihe einfach nicht nachhaltig über die magische Grenze von 3%, dabei ist der US-Leitzins doch schon von 0,25% auf inzwischen 1,75 bis 2% angehoben worden. Wie kommt es, dass insbesondere die US-Rendite nicht schon längst das angestiegene kurzfristige Zinsniveau stärker widerspiegelt?

Zwei Antworten. Zunächst die einfache: Wenn alle etwas ganz sicher erwarten, dann passiert insbesondere an den durch Emotionen der Anleger gesteuerten Finanzmärkten in der Regel das Gegenteil. Besonders auffällig wird dies an den COT-Daten (Commitment of Trades, Positionierung der großen Spekulanten): https://www.barchart.com/futures/qu...studyheight=100

Große Spekulanten, also insbesondere Hegefonds, spekulieren aktuell mit über 600.000 Kontrakten auf fallende Anleihepreise, also steigende Zinsen. Weitere 200.000 Kontrakte von kleinen Spekulanten, also Privatanlegern, kommen hinzu. Es ist die größte Short-Position in 10 Jahre laufenden Us-Anleihen, die es jemals gab. Sprichwörtlich alle Anleger erwarten fallende Anleihepreise und steigende Zinsen. Wenn man in der Finanzpresse nachliest, dann sind steigende Zinsen so sicher wie das Amen in der Kirche.

Doch in der Regel passiert an den Finanzmärkten dann das Gegenteil: Die Zinsen fallen. Es würde mich nicht überraschen, wenn in den USA die Rendite der 10 Jahre laufenden US-Anleihe von aktuell 2,87% in Richtung 2,0% läuft.

Was wäre dazu notwendig? Ein Run auf US-Staatsanleihen. Die ganze Welt müsste plötzlich davon überzeugt sein, dass US-Staatsanleihen die einzig wirklich sicheren Häfen sind. Ist das wahrscheinlich, wenn es sich das Staatsoberhaupt mit so ziemlich allen Freunden verscherzt?

Hmm, begeben wir uns mal in das Land der Phantasterei. Ein Land, wo sich Ihr Autor nach Meinung seines Studienfreundes bestens auskennt (ich bezeichne ihn stets als Pessimist und mich als Optimist - er hingegen bezeichnet sich als Realist und um den Abstand zwischen unseren Ansichten zu wahren, erfand er die Steigerung zum Optimisten, den "Phantast" ;-).

Was, wenn Donald Trump mit seinen Provokationen weitermacht, bis China irgendwann einlenkt? Die USA sind seit jeher reich an Rohstoffen und haben stets Wert darauf gelegt, sich nicht zu abhängig vom internationalen Handel zu machen. Ähnlich wie Russland könnten die USA auch eine Isolation über eine längere Zeit durchhalten. Natürlich würde die Wirtschaft darunter leiden, aber die US-Wirtschaft vermutlich weniger als die Wirtschaft Chinas oder Europas.

Es müssten sich schon die ehemaligen US-Freunde, also auch die US-Feinde zusammenschließen und eigene Freihandelszonen vereinbaren. Halten Sie es für wahrscheinlich, dass China und Europa eine Freihandelszone vereinbaren, die über die Vereinbarungen zwischen den USA und Europa hinaus geht? Die ersten Versuche seitens China wurden von Angela Merkel abgeblockt. Ich halte es auf absehbare Zeit für sehr unwahrscheinlich. So wie China auf das Ende der Amtszeit Trumps wartet, setzt auch Deutschland langfristig eher auf eine Normalisierung der Handelsbeziehungen mit den USA als auf einen nachhaltigen Bruch.

Es ist also vielleicht gar nicht so unmöglich, dass ein anhaltender Handelsstreit Europa und China stärker schadet als den USA.

Nun haben die USA noch kürzlich eine Unternehmenssteuerreform umgesetzt, die das Wirtschaftswachstum deutlich angeschoben hat. Wirtschaftlich stehen die USA also gar nicht so schlecht da.

Die Gegenargumente der Intelligenzia an dieser Stelle lauten, dass alles in den USA doch nur kreditfinanziert sei. Die Quittung würden die USA schon noch erhalten, so die Skeptiker.

Diese Skeptiker vergessen jedoch, dass die USA die mit Abstand stärkste Militärmacht der Erde sind und gleichzeitig ihren US-Dollar zum Rückgrat des Weltwährungssystems gemacht haben. Die USA können Ihre Währung beliebig vermehren, durch Kredit oder Geldschöpfung, und die ganze Welt wird Ihnen die US-Dollar abnehmen. Wenn wir hier in Europa eine Obergrenze für die Staatsverschuldung bei 60% des BIP vereinbart haben (und uns nicht dran halten), dann gilt für die USA eine wesentlich höhere Grenze. Seit der Finanzkrise vor 10 Jahren ist diese Relation in den USA von 73% auf aktuell 108% angesprungen. Daraus einen eminenten Währungscrash abzuleiten, ist im Falle der USA vielleicht etwas übertrieben.

Hier in Europa bekommt man für den "Sicheren Hafen" einer 10 Jahre laufenden Staatsanleihe 0,14% bei einer Währung, in den USA 2,87%. Diesen Unterschied könnte lediglich das Währungsrisiko rechtfertigen.

Nachdem der Euro zum US-Dollar im Jahr 2017 einen Lauf von 1,05 bis 1,25 USD/EUR unternommen hat, folgte im laufenden Jahr ein Rückschlag für den Euro auf 1,14 USD/EUR. Mit dem Unterschreiten der 1,15 USD/EUR sind sich Charttechniker in diesem Markt einig, dass nun der Weg zu 1,05 USD/EUR frei ist: Der Euro wird erneut extrem schwach.

Wen wundert's? Die Türkei droht Europa zu destabilisieren. Russland wird durch Sanktionen vom europäischen Markt gedrängt. Frankreichs Macron und Deutschlands Merkel finden keinen gemeinsamen Nenner und so verpufft der Knall des Brexit ohne heilsame Wirkung auf die Struktur der EU. Im Gegenteil, auch der Brexit droht zur wirtschaftlichen Katastrophe für Europa zu werden, wenn die Verhandlungen so erfolgreich fortgesetzt werden wie bislang.

In den USA gibt es also eine deutlich bessere Verzinsung für eine Währung, die aller Voraussicht nach in den kommenden Monaten deutlich zulegen wird. Wie sollen denn da die Zinsen steigen?

Sie mögen es als Fake News bezeichnen, aber Donald Trump wird eine Flucht in den US-Dollar als Bestätigung seiner Politik werten. Es wird ihm im eigenen Land Auftrieb geben und seine Position im Handelsstreit mit China stärken.

Auf Jahressicht notiert der chinesische Shanghai Aktienindex mit 18,2% im Minus, der japanische Nikkei ist bei -2,5% und der DAX bei -5,3%. In den USA notiert der Dow Jones bei Plus 2,9%. Internationales Kapital strömt nicht nur an den US-Anleihemarkt, sondern auch an die US-Aktienbörse. Noch Fragen?

Ach ja, eine noch: Der Goldpreis. Wenn doch der Donald die ganze Welt destabilisiert, warum ist dann der Goldpreis dieses Jahr bereits um 9,8% gefallen?

Nun, um es diplomatisch auszudrücken: Es ist eine Schande, dass ein Mann wie Trump kommen muss, um offensichtliche Schiefstände in den internationalen Beziehungen auf provokative Weise zurecht zu rücken. Ich hätte mir gewünscht, Obama hätte diese Themen erfolgreicher angepackt. Im Grunde genommen habe ich jedoch den Eindruck, dass die Kapitalseite diese Entwicklung begrüßt und sich in der US-Wirtschaft, sei es am Zinsmarkt, sei es am Aktienmarkt, sicher genug fühlt, um Gold als Absicherung zu vernachlässigen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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