Alt 14.08.19, 20:37
Standard So tickt die Börse: Eskalationsstufen: Wenn Weltmächte streiten
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Ja, da hat es sich leider als richtig erwiesen, vor einer Woche unser Portfolio kräftig auszudünnen, nachdem US-Präsident Trump weitere Zölle gegen China angekündigt hatte. Seither geht es Schlag auf Schlag: China wird "Vergeltung" üben, wenn die angekündigten Zölle Anfang September tatsächlich in Kraft gesetzt werden. Außerdem hat China umgehend sämtliche Agrarkäufe von den USA eingestellt.

Die Chinesische Währung Renminbi sprang gegenüber dem US-Dollar über 7, ein Niveau, das eine relative Schwäche der chinesischen Währung signalisiert. Umgehend haben die USA China der Währungsmanipulation bezichtigt und einen entsprechenden Vorwurf beim IWF eingereicht. Unter Währungsexperten gilt jedoch, dass China lediglich seine fortwährende Währungsstützung (auch das ist eine Manipulation) eingestellt hat und den Renminbi den Marktkräften überließ, die aufgrund des Handelsstreit mit den USA den Chinesen die schlechteren Karten geben.

Wenn China aber den Renminbi nicht mehr stützt, also frei fallen lässt, dann führt seine Schwäche zu geringeren Einkünften insbesondere bei deutschen Exportunternehmen, die viel Geschäft mit China machen: Autos. Denn die nominal gleichen Einnahmen in China sind dann gerechnet in Euro weniger wert. Daher ist der DAX in dieser Woche deutlich stärker eingebrochen als der Dow Jones. Übrigens die zweite Exportnation, Japan, hat diese Woche ebenfalls am Nikei ein heftiges Minus eingefahren.

In China selbst gingen die Aktienkurse am stärksten auf Talfahrt. Dort wird internationales Kapital abgezogen, was deren Kurse unter Druck setzt. Ray Dalio, Gründer und Chef des inzwischen weltweit größten Hedgefonds, hat in einem halbstündigen Interview ausgeführt, dass jeder Anleger in China investieren sollte, wenn er ein Vermögen im Rahmen der weltweiten Entwicklung wertstabil halten möchte.

Ich gehe inzwischen fest davon aus, dass wir auch noch einen Strafzoll von 25% auf die letzten 300 Mrd. USD Handelswaren sehen werden, die von den USA aus China importiert werden. Trump hat den Handelsstreit mit China zu seinem dominanten Wahlthema gemacht und wird dieses Thema in den kommenden Monaten hoch halten. Aber auch ein Blick in die Geschichte lässt diese Schlussfolgerung zu.

In dem Beitrag hat sich obiger Ray Dalio auch mit der Wirtschaftsgeschichte beschäftigt. Weltmächte haben sich immer ähnlich empor entwickelt und verloren dann wieder ihre Macht. Angefangen bei den Holländern, die ihren Höhepunkt im späten 17. Jahrhundert erfuhren, über die Briten Ende des 19. Jahrhunderts bis zu den USA seit Ende des zweiten Weltkriegs wurde der Zenit des globalen Einflusses stets durch zunehmende Aktivitäten der jeweils heimischen Währung gekennzeichnet (heute "Notenbanken"), die durch steigende Gelddruckerei die Macht sichern wollten, bis das Finanzsystem nichts mehr hergab.

China befindet sich dieser Betrachtung zufolge noch als aufstrebende Weltmacht in einem sehr frühen Stadium.

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Abbildung 1: Weltmacht endet im Finanzcrash


Wenn nichts mehr ging, gab's Krieg. Glücklicherweise ist Krieg in der jüngeren Vergangenheit zunehmend vermieden worden.

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Abbildung 2: Die meisten Machtkämpfe sind kriegerisch


Hoffen wir, dass dies auch dieses Mal gelingt. Dennoch gibt es auch für den Handelsstreit eine bekannte Eskalationsleiter: Strafzölle sind da nur der erste Schritt und dieser erste Schritt ist bald ausgeschöpft, wenn die USA die nunmehr mit 10% belegten Waren mit 25% verzollen. Es ist der letzte Trumpf im Ärmel Trumps, bevor er zu anderen Methoden greifen muss.

Danach folgt dann ein Handelsboykott. Wir sehen das derzeit schon am Beispiel Huaweis. Sogar unsere deutsche Infineon, die mit Huawei Handel betreibt, hat das Geschäft heruntergefahren aus Angst vor Strafen durch die USA. Der Handelsboykott könnte auf ganze Branchen ausgeweitet werden.

Die dritte Eskalationsstufe wäre dann die Durchsetzung des Boykotts mit militärischen Mitteln. In der Straße von Hormus vor dem Iran wird schon mal geübt, wie man wichtige Handelswege unter Kontrolle bringt.

Na, und von dieser Eskalationsstufe ist es dann nicht mehr weit zu einem Krieg :-(.

Die USA haben ihren Zenit überschritten, wollen sich als dominante Weltmacht jedoch noch so lange wie möglich halten. China gehört die Zukunft, als Investoren dürfen wir das nicht ignorieren. Über die Geschwindigkeit des Übergangs streiten sich derzeit die USA mit China. Der Sieger dieses Streits wird die Art und Weise des Übergangs bestimmen und hätte nichts dagegen, wenn der Übergang langsam und nach westlichen Regeln kontrolliert stattfindet. Der Konflikt schwelt schon seit 20 Jahren, doch Trump hat ihn nun auf die Titelseiten befördert.

Nun ist Trump ein launischer und teils unkontrollierter Präsident. Das stärkt zwar seine Verhandlungsmacht, macht den Prozess aber höchst gefährlich, dass die Welt durch wenige unüberlegte Entscheidungen in einen Krieg gezogen werden kann. Diese Gefahr wird derzeit an den Aktienmärkten eingepreist, daher fallen die Kurse der Aktien und steigen die Anleihepreise.

Inzwischen ist die gesamte Zinsstrukturkurve in Deutschland ins Negative gedreht:


Abbildung 3: erstmals vollständig negative Zinsstrukturkurve


Kein einziger Finanzmarktteilnehmer hat sowas jemals zuvor gesehen. Und noch vor wenigen Tagen hätte das niemand für möglich gehalten. Vollständig negative Zinsen, egal ob Sie Ihr Geld über Nacht oder aber für 30 Jahre anlegen möchten.

Als sei der Handelsstreit mit China nicht genug, hackt Trump bei jeder Gelegenheit auf seinem Notenbankchef Jay Powell herum. Während weltweit die Zinsen gesenkt werden und in der westlichen Welt vielfach bereits negativ sind, hält Powell den US-Leitzins über 2% und sorgt dadurch für einen großen Kapitalstrom aus der ganzen Welt in die USA. Jeder deutsche Anleger, der vor die Wahl gestellt wird, in Deutschland Negativzinsen auf sein Erspartes zu zahlen, transferiert sein Geld in die USA. Daher notiert der US-Dollar so fest.

Wenn Sie aufgepasst haben, werden Sie den richtigen Rückschluss auf den Vorwurf gegenüber China als Währungsmanipulator ziehen können: Nicht der Renminbi ist schwach, sondern der US-Dollar ist stark. Die Weltmacht mit dem mit Abstand größten Militär bietet auch noch die höchsten Zinsen an. Sicherer geht's nicht.

Dummerweise unterliegen viele Pensionsfonds in Deutschland gesetzlichen Auflagen, die nur deutsche Anleihen zulassen. Die gestiegenen Spannungen zwischen China und den USA haben dazu geführt, dass Geldmanager ihr Aktienengagement reduziert haben. DAX-Aktien wurden diese Woche also gleich aus zwei Gründen verkauft: Zum einen, weil die Einnahmen unserer Exporteure in China künftig weniger Euro wert sind, zum anderen weil das Aktienengagement grundsätzlich zurückgefahren wurde.

Die frei gewordenen Mittel fließen also in den Anleihemarkt, daher sehen wir Woche für Woche neue Rekordstände bei Anleihepreisen, die Umlaufrendite ist inzwischen auf -0,6% gesunken.

Ich weiß zwar nicht, wie sich dieser Konflikt weiter entwickeln wird. Aber ich habe eine Ahnung, wie wir unser Vermögen anlegen sollten: Keine Autos, keine Exportunternehmen, keine Banken, keine Rohstoffe. Stattdessen ausgebombte Industrieaktien, Versorger und ein wenig später auch wieder säkuläre Wachstumstrends. Doch mehr dazu in Kapitel 04. Schauen wir nun zunächst, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (08.08.2019) Woche Δ Σ '19 Δ

Dow Jones 26.160 -0,6% 13,4%
DAX 11.694 -1,5% 10,7%
Nikkei 20.685 -1,9% 3,3%
Shanghai A 2.907 -3,2% 11,3%
Euro/US-Dollar 1,12 0,9% -2,0%
Euro/Yen 118,20 -0,1% -6,3%
10-Jahres-US-Anleihe 1,71% -0,15 -1,03
Umlaufrendite Dt -0,60% -0,09 -0,70
Feinunze Gold $1.502 3,9% 17,3%
Fass Brent Öl $58,68 -5,5% 12,4%
Kupfer 5.673 -3,4% -5,7%
Baltic Dry Shipping 1.720 -5,1% 35,3%
Bitcoin 11.817 13,8% 201,3%




Der Ölpreis ist eingebrochen, weil die Spannungen zu weltweit gesunkenen Konjunkturerwartungen führen. So sind auch Kupfer und der Baltic Dry Verschiffungsindex abgerutscht.

Das Gold hingegen sowie auch wieder der Bitcoin als Zufluchtsort konnten deutlich zulegen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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