Alt 23.02.20, 21:13
Standard So tickt die Börse: Hot Stocks mahnen zur Vorsicht
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Apple hat zum Beginn der Woche mit einer Hiobsbotschaft die Märkte geschockt: Nur wenige Wochen nach Veröffentlichung der offiziellen Unternehmensprognose rudert CEO Tim Cook zurück und warnt, dass man aufgrund des Coronavirus vermutlich das ausgegebene Umsatzziel nicht erreichen werde. Ursächlich dafür sind sowohl der Nachfrageeinbruch in China als auch Probleme mit Zulieferern für die Produktion, deren Fabriken derzeit geschlossen sind oder nur langsam anlaufen.

Ich hätte erwartet, dass ein solcher Kommentar von einem der größten Konzerne der Welt der Rallye den Stecker zieht. Apple und all seine Zulieferer würden nun einbrechen, fürchtete ich. Doch schauen Sie selbst:


Abbildung 1: Apple Wochenchart


Es dauerte nur zwei Tage, bis Apple wieder auf das Niveau seines Allzeithochs zurückkroch. Und auch die Apple-Zulieferer sowie die gesamte Chipindustrie brauchte nicht lange, um diesen Schock zu verarbeiten. Was ist da los? Ich habe selten eine so robuste Aktienmarktrallye gesehen.

Die Zahlen, die uns aus China gemeldet werden, künden von einer Beruhigung um den Coronavirus. Sowohl die Ansteckungsquote als auch die Opferzahlen wachsen immer langsamer. Sorge bereitet der Rest der Welt. China hat mit drakonischen Maßnahmen (Quarantäne für 50 Mio. Chinesen) Erfolg. Ob die Virusausbreitung jedoch in anderen Ländern ebenso konsequent bekämpft wird, bleibt abzuwarten. Gestern ist die Zahl der Infizierten in Südkorea, Japan und Singapur sprunghaft angestiegen.


Abbildung 2: Tägliche Veränderung Coronavirus


Ich habe mal geschaut, welches Unternehmen wohl von diesen Vorgängen profitieren könnte. Es sind nicht viele. Die kurze Liste finden Sie in Kapitel 04.

So die Gesundheitsstatistik. Die Wirtschaftsstatistik werden wir erst in den kommenden Wochen sehen. Heute hat die internationale Flugbehörde IATA bekannt gegeben, dass Fluggesellschaften durch den Coronavirus etwa 29 Mrd. USD an Umsatzausfall zu beklagen haben werden. Die größten Ausfälle werden natürlich im asiatischen Raum erwartet.

Und dann ist nun Michael Bloomberg in den Präsidentschaftswahlkampf eingestiegen. Diese Woche nahm er erstmal an einer TV-Debatte der nunmehr sechs Kandidaten teil. Er gab ein recht armes Bild ab, was wenig überrascht: Alle fünf anderen Kandidaten, stark links orientierte Demokraten, haben auf dem Selfmade-Milliardär herumgehackt. Nach der Sendung konterte Bloomberg, indem er seine Kontrahenten als Schwätzer abtat und seine Erfolge aufzählte. Dem verwirrten Betrachter bleibt im Kopf, dass sich die Demokraten in den USA selber zerlegen, wie SPD und CDU in Deutschland. Derzeit einziger Profiteur des Chaos: Donald Trump.

Und Donald Trump ist an der Wallstreet beliebt. Wenn seine Chancen steigen, wiedergewählt zu werden, steigen die Aktienmärkte. Wenn sich also die Demokraten gegenseitig zerlegen, dann steigen die Aktienmärkte. So einfach ist das.

MORGAN STANLEY KAUFT E-TRADE

Erst am vergangenen Freitag habe ich einen Blick auf die Brokerlandschaft in Deutschland geworfen. Aus den USA erreicht uns diese Woche eine weitere Meldung, die aufhorchen lässt: Das Traditionsbankhaus Morgan Stanley kauft E-Trade, das ehemalige Enfant terrible der Branche. Bei Morgan Stanley wird jeder Kunde individuell betreut. Bei E-Trade handeln die Kunden selber. Wie passt das zusammen?

Ende letzten Jahres gaben Charles Schwab und Ameritrade ihre Fusion bekannt. Als Grund hatte ich damals das "Race to the Bottom" genannt: Welcher Broker senkt die Ordergebühren schneller? Mit Robin Hood ist in den USA ein Broker mit 0,-$ Gebühren unterwegs, dem insbesondere die jungen Kunden die Bude einlaufen. Der Vorteil: Schon kleine Beträge lassen sich anlegen, ohne dass die Kosten einen eventuellen Gewinn auffressen. Zudem ist die Smartphone-App von Robin Hood denkbar einfach zu bedienen.

Geld verdienen tut Robin Hood zum einen durch die Zinsdifferenz zwischen Kundenzinsen und Einlagenzins bei der Fed. Dabei wird mit unterschiedlichen Laufzeiten gespielt, so dass am Ende hinterm Komma ein bisschen was übrig bleibt, ohne Fälligkeiten zu missachten. Je größer das Volumen, desto größer der Gewinn.

Zum anderen verkauft Robin Hood die Orders seiner Kunden an einen Hedgefonds (ich meine, es ist Citadel). Citadel betreibt also Eigenhandel gegen die Kunden von Robin Hood. Aus Dank für das Ordervolumen wird den Kunden nichts berechnet. Auch die üblichen Börsengebühren fallen bei diesem Geschäftsmodell weg. Vielen Dank an Flatex-CEO Frank Niehage, der mich auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht hat.

In Deutschland dürfen die Kundenorders nicht an Hedgefonds verkauft werden, Kundenorders müssen letztlich über Börsen abgewickelt werden. Das Geschäftsmodell von Robin Hood würde hier also derzeit nicht funktionieren: Weder das Zinsniveau, noch die rechtlichen Rahmenbedingungen ließen das zu.

In den USA sind nun die drei großen Online-Broker erst einmal weg vom Markt. Traditionshäuser, die neue Kunden suchen, um ihr Handelsvolumen zu vergrößern, haben keine große Auswahl an Übernahmekandidaten mehr. Und es ist schwer, ohne entsprechende Volumensteigerung Investitionen in die Handelsplattform zu stemmen. Denn ich glaube nicht, dass Morgan Stanley, Goldman Sachs oder J.P. Morgan ihr Ordervolumen anderen abgeben würden.

Flatex ist auf dem Weg zur Größe bereits ganz gut unterwegs, immerhin wird derzeit die jüngst übernommene DeGiro technologisch integriert. Die Commerzbank hat ihre Comdirect zurückgeholt. Ansonsten sieht es in Deutschland recht mau aus. Was ich mir nun mal anschauen werde, ist Trade Republic, der 0,-€ Broker in Deutschland, der wie Robin Hood den Markt aufmischen möchte.

WIRECARD WEHRT SICH

Vor einer Woche wurde bekannt, dass Wirecard Ende Januar einen Gerichtstermin verschieben ließ. Irgendwie wurde die Formulierung dieser Meldung ziemlich kontrovers diskutiert: Die einen wiesen darauf hin, dass der Prozess nunmehr ruhen würde, was nicht mehr weit entfernt von einer Einstellung des Verfahrens gegen die Financial Times wäre, so die einen. Immerhin geht es um eine Menge, denn aufgrund diverser Vorwürfe der Financial Times sind mehrere Milliarden an Marktkapitalisierung vernichtet worden. Sollte die Financial Times zu Entschädigungszahlungen verpflichtet werden, könnte es das Ende dieses Mediums bedeuten.

Auf der anderen Seite gibt es gute Gründe, das Verfahren zu diesem Zeitpunkt nicht voranzutreiben: KPMG ist als unabhängiger Prüfer im Haus und wird seinen Bericht im Q1 des laufenden Jahres veröffentlichen. Wirecard hat noch keine Einsicht in die Unterlagen, während die Financial Times wohl schon Einsicht hatte. Da wäre man vor Gericht nicht auf dem gleichen Kenntnisstand. Also wartet Wirecard wohl lieber noch ein wenig ab.

Hätte Wirecard eine weiße Weste, bräuchten sie nicht abwarten, so die blauäugige Befürchtung. Doch wer die Geschichte verfolgt hat, der weiß, dass natürlich ein paar Flecken auf der Weste von Wirecard vorhanden sind. Es bleibt abzuwarten, ob es der Financial Times gelingt, die Weste aufgrund der Flecken entsorgen zu lassen, oder ob ein Vollwaschgang helfen kann.

Puh, es bleibt spannend. Was bedeutet das für uns als Anleger: Nun, es ist ja nicht so, dass uns irgendjemand verpflichtet, mit Wirecard-Aktien zu spielen. Unser Spielplatz ist groß genug, um diesem Kampf der Elefanten aus dem Weg zu gehen.

HOT STOCKS: TESLA, NEL ASA, BALLARD POWER, PLUG POWER

Bei 969 USD wurde den meisten Anlegern schwindelig, denn die Tesla-Aktie hatte sich zu diesem Kurs Anfang Februar mehr als verdreifacht. Binnen weniger Tage brach die Aktie um 25% ein. Ich rief das Ende der Rallye aus. Heute steht die Aktie wieder 25% höher als nach dem Ausverkauf. Alles sieht nach einem neuen Anlauf auf die 1.000 USD-Hürde aus. War es verfrüht, das Ende der Rallye auszurufen?

Nun, wer genau gelesen hat, der weiß, das ich nur das "vorübergehende" Ende ausrief. Und der Begriff "vorübergehend" ist natürlich dehnbar, hat also eine zeitliche Komponente. Nein, ich denke nicht, dass meine Aussage somit schon erfüllt wurde, sondern ich habe einen Zeithorizont von Wochen, vielleicht Monaten. Auf Sicht von mehreren Monaten dürfte die Aktie meiner Einschätzung nach kaum über das Allzeithoch bei 969 USD steigen.

Tesla (161) ist inzwischen fast doppelt so viel wert wie Ford (31) und General Motors (49) zusammen. Daimler (45), BMW (38) und Volkswagen (76)(Summe 159) sind zusammen nicht mehr so viel wert wie Tesla alleine. Der Welt ist ein Licht aufgegangen: Tesla wird die Automobilwelt auf den Kopf stellen. Und dann kommt noch das Solargeschäft von Tesla obendrauf, denn noch immer werfen Kritiker Tesla vor, die Elektroautos mit Atom- oder Kohlestrom zu betreiben. Falsch, Tesla mausert sich zum größten Anbieter von Solarenergie.

Der Cybertruck fürs US-Militär? Der Tesla Semi Truck soll in Deutschland auch sonntags fahren dürfen? Die Spekulationen gehen durch die Decke.

Derweil halten sich die Tesla-Kritiker am Strohalm der Brennstoffzelle fest: Ballard Power hat sich binnen zwölf Monaten vervierfacht. Wasserstoffantieb für LKWs wird von Ballard Power derzeit entwickelt. Das Thema war schon im Jahr 2000 so heiß, dass die Aktie damals durch die Decke ging. Doch zwischen einer revolutionären Idee über die Marktreife bis zur Profitabilität ist es ein weiter Weg. Tesla hat dies nun gerade mal für den E-Antrieb geschafft, da muss nun die Brennstoffzelle erst einmal noch ein wenig warten.

Gleiches gilt für Plus Power (verfünffacht binnen 12 Monaten, KUV 8) und auch die norwegische NEL ASA (verdreifacht, KUV 34): Die Aktie steht in keinem Verhältnis mehr zum Geschäft des Unternehmens. Das Kurs/Umsatz-Verhältnis (KUV) von Ballard Power übrigens steht bei 32. Ein KUV von 1 gilt als normal, manchmal wird für Wachstumsunternehmen das Zweifache des Umsatzes gezahlt. Gut, in der Cloud geht das KUV manchmal bis 10 oder sogar 15, aber ein KUV von über 30 für Unternehmen, die nicht nur Bits und Bytes verschieben, sondern komplexe Ingenieurleistungen erbringen, ist absurd.

Das KUV von Tesla steht bei 6 und spiegelt in meinen Augen ebenfalls schon einen großen Teil der Zukunftsphantasie wider. Als Tesla-Fan gehe ich davon aus, dass dieses Kursniveau schon bald durch die Geschäftsentwicklung untermauert wird, doch Stand heute würde ich sagen, ist da zuviel Phantasie drin. Wenn Sie in einer der hier genannten Aktien spekuliert haben, dann würde ich sagen: Herzlichen Glückwunsch, nehmen Sie den Gewinn mit und kaufen Sie sich was Schönes :-).


WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (20.02.2020) Woche Δ Σ '20 Δ

Dow Jones 29.024 -1,2% 1,3%
DAX 13.579 -1,2% 2,5%
Nikkei 23.387 -1,3% -1,1%
Shanghai A 3.185 4,2% 0,0%
Euro/US-Dollar 1,09 0,2% -3,1%
Euro/Yen 121,26 2,0% -0,8%
10-Jahres-US-Anleihe 1,48% -0,11 -0,46
Umlaufrendite Dt -0,44% -0,04 -0,21
Feinunze Gold $1.640 3,7% 8,5%
Fass Brent Öl $58,22 2,6% -15,4%
Kupfer 5.745 0,0% -7,5%
Baltic Dry Shipping 480 14,0% -56,0%
Bitcoin 9.637 -5,7% 32,2%




In China wurde diese Woche der Leitzins leicht gesenkt. Es ist mehr ein Zeichen der chinesischen Zentral Bank, dass man die Auswirkungen des Coronavirus mit geldpolitischen Maßnahmen abzufangen bereit ist. Auch die längerfristigen Refinanzierungszinsen wurden gesenkt, um kleinen Unternehmen mehr finanziellen Handlungsspielraum zu verschaffen, den Einnahmeausfall zu überbrücken.

So ist die Börse in China um 4,2% angesprungen, während die anderen internationalen Aktienmärkte diese Woche deutlich abgaben.

Die Flucht des Kapitals setzt sich fort: Anleihen werden gekauft, deren Preise steigen und dadurch verringert sich die Verzinsung. So ist die Umlaufrendite in Deutschland wieder bei -0,44% angekommen, in den USA notiert die 10-jährige Staatsanleihe bei 1,46% wieder nahe einem historischen Tiefstand. Auch das Gold gilt als sicherer Hafen (+4,1%).

Die Baltic Dry Verschiffungsraten erholen sich so langsam wieder, nachdem China langsam wieder die Arbeit aufnimmt. Der vorübergehende Einbruch der Verschiffungskosten um über 60% lässt deutliche Auswirkungen auf die Konjunktur erwarten, natürlich mit ein paar Wochen Verzögerung.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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