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Prognosen sind wertvoll, selbst wenn sie sich als falsch herausstellen. Vor einer Woche habe ich relativ klar vor einer anstehenden Sommerschwäche gewarnt. Zwar schloss ich einen kurzzeitigen Anstieg in Richtung 16.000 Punkte nicht aus, hielt jedoch eine baldige Korrektur für wahrscheinlicher.
Die Korrektur kam kurz und heftig, aber nur am Goldmarkt. Am Montag früh brach der Goldpreis zeitweilig um 8% ein, an den asiatischen Märkten wurde bei dünnem Handel ein Flash Crash orchestriert. Eine dicke Verkaufsorder sog das vorhandene Angebot auf; bevor ein weiteres Angebot nachgeschoben werden konnte, fiel der Kurs ins Bodenlose. Als die Märkte in Europa und später in den USA öffneten, war der Spuk schon längst vorbei. Auf Wochensicht bleibt nur ein kleines Minus von 2,2% beim Goldpreis. Der DAX gab keine Anzeichen für einen Rücksetzer. Im Gegenteil, am Mittwoch wurde sogar ein neues Allzeithoch erreicht. Und seit dem gestrigen Mittwoch geht's nun kontinuierlich kräftig nach oben, heute wurden die 16.000 Punkte übersprungen. Die Delta-Mutation des Corona-Virus breitet sich zwar aus, doch geimpfte Menschen verzeichnen milde Krankheitsverläufe. Ein weiterer Lockdown wird von der Politik derzeit ausgeschlossen, obwohl die Inzidenz kräftig nach oben schießt. So wird die Delta-Mutation an den Finanzmärkten zwar wahrgenommen, aber es wird lediglich kalkuliert, um wieviel langsamer die Erholung ablaufen wird. Ein erneuter Rückschlag in der Wirtschaft wird nicht befürchtet. In den USA wurde nun endlich das Infrastrukturprogramm mit einem Volumen von 1 Billionen USD verabschiedet. Impulse für die gesamte US-Wirtschaft werden erwartet. Entsprechend nachvollziehbar ist es, dass die US-Märkte auf neue Allzeithochs kletterten. Dieser Effekt dürfte in seinem Kielwasser natürlich auch unseren DAX mit nach oben gezogen haben. Das Handelsvolumen allerdings ist sehr gering. Je weiter die Rallye läuft, desto dünner wird das Volumen. Grundsätzlich gilt eine Rallye als gesund, wenn sie bei starkem Handelsvolumen läuft. Im derzeitigen Sommerloch sehen wir das Gegenteil. Somit ist dieser Ausbruch nach oben in meinen Augen noch lange kein Signal, jetzt alle Vorsicht über Bord zu werfen und den Kursen hinterher zu laufen. Im, Gegenteil: Geduld sollte sich lohnen. ZOOPLUS VERKLEINERT BEWERTUNGSLÜCKE ZU US-WETTBEWERBER Heute früh erhielt ich die Meldung, dass Zooplus ein Übernahmeangebot zu 390 EUR je Aktie erhielt. In den USA können Sie sehen, was ein Online-Tierbedarfshändler wert sein kann. Chevy wird aktuell mit dem fünffachen Jahresumsatz bewertet. Bei Zooplus stand diese Relation lange unter 1 und konnte sich in der Coronazeit auf 1,5 entwickeln. Zooplus habe ich mehrfach in unser Heibel-Ticker Portfolio geholt, wir haben an der Rallye gut verdient ... ... sind aber offensichtlich viel zu früh ausgestiegen. Denn das Übernahmeangebot liegt mit 390 EUR dreimal so hoch wie unser Verkaufspreis. Gestern noch notierte die Aktie bei 278,20 EUR, über Nacht ist die Aktie also um 40% angesprungen. Kaufinteressent ist die Private Equity Firma Hellman & Friedman aus San Francisco. Die Kalifornier werden die Chewy-Bewertung gesehen haben. Der größte Aktionär Maxburg Beteiligungen (10%) sowie Vorstandsmitglieder haben bereits insgesamt 17% der Anteile zugesagt. Vorstand und Aufsichtsrat "begrüßen" das Angebot sowie die langfristige strategische Partnerschaft, die angestrebt wird. Ich gehe davon aus, dass die Übernahme zum vorgeschlagenen Preis durchgeführt werden kann, denn nennenswerte Aktionärsgruppen, die Widerstand leisten könnten, gibt es somit nicht mehr. An alle Heibel-Ticker Kunden, die noch investiert sind: Herzlichen Glückwunsch zu +300% in anderthalb Jahren. Ich würde die Aktie nun verkaufen und das Geld für neue Ideen verwenden. Schauen wir uns nun einmal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (12.08.21) Woche Δ Σ '21 Δ Dow Jones 35.517 1,3% 16,5% DAX 15.977 1,3% 16,5% Nikkei 27.977 0,6% 1,9% Shanghai A 3.685 1,7% 3,0% Euro/US-Dollar 1,18 -0,1% -4,0% Euro/Yen 129,39 -0,2% 2,1% 10-Jahres-US-Anleihe 1,30% 0,09 0,37 Umlaufrendite Dt -0,51% 0,03 0,05 Feinunze Gold $1.777 -1,1% -5,6% Fass Brent Öl $70,71 -2,0% 37,6% Kupfer $9.541 0,7% 21,7% Baltic Dry Shipping $3.371 -0,1% 146,8% Bitcoin $46.430 14,0% 64,9% GROSSE SPRÜNGE BEI DÜNNEM VOLUMEN Mitte August ist Saure Gurken Zeit an der Börse, das Handelsvolumen ist extrem dünn. So ist es möglich, dass Überraschungen zu extrem großen Kurssprüngen bei Einzeltiteln führen. Schauen wir uns mal an, welche Einzeltitel die DAX-Familien nach oben ziehen: Die größten Wochengewinner sehe ich im Einzelhandel: Neben Zooplus mit +40% steht noch Home24 mit +25%. Im Schnitt sind Einzelhandelsaktien in dieser Woche um 5,7% angestiegen. Dicht auf den Fersen ist die Finanzbranche mit +4,4%: Hypoport sticht mit +8% heraus, gefolgt von der Münchener Rück mit +7%. Doch das wirklich Positive in diesem Bereich ist, dass ausnahmslos alle Finanzaktien im Plus notieren. Die gesamte Branche ist nach oben gelaufen. Die Bronzemedaille geht mit +3,5% an den Gesundheitssektor: Evotec und die Shop Apotheke führen diesen Bereich mit jeweils +12% an. Knapp an den Medaillenplätzen vorbei segelte der Immobiliensektor mit +2,1%: Westwing zieht die Branche mit +17% nach oben. Es gab auch Verlierer: Die Logistikbranche wurde in gesamter Breite ausverkauft, das Wochenminus beträgt 1,3%. Auch die Versorger mussten diese Woche Federn lassen: -1,0%. Varta brach um 14% ein, SMA Solar um 11%. In China wurde ein Corona-Fall in Ningbo, dem weltweit größten Hafen, verzeichnet. Harte Maßnahmen ist man seitens China gewohnt, der Hafen wurde kurzerhand dicht gemacht. Die Situation an den weltweiten Seehäfen ist überall extrem angespannt. Schon vor Corona mussten Schiffe in den US-Häfen durchschnittlich 8 Stunden warten, bevor sie ihre Container "löschen" (also entladen) konnten. Inzwischen ist diese Wartezeit auf durchschnittlich 33 Stunden angestiegen. Aktuell warten laut Kühne & Nagel mit weltweit 353 Containerschiffen doppelt so viele Schiffe wie vor einem Jahr darauf, endlich in den Hafen einlaufen zu können, um ihre Container zu entladen. Wer einmal eine Hamburger Hafenbesichtigung gemacht hat, weiß, dass jede Stunde, die ein Schiff im Hafen liegt, einen sechsstelligen Betrag kostet. Es lohnt sich also, hier Dampf zu machen. Nicht nur bei mir in Hamburg streitet man jahrelang über eine Vertiefung der Elbe, um größere Schiffe einlaufen lassen zu können. Dieses Problem gibt es weltweit. Der Corona-Crash hat das Problem verschärft: Schutzmaßnahmen für die Hafenarbeiter verlangsamten die Löschzeiten, gleichzeitig stieg die weltweite Nachfrage nach Fertigprodukten sprunghaft an. Die großen Containerschiffe transportieren heute rund 20.000 Container. Wenn man diese auf Sattelschlepper der LKWs legt, bilden die LKWs für nur ein solches Schiff eine Schlange von Hamburg bis nach Frankfurt am Main. Wir haben Anfang des Jahres gesehen, welche Verwerfungen ein quer stehendes Schiff im Suezkanal nach sich ziehen kann: Täglich 50 Schiffe passieren den Suezkanal. Eine Normalität wurde nach diesem Zwischenfall bis heute nicht wieder erreicht. Unsere Welt läuft Just-in-Time, die Containerschiffe sind bis in die letzte Ecke optimiert, Stapelung erfolgt nach Gewicht und Zielhafen. Fällt hier ein Dominostein um, wird der globale Handel nachhaltig gestört. Ich behalte diese Entwicklung im Auge, denn ich halte sie für extrem wichtig. Die Schließung des Hafens in Ningbo ist in meinen Augen wichtiger, als es sich derzeit an den Aktienmärkten ablesen lässt. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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