Alt 12.12.08, 20:24
So tickt die Börse: weitreichende Folgen der neuen Probleme
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Gleich drei Meldungen der Kategorie „Katastrophe" gab es gestern Abend, wobei die unscheinbarste meiner Ansicht nach die weitreichendsten Folgen haben wird:

RETTUNG DER US-AUTOKONZERNE GESCHEITERT

1. Der Kongress hat das Rettungspaket für die Big 3 Autokonzerne aus Detroit abgelehnt. Damit sind General Motors und Chrysler zum Jahresende pleite und Ford dürfte durch die dadurch ausfallenden Zulieferer zu Fall gebracht werden. Das wird nicht geschehen, ich nehme an, dass meine bevorzugte Lösung eintreten wird. Demzufolge würde Chrysler liquidiert, für GM wird ein schnelles Insolvenzverfahren nach Chapter 11 durchgeführt und Ford kommt mit einem blauen Auge davon.

JP MORGAN HAT PROBLEME BEI DER INTEGRATION VON BEAR STEARNS

2. Jamie Dimon hat sich über die nicht endenden Probleme und schwarzen Löcher bei Bear Stearns, dem im Frühjahr übernommenen Broker, beschwert. Die Abschreibungen seien größer geworden, als damals befürchtet. Diese Meldung ist verheerend für den Finanzsektor, denn dort hatte man gehofft, inzwischen sei das Schlimmste bekannt. Jamie Dimon ist einer der wenigen Finanzchefs, der sein Unternehmen gut durch die Finanzkrise geschifft hat. Wenn Dimon jetzt noch von großen Problemen spricht, dann werden alle Schnäppchenjäger von Finanzaktien für die nächsten Monate die Finger lassen. Ich habe in den vergangenen Wochen immer wieder vor dem Finanzsektor gewarnt!

Die verschreckten Schnäppchenjäger des Finanzsektors dürften nun dazu führen, dass die Finanzaktien, die noch keine staatliche Garantie in Anspruch genommen haben, nochmals ihre November-Tiefs testen werden.

HEDGEFONDS-MANAGER IN HANDSCHELLEN ABGEFÜHRT

3. Die wohl schlimmste Meldung ist die Verhaftung von Bernard Madoff. Er gilt - oder besser gesagt: galt – als einer der absolut besten Hedgefondsmanager der Welt. Er hatte nur etwa 25 Kunden, doch das waren die Superreichen unter den Reichen, und jeder gab viele hundert Millionen US-Dollar. Insgesamt hatte Madoff zum Jahresbeginn knapp 17 Mrd. US-Dollar unter Verwaltung. Nun hat die Staatsanwaltschaft in die Bücher seines Hedgefonds geschaut und kam zu dem Schluss, dass von dem Geld nichts mehr übrig ist. Null, nada, nothing!

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind Madonna. Sie lieben Musik und haben immer wieder Probleme im Privatleben. Aber die reichhaltigen Einnahmen, die Ihnen ein Luxusleben ermöglichen, die geben Sie jemandem, der sich mit der Geldanlage auskennt. Und da Sie reicher sind als fast alle anderen in Ihrer Nachbarschaft, können Sie es sich auch leisten, den Besten der Anlageberater zu nutzen. Der nimmt nämlich nichts von den Armen, bei dem wird Ihnen nur die Tür geöffnet, wenn Sie mindestens 100 Mio. US-Dollar im Koffer mitbringen.

Und heute erfahren Sie aus dem Fernsehen, dass Ihr Anlageberater in Handschellen abgeführt wurde, weil seine Firma kein Geld mehr hat. Alles weg. Insgesamt werden nicht nur die 17 Mrd. US-Dollar gesucht, die Anfang dieses Jahres noch da waren, sondern insgesamt geht es hier um den Verlust von 50 Mrd. US-Dollar.

Und es ist nicht so, dass er einen Fehler gemacht hätte, sondern Madoff weiß schon seit langem, dass seine Firma pleite ist. Zwei Mitarbeitern gegenüber hat er gesagt, dass seine Firma einem Schneeballsystem gleicht: Die neu akquirierten Einzahlungen werden nur noch dazu verwendet, die Auszahlungen zu finanzieren.

Kennen Sie das Schneeballsystem? Nun, wir haben ja in Deutschland dieses Jahr recht früh Schnee gehabt. Wenn Sie sich auf einem Schulhof hinstellen und einen Schneeball werfen, dann dürfen Sie damit rechnen, dass nicht nur einer zurückgeworfen wird, sondern zwei oder drei. Und es dauert nicht lange, da fliegen mehr Schneebälle durch die Luft, als Sie zählen können.

Ähnlich funktionieren manche unseriösen Geschäftsmodelle: Der erste Investor zahlt 100 Mio. USD in den Hedgefonds ein und bekommt schon nach einem halben Jahr 10 Mio. USD als Gewinnanteil ausgezahlt. Das erzählt er natürlich auch anderen und der Hedgefonds bekommt bis zum Jahresende weitere fünfmal 100 Mio. USD. Allen zahlt er jeweils 20 Mio. USD Gewinnanteil aus und veröffentlicht ein Wachstum der unter Management befindlichen Gelder von einigen hundert Prozent. Erfolg auf der ganzen Linie, wenn man nur diesen Zahlen glaubt. Aber welchen Anlageerfolg der Hedgefondsmanager mit den Geldern erzielt hat, geht aus diesen Zahlen nicht hervor.

Es spricht sich aber weiter herum, wie beliebt dieser Hedgefonds ist und so strömt bald schon mehr Geld zu diesem Hegefondsmanager, als er zählen kann. Immer wieder schüttet er sehr große Beträge aus und die Investoren sind zufrieden. Doch wenn dann jemand nachschaut, was aus den 50 Mrd. US-Dollar verwaltetes Kapital geworden ist, dann kommt das böse Erwachen. Auf englisch wird dieses Schneeballsystem „Ponzi-Schema" genannt.

Bernard Madoff hat zwei Mitarbeitern gegenüber gesagt, dass seine Firma nach dem Prinzip des Ponzi-Schemas läuft und dass es ein böses Ende geben werde. Trotz dieser Erkenntnis hat er weiter Gelder angenommen und gute Mine zu bösem Spiel gemacht.

Wer genau die Kunden eines bestimmten Hedgefonds sind, ist streng geheim und ich weiß es nicht. Ich habe Madonna hier nur einmal als Beispiel genommen. Wenn Madonna einige hundert Millionen US-Dollar verliert, dann ist auch Madonna sauer und sie weiß nicht mehr, wem sie vertrauen soll. Sie wird nun auch bei anderen Anlageberatern ihr Geld abziehen und alles auf ein Festgeldkonto legen. Außerdem wird sie bei den nächsten Dinnerparties ihren Freunden den Rat geben, ebenfalls diesen Verbrechern nicht mehr zu trauen.

Mit anderen Worten: Stellen Sie sich auf eine weitere Runde von Liquidationsverkäufen ein.

LINKER STEINBRÜCK HANDELT RECHTS

Ich habe es vor vielen Wochen bereits ausgeführt: Die Krise bringt viele Politiker dazu, sich aus ihrer angestammten Ecke heraus zu wagen. Ist doch die kreditfinanzierte Konjunkturstütze immer schon das liebste Kind der SPD gewesen, so hat Finanzminister Steinbrück endlich verstanden, dass die dadurch entstehende große Schuldenlast auf lange Sicht schädlich ist für eine Wirtschaft. Also will er mit aller Gewalt einen ausgeglichenen Haushalt.

Der Hintergrund ist ganz einfach: Es ist leicht für die Politik, ein Hilfsprogramm einzuführen. Doch anschließend wird dieses Programm nie wieder abgeschafft, so die Erfahrung der 60er und 70er Jahre. Doch damals hatten wir keine so heftige Wirtschaftskrise, wie sie heute ansteht und damals waren also keine so heftigen Konjunkturhilfen notwendig. Dennoch wurde damit verschwenderisch umgegangen und bis zum heutigen Tage haben wir die Schuldenlast davon zu tragen.

Es ist also verständlich, dass die Politik heute sagt, dass keine ausufernden Schulden gemacht werden. Doch heute haben wir seit 80 Jahren erstmals wieder die Gefahr einer Weltwirtschaftskrise. Damals wurde das „defizit spending", das kreditfinanzierte Ausgabenprogramm von Keynes erfunden und letztlich hat der New Deal in den USA und der Bau der Autobahnen in Deutschland von Staatsgeldern die Weltwirtschaftskrise beendet.

Nobelpreisträger Paul Krugman hat auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen hingewiesen, die während der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 und den anschließenden Jahrzehnten des Aufschwungs bestanden. Krugman hat sich heute explizit über unseren Finanzminister Steinbrück beschwert, er würde mit seiner Weigerung zu einem kreditfinanzierten Konjunkturprogramm die auf uns zurollende Krise verschlimmern. Nun ist Krugman Demokrat und somit seiner linken Ausrichtung treu. Ich selbst habe vor einigen Wochen geschrieben, dass ich mich eher als konservativ ansehe, aber vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen immer mehr nach links rutsche. Ich tausche also mit Steinbrück die Seite.

Gleiches hat nun auch Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank und somit ein überaus konservativer Zeitgenosse, getan: Er hat die Bundesregierung zu schnellem Handeln aufgefordert. Ein Konjunkturprogramm solle umgehend, spätestens bis zum Jahreswechsel verabschiedet werden, um den Menschen die Sicherheit zu geben, dass alles getan wird, um eine Rezession zu verhindern. Die Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 wurde durch die Untätigkeit der Regierungen erzeugt. Untätigkeit kann man den heutigen Regierungen in Europa nicht vorwerfen (wohl aber den USA), aber es ist noch nicht genug getan worden. Und so ist der Aufruf von Norbert Walter die Bestätigung der Kritik Krugmans.

Wann haben wir das schon mal, dass sich linke wie rechte Volkswirte einig sind? Ich finde das überaus erstaunlich. Um so erstaunlicher finde ich es, dass Steinbrück aus dieser seltenen Übereinstimmung in der Wissenschaft den Schluss zieht, genau das Gegenteil zu tun – nämlich nichts.

WOCHENRÜCKBLICK

Wenn Sie sich nun die Performance der wichtigsten Indizes in der abgelaufenen Woche anschauen, dann bedenken Sie, dass im Laufe des heutigen Tages heftige Kursverluste anstehen.


INDIZES (11/12/2008)

Dow Jones: 8,565 | 2.3%
DAX: 4,767 | 4.4%
Nikkei: 8,721 | 10.0%
Euro/US-Dollar: 1.330 | 4.0%
Euro/Yen: 119.21 | 1.1%
10-Jahre-US-Anleihe: 2.65% | 0.1
Umlaufrendite Dt: 3.15% | 0.3
Feinunze Gold USD: $808.90 | 4.9%
Fass Crude Öl USD: $50.84 | 16.4%


Der Ölpreis war im Wochenverlauf auf 40 USD/Fass gerutscht, es folgte nun eine heftige Gegenreaktion. Wenn Sie sich die Bewegung der Aktien der Ölkonzerne angesehen haben, dann könnten Sie diesen Anstieg erwartet haben. Denn die Ölkonzernaktien waren eingebrochen, lange bevor der Ölpreis einbrach. So sollte es auch jetzt wieder sein: Die Aktien der Ölkonzerne stiegen an, obwohl das Öl noch fiel. Nun ist der Ölpreis angestiegen und die Gefahr eines Ölpreises bei 30 USD/Fass, ein Horrorszenario für die Ölindustrie, das vor wenigen Tagen noch aktuell war, scheint vom Tisch.

In nur fünf Monaten ist der Ölpreis von 147 auf 40 USD/Fass eingebrochen. Das ist ein klares Zeichen für die bevorstehende Krise, die uns im Jahr 2009 noch viele Hiobsmeldungen bescheren wird. Im nächsten Kapital beschäftige ich mich mit der Frage, ob Sie den heutigen Ausverkauf zum Einstieg nutzen sollten, oder ob die Liquidationen von weiteren Hedgefonds zu neuen Tiefs führen könnten. Ist der niedrige Ölpreis ein Indikator für die Katastrophe, die uns im nächsten Jahr erwartet, oder ermöglicht er den Unternehmen eine günstigere Produktion und fungiert somit als Konjunkturprogramm?

Und die alles entscheidende Frage: Sollten Sie also noch in diesem Jahr Ihr Vermögen an der Börse anlegen, um der Abgeltungssteuer zu entgehen, oder riskieren Sie damit Verluste, die größer sind als die Steuerersparnis? Meine kurze Antwort: Kaufen Sie, aber nur ganz bestimmte Aktien...
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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