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An den Aktienmärkten wird die erwartete Konjunkturentwicklung der nächsten 12-18 Monate vorweg genommen. In der aktuellen Berichtssaison haben Unternehmen keine Möglichkeit, ihre Aktionäre zufriedenzustellen.
Unternehmen, die schlechte Q-Zahlen liefern, werden natürlich ausverkauft. Das Urteil der Anleger lautet etwa wie folgt: Nicht einmal in dieser hervorragenden konjunkturellen Verfassung kann dieses Unternehmen gute Zahlen erwirtschaften. Unternehmen, die gute Q-Zahlen liefern, werden ebenfalls ausverkauft. Die Argumentation klingt wie folgt: Die Zahlen haben ihren Zenit erreicht, noch besser kann es nicht mehr werden und also sollten Anleger ihre Aktiengewinne mitnehmen. Außerdem wird es extrem schwer für das Unternehmen, nächstes Jahr diese herausragenden Zahlen noch zu toppen. Ja, so tickt es in den Köpfen der Anleger, wenn man sich im Korrekturmodus, in einem Bärenmarkt befindet. Es gibt bereits eine Reihe von Unternehmen, die erste Auswirkungen der durch den Handelsstreit bedingten Konjunkturabschwächung in ihren Geschäftszahlen sehen. Aber die große Mehrzahl liefert gute Zahlen, gibt aber einen sehr verhaltenen Ausblick und begründet diesen mit der ungewissen Konjunkturentwicklung. Inzwischen steht das durchschnittliche DAX-KGV bei 12,2 und damit, wenn wir die Finanzkrise 2007 mit ihren wirtschaftlichen Folgen bis 2012 außen vorlassen, auf einem historisch niedrigen Niveau. Die entscheidende Frage lautet also, können sich die Probleme um den Handelsstreit USA/China, um die Zinspolitik der Fed, um den Brexit und um die italienische Verschuldung zu Katastrophen wie 2008 auswachsen? Es liegt in der Hand einiger weniger Menschen und ich hoffe, sie haben aus 2008 gelernt. Aktuell sehen die meisten Anleger jedoch keinen Ausweg aus diesen Problemen und verkaufen bei jeder Gelegenheit. Da ist es egal, ob die Meldung schlecht ist, oder ob eine gute Meldung nächstes Jahr nicht noch besser werden kann. Viele Hedgefonds ermöglichen es ihren wohlhabenden Investoren nur einmal im Jahr, Geld ein- oder auszuzahlen. Für eine Auszahlung muss der Investor bis Ende Oktober seinen Auszahlungswunsch melden, dann hat der Hedgefonds bis Ende des Jahres Zeit, dem Wunsch nachzukommen. Er hat also zwei Monate Zeit, die entsprechenden liquiden Mittel zu generieren. Nachdem der Oktober verheerend ausfiel, sind die Auszahlungswünsche entsprechend hoch. Hedgefonds, die im Oktober noch falsch positioniert waren, müssen nun Positionen liquidieren, um den Auszahlungswünschen nachzukommen. Das ist ein technischer Effekt, der sicherlich zur depressiven Stimmung an den Aktienmärkten beiträgt. Damit wir nicht von solchen technischen Effekten in die Irre geführt werden, schauen wir uns mal ein paar Unternehmen näher an. SAP KAUFT QUALTRICS SAP hat 8 Mrd. USD für Qualtrics auf den Tisch gelegt. Qualtrics wollte für 6 Mrd. USD an die Börse gehen, als SAP auf die Bühne trat. Der direkte Wettbewerber SurveyMonkey ist seit einigen Monaten an der Börse und bringt 1,7 Mrd. USD auf die Waage. Beide Unternehmen analysieren Kundenverhalten und erste Umfragen aus, um daraus in Echtzeit Rückschlüsse auf mögliche Marketingaktionen zu ziehen, oder um Produkteigenschaften zu modifizieren. SurveyMonkey ist der Marktführer bei Umfragen, ich selbst habe den Dienst über Jahre für unsere Sentiment-Umfrage animusX genutzt. Doch letztlich habe ich die Umfrage selber programmieren lassen, weil das System von SurveyMonkey sehr unflexibel war, umständlich und in meinen Augen an vielen Stellen zurückgeblieben. SurveyMonkey arbeitet mit Salesforce zusammen. Qualtrics kenne ich nicht näher, SAP hat aber offensichtlich einen ordentlichen Aufpreis für Qualität gezahlt. Hoffen wir, dass SAP diesen Vorteil auch seinen Kunden zeigen kann. Aktionäre finden den Zukauf auf den ersten Blick zumindest teuer, die Aktie wurde am Montag in Folge dieser Meldung um 6% ausverkauft. LINDE PLC BESTENS POSITIONIERT Linde hat diese Woche gute Quartalszahlen vorgelegt. Gemeinsam mit der US-Firma Praxair wird ein Konzern gebildet, der 80.000 Mitarbeiter beschäftigt und 24 Mrd. USD umsetzt. Zuvor müssen noch einzelne Unternehmensteile verkauft werden, um Kartellauflagen zu erfüllen. Ich halte das fusionierte neue Unternehmen für bestens positioniert in den beiden Märkten Gase und Industrieanlagenbau. Schauen wir uns nun einmal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (15.11.2018) Woche Δ Σ '18 Δ Dow Jones 25.303 -3,4% 1,9% DAX 11.354 -1,5% -12,1% Nikkei 21.806 -3,0% -4,2% Shanghai A 2.794 1,2% -19,3% Euro/US-Dollar 1,14 -0,1% -5,3% Euro/Yen 128,98 -0,5% -4,4% 10-Jahres-US-Anleihe 3,13% -0,11 0,70 Umlaufrendite Dt 0,20% -0,09 -0,08 Feinunze Gold $1.215 -0,7% -6,8% Fass Brent Öl $66,82 -6,1% 0,4% Kupfer 6.105 -1,7% -14,7% Baltic Dry Shipping 1.020 -17,1% -25,3% Bitcoin 5.568 -13,4% -59,9% Der Ölpreis ist diese Woche um 6,1% eingebrochen. Innerhalb der vergangenen vier Wochen ist der Ölpreis (US-Öl WTI) um 28,5% eingebrochen. Im Kielwasser des US-Öls ist das Nordseeöl um 23,2% eingebrochen. Am Ölmarkt herrscht Chaos. Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass Saudi Arabien die mit einer Ankurbelung der eigenen Ölförderung die USA besänftigen möchten, nachdem es durchaus ernstzunehmende Verstimmungen infolge der Khashoggi-Liquidation gab. Aber auch die globale Konjunktur gerät unter Druck: China wächst zwar noch deutlich schneller als irgendein westliches Industrieland. Doch die Wachstumsrate lässt nach und befindet sich inzwischen bereits hinter den Erwartungen, oder besser gesagt hinter dem Plan der kommunistischen Partei. Wenn China schwächelt, dann wird sich die globale Konjunktur verlangsamen und das wirkt sich natürlich nachteilig auf den Ölpreis aus. Doch bei dieser Erklärung gibt es das Henne/Ei - Problem: Fällt der Ölpreis, weil sich das globale Konjunkturwachstum verlangsamt? Andere geben zu Bedenken, dass ein niedriger Ölpreis wie ein globales Konjunkturprogramm wirkt. Und der rückläufige Ölpreis habe nichts mit der Erwartung zu tun, sondern sei vielmehr das Ergebnis der Überproduktion: In den USA ist der Lagerbestand in der vergangenen Woche so stark angestiegen wie seit zwei Jahren nicht mehr (https://de.investing.com/economic-c...inventories-75). Denn die USA produzieren mit ihrem Fracking inzwischen ausreichend Öl, um sich selbst zu versorgen. Das Problem ist nur noch das Raffinieren des Öls, da gibt es Transport- und Raffinerie-Engpässe, so dass Öl zwischengelagert werden muss. Eine weitere Erklärung für den Ölpreissturz gibt ZeroHedge. Dort wird dem weltweit größten Rohstoff-Hedgefonds unterstellt, sich auf der Long-Seite verspekuliert zu haben. Der Hedgefonds liquidiere derzeit seine Positionen und drücke deshalb den Ölpreis. Ich würde sagen, die Geschwindigkeit, mit der der Ölpreis fällt, gibt dieser Theorie ebenfalls eine gewisse Glaubwürdigkeit. Der Baltic Dry Verschiffungsindex ist um 17,1% eingebrochen. Ich werte dies als ein weiteres Zeichen dafür, dass die chinesische Konjunktur sich abschwächt. Denn der Verschiffungsindex wird maßgeblich von den Preisen bestimmt, die für Schiffstransporte von und nach China bezahlt werden. Nachdem sich viele Unternehmen, sowohl in China, als auch in den USA, vor der Einführung der 10%-Zölle noch schnell mit Waren eingedeckt und den Baltic Dry somit nach oben gedrückt haben, folgte eine stark rückläufige Verschiffungstätigkeit, bei der die Preise purzelten. Anschließend entwickelte sich der Preis auf das normale Niveau zurück. Doch nun bricht der Preis weg und spiegelt in meinen Augen die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft wider. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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