Alt 03.03.18, 06:28
Standard So tickt die Börse: Kein Handelskrieg in Sicht
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Anders als die breite Presse in Deutschland hinterfrage ich für gewöhnlich Entscheidungen von Donald Trump, bevor ich mir eine Meinung bilde. So habe ich vor einer Woche die Aussage Trumps, Lehrer in den USA sollten bewaffnet werden, scharf kritisiert. Und siehe da, gestern hat Trump nun seine geänderte Meinung bekannt gegeben, er fordert nun schärfere Waffengesetz e für die USA. Wer hätte gedacht, dass Trump auch vernünftige Entscheidungen treffen kann? Ich fürchte, ich bin einer der wenigen.

Und so kann ich auch die gestern verkündeten "Strafzölle" der USA auf importierten Stahl (25%) und Aluminium (10%) nachvollziehen. Anders als in der Presse hierzulande eingestuft, handelt es sich nicht um eine einseitige, protektionistische Aktion Trumps gegen den Rest der Welt, sondern lediglich um eine Antwort auf Importzölle und Handelsbeschränkungen Chinas, die schon seit vielen Jahren bestehen.

Wir werden in den nächsten Wochen sehen, ob die breite Presse Recht hat, oder nicht. Sie werden ahnen, was ich erwarte ;-), doch schauen wir uns die Befürchtungen einmal näher an:

SCHLIMMSTE BEFÜRCHTUNGEN

1. Auge um Auge, Zahn um Zahn

Die Angst, die durch die Medien geschürt wird ist, dass China seinerseits Zölle auf US-Produkte erheben wird. Nun, hier die Hiobsbotschaft Nr. 1: Es gibt bereits eine elendig lange Liste von Produkten, die mit hohen Zöllen Chinas belegt sind. Und glauben Sie wirklich, China wird Flugzeuge, Fahrstühle, bis hin zu Windeln und Haarshampoo besteuern, solange die eigene Wirtschaft nicht in der Lage ist, den explosiv angestiegenen Bedarf zu decken?

2. Aluminium- und Stahlpreis wird steigen

Nun, darüber habe ich mich schon vielfach ausgelassen: Ja, das mag sein. Aber dadurch wird ein ruinöser Wettbewerb dadurch beendet, denn China hat staatlich subventionierten Billigstahl in den USA abgeladen und somit eine ganze Branche an den Rand des Ruins getrieben. Die Arbeitsplätze, die in der Stahl- und Aluminiumbranche verloren gingen, könnten wieder geschaffen werden und zu einer breiten Gesundung der US-Wirtschaft beitragen. Wichtig ist es zu erkennen, dass China nicht Stahl zu Marktpreisen in den USA verkauft, sondern dass chinesische Stahlunternehmen durch günstige Staatskredite nicht nachhaltig so günstig produzieren können. Würde Trump nicht gegensteuern, gäbe es bald in den USA keine Stahlbranche mehr und chinesische Unternehmen könnten den Stahlpreis beliebig in die Höhe schrauben. Trump reagiert also nicht auf eine Marktentwicklung, sondern auf eine Marktverzerrung.

3. Belastung für den Welthandel

Ja klar, das kann sein. Mag sein, dass der Welthandel darunter ein wenig leidet. Doch in der aktuellen Konjunkturphase kann die Weltkonjunktur das locker wegstecken. Abgesehen davon denke ich, dass dies zu einfach gedacht ist: So einfach kann man die Weltkonjunktur nicht von Wachstum auf Rezession umpolen - zumindest nicht, wenn eine Kettenreaktion (Zahn um Zahn, Auge um Auge) ausbleibt.

4. Handelskrieg führt zu Weltwirtschaftskrise

Schon die Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933 wurde durch einen Handelskrieg, durch immer mehr Zölle ausgelöst, so die verbreitete Meinung unter nicht-finanzaffinen Journalisten. Jeder hat ja schon gehört, dass es damals exorbitanten Protektionismus in allen Ländern gab. Doch was Intellektuelle gerne übersehen ist, dass der Börsencrash 1929 erfolgte und die Importzölle erst 1930 eingeführt bzw. drastisch erhöht wurden. Wir können diese Befürchtung also getrost in das Land der Phantasie schicken.

5. Steigende Zinsen

Im Rahmen eines Updates habe ich Ihnen bereits die unsinnige Angst vor Zinserhöhungen durch den neuen Notenbankchef Jay Powell erläutert. Die Angst besteht weiterhin und wenn nun Importzölle zu einem Handelskrieg führen und der Handelskrieg die globale Konjunktur belastet, dann wären zu viele Zinserhöhungen, die Powell ja aufgrund seiner (in den Augen der ängstlichen Anleger falschen) optimistischen Konjunktureinschätzung vornehmen möchte, der Dolchstoß, der die Weltwirtschaft in den Abgrund stürzt.

Nun, auch diese Befürchtung ist überzogen, denn weder Handelskrieg noch eine sich abschwächende Konjunktur ist derzeit zu erkennen.

6. Eigendynamik

Nun haben wir Importzölle der USA und fallende Aktienmärkte. Nehmen Aktienmärkte realwirtschaftliche Entwicklungen nicht vorweg? Dann haben wir es hier mit einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu tun, oder wie?

Halt, nicht so schnell: Über die vielfältigen Ursachen der aktuellen Korrektur, die nach wie vor historisch gesehen im absolut bekannten Umfang läuft, habe ich den ganzen Februar über geschrieben. Wir befinden uns nicht am Beginn einer Rezession, einer langen Aktienbaisse oder anderer Horrorszenarien, sondern wir erleben eine Korrektur im Rahmen einer Rallye. da kann ich keine prophezeite Rezession erkennen. Ich kann lediglich sehen, dass Journalisten vermutlich viele Wochen, wenn nicht Monate, benötigen werden um zu erkennen, dass die Importzölle nicht ausreichen, um die Weltwirtschaft in den Abgrund zu stürzen.

Das sind die Argumente der Bären und diese Argumente werden dankbar von nicht-finanzaffinen Journalisten aufgegriffen und mit aus dem Kontext gerissenen historischen Beispielen unterfüttert. In der Folge verkaufen Anleger heute Aktien wie Apple, weil Apple ja vielleicht schon morgen gar kein iPhone mehr in China wird verkaufen dürfen.


OPTIMISTISCHE MÖGLICHKEITEN

Ja ich nenne es optimistische Möglichkeiten, denn ich weiß nicht, was passieren wird. Aber vielleicht hilft es Ihnen, wenn wir uns vor Augen führen, dass die Folgen der Zoll-Entscheidung Trumps nicht zwangsläufig negativ sein müssen, sondern vielleicht an der einen oder anderen Stelle gar nichts passiert oder gar sich etwas zum Besseren wandelt.

1. Zahnloser Tiger fährt Krallen aus

China sieht die USA als zahnlosen Tiger. Natürlich wissen die Chinesen, dass sie seit vielen Jahren schon Stahl und Aluminium zu Dumpingpreisen in den USA abladen und vielleicht wundern sie sich, dass es so lange gedauert hat, bis die USA reagieren. vielleicht werden sie künftig vorsichtiger sein, neue Zölle oder Handelsbeschränkungen zu erlassen, ganz vielleicht werden sie sogar das eine oder andere zurücknehmen?

2. China macht eigene Hausaufgaben

Hat China nun Angst um die eigene Stahlindustrie? Kein zweites Land auf der Erde hat so stark mit Umweltverschmutzung zu kämpfen. Seit Jahren investiert China gigantische Summen dort, wo Emissionen vermieden werden können. In der Stahlindustrie ging das viel zu langsam, weil der Absatzmarkt (USA) zu attraktiv war. Wird China nun also Gegenmaßnahmen ergreifen, um die eigenen Schmutzschleudern zu retten? Oder könnte es vielleicht sein, dass China ab jetzt konsequenter gegen die Dreckschleudern im Land vorgeht?

Rhetorische Frage, Sie kennen meine Antwort.

3. Retest

Ein Retest ist an der Börse der Begriff dafür, dass ein Korrekturtief in der Regel erneut getestet wird. Wenn also ein Ausverkauf erfolgte, dann erleben wir im Anschluss häufig eine Erholung, doch bevor die Aktienmärkte neue Hochs erreichen können, erfährt der Markt einen zweiten Ausverkauf, mit dem die ersten Tiefs "getestet" werden, ob sie halten.

Ich habe in den vergangenen Wochen vom vollautomatischen Crash gesprochen, und davon, dass die Anleger (also Menschen!) mit ihren Ängsten nicht mitgenommen wurden. Der vollautomatische Crash war vorüber, bevor sich Angst und Panik breit machen konnte. Daher ist ein Test des Korrekturtiefs diesmal zu befürchten gewesen, und das hat nichts mit den Zöllen zu tun. Das hat auch nichts mit den am Wochenende anstehenden Wahlen in Italien zu tun, und auch nichts mit dem Mitgliederentscheid der SPD über die GroKo. Was wir hier sehen, ist lediglich die Angst und Panik, die beim ersten Ausverkauf nicht schnell genug erzeugt wurde.

4. Trump misst seinen Erfolg an der Börse

US-Präsident Donald Trump wird immer wieder durch extrem schwache Umfragewerte in der Presse degradiert. Seit Monaten hält er dagegen, wie stark der US-Aktienmarkt unter seiner Präsidentschaft angestiegen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dieses Argument so leicht verspielt.

Natürlich hat er seinen Wählern versprochen, die Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland zu stoppen, und genau das tut er nun. Doch ich gehe davon aus, dass er seine protektionistischen Aktionen umgehend stoppen wird, wenn sich ein Handelskrieg abzeichnen sollte und die Aktienbörsen dadurch langfristig belastet würden.

Mag sein, dass Trump bei Intelligenztests schlecht abschneidet. Dafür schreibe ich ihm eine Bauernschläue zu, die viele andere Präsidenten nicht hatten.

5. China ist nicht der einzige Weltmarkt

Bei der Diskussion um die Folgen für den Handel zwischen den USA und China wird häufig übersehen, dass es weitere Märkte auf der Welt gibt. Europa beispielsweise. Aus Brüssel sind bereits wilde Drohungen in Richtung USA zu vernehmen, man werde sich das nicht gefallen lassen.

Anders als Obama, der im Vorfeld diplomatisch alles abklärte und dann mit Tippelschritten in eine Richtung loszog, schafft Trump zuerst Fakten und justiert anschließend nach. Unabhängig davon hat gerade Deutschland im Jahr 2017 wieder einen Rekord-Handelsüberschuss mit den USA vermeldet. Als ob die USA nichts zu exportieren hätten...? Oder könnte es sein, dass sich der Export für viele US-Produkte nicht lohnt, weil auch Europa viele Zölle erhebt?

Veränderungen benötigen Chaos, sonst lässt sich in unserer zivilisierten Gesellschaft nichts mehr bewegen. Trump schafft Chaos, lassen wir uns überraschen, was am Ende dabei herauskommt. Doch bei den verkalkten Strukturen der vergangenen Jahre ist ein wenig Chaos sicherlich produktiv zu werten.

Warren Buffet hat sich diese Woche zu Wort gemeldet. Er sagte, es interessiere ihn gar nicht, ob das Zinsniveau von 2,4% auf 2,9% angestiegen sei, den viele Unternehmen würden eine Rendite erwarten lassen, die ein Vielfaches von 3% sei. Explizit bestätigte er, seine Position in Apple deutlich vergrößert zu haben. Apple sei ein fantastisches Unternehmen der Konsumentenartikel-Branche, da jeder Zweite in seinem Umfeld unzählige Male am Tag auf seinem iPhone herumtippen würde. Ich gehe davon aus, dass Buffet auch über die nun eingeführten Zölle eine ähnlich abgeklärte Sichtweise hat. Werden die Stahlzölle den Absatz des iPhones beeinflussen? Sie kennen meine Meinung.

Wir befinden uns mitten in einer Korrektur und die Gründe für die Korrektur sind hinreichend bekannt: Ein neuer US-Notenbankchef wird nach Amtsantritt immer erst einmal vom Finanzmarkt "getestet". Zudem gibt es wieder eine sehr hohe Verschuldung in den USA, insbesondere an den Finanzmärkten arbeiten institutionelle Anleger wieder mit hohen Aktienkrediten (Margin-Debt). Der Hedgefonds Bridgewater spekuliert auf einen Crash in Europa, das Engagement ist seit 10 Tagen nahezu unverändert hoch. Die Charttechnik erfordert noch ein Fibonacci-Retracement, das noch nicht vollständig abgearbeitet wurde. Na und dann ist da natürlich die Zinsentwicklung, die den Anlegern die Angst in die Glieder fahren lässt. Womöglich hat der Bärenmarkt am Anleihemarkt bereits begonnen. Und wenn in Italien Berlusconi wieder an die Macht kommt, wird es für Europa ganz ungemütlich. Denn die GroKo, die vermutlich in Deutschland noch ein wenig weiter herumgeistern darf, wußte noch nie eine zufriedenstellende Antwort auf die Provokationen von Il Cavaliere.

Das sind alles gute Argumente für einen Crash. Doch diese Argumente sind inzwischen bekannt, jeder Anleger kann sie im Schlaf aufsagen und entsprechend hat die Aktienbörse bereits um 10% korrigiert.

Gemäß einer Umfrage der Bank of America haben institutionelle Anleger so viel Angst vor steigenden Zinsen wie noch nie, seit man vor einigen Jahrzehnten diese Gemütslage abzufragen begann. Anziehende Inflationsraten und ein möglicher Anleihemarktcrash beschäftigen derzeit Heerscharen von Risikomanagern. Weiterhin sind große Spekulanten zu bullisch für weiter anziehende Zinsen positioniert, wie nur einmal zuvor in den vergangenen zehn Jahren, ich hatte Ihnen kürzlich die entsprechende COT-Graphik präsentiert.

Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (01.03.2018) Woche Δ Σ '18 Δ

Dow Jones 24.609 -1,4% -0,9%
DAX 12.191 -2,2% -5,6%
Nikkei 21.724 -0,8% -4,6%
Shanghai A 3.429 0,2% -1,0%
Euro/US-Dollar 1,23 -0,3% 2,3%
Euro/Yen 130,29 -1,0% -3,5%
10-Jahres-US-Anleihe 2,80% -0,11 0,38
Umlaufrendite Dt 0,42% -0,07 0,14
Feinunze Gold $1.317 -0,9% 1,0%
Fass Brent Öl $63,60 -4,2% -4,5%
Kupfer 6.952 -0,7% -2,9%
Baltic Dry Shipping 1.196 2,5% -12,4%
Bitcoin 11.002 11,2% -20,9%


Die Tabelle zeigt den Stand von gestern (Donnerstag) Abend. Heute geht's nochmals kräftig bergab. Dabei verlieren DAX und Dow Jones gleichermaßen, egal ob aufgrund von Angst vor einem Handelskrieg oder aus Angst von dem Wahlergebnis in Italien und in der SPD.

Der Volatilitätsindex steigt vor dem Hintergrund des Aktienmarktausverkaufs wieder an. Oder umgekehrt: Spekulanten treiben mit Volatilitätsprodukten die Vola nach oben, was zu entsprechenden Gegengeschäften am Aktienmarkt führt, die zu einem Crash führen? Egal, denn gleichzeitig sinkt diesmal die Rendite der 10 Jahre laufenden US-Anleihen. Statt die 3% zu erklimmen, geht's bergab auf 2,8%. Genau das hatte ich vor einer Woche in Aussicht gestellt.

Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Aktienmärkte nach oben drehen, oder sehen wir den Anfang einer Massenpanik, weil jüngste Konjunkturdaten nun doch nicht so gut sind wie noch vor kurzem erwartet und entsprechend würden zu viele Zinsanhebungen schnell ein Chaos hervorrufen? Ich werde die Marke von 11.800 Punkten im DAX im Auge behalten, um zu beurteilen, ob wir uns noch im Rahmen des gewöhnlichen "Retests" befinden, oder ob nun doch die Finanzmärkte kollabieren könnten.

Wie befürchtet ist der Ölpreis in der Erholungsbewegung nicht mehr an die Hochs von Ende Januar herangelaufen (66,66 USD/Fass WTI), sondern befindet sich nun schon wieder auf dem Weg zu den Tiefs unter 59 USD/Fass WTI (aktuell 60,97 USD/Fass WTI). Noch immer spekulieren sehr viele große Spekulanten auf steigende Kurse, daher könnte ich mir ein Durchrutschen des Ölpreises bis auf 55 USD/Fass WTI in den kommenden Wochen gut vorstellen.

Derweil hält sich der Konjunkturindikator Kupfer (-0,7%) recht gut. Und der Baltic Dry Verschiffungsindex, der die Handelsaktivitäten Chinas recht gut wiedergibt, kann ansteigen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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