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Die gefeierte Lösung für Griechenland ist in meinen Augen ein Aufschieben der Entscheidung, wobei die Möglichkeit einer Hilfe für Griechenland durch die EU-Staaten als Ultima Ratio den Refinanzierungsbemühungen Griechenlands sehr helfen wird. Die Entscheidung über die Hilfe muss von allen 16 EU- Mitgliedsländern einstimmig fallen. Deutschland, das im Fall von Griechenland 19% der zu erwartenden Kredite stellen würde, könnte also noch immer ein Veto einlegen.
Es ist also keine Entscheidung gefallen, sondern ein Prozess definiert worden, wie Griechenland im Falle des Falles geholfen wird. Der IWF wird mit an Bord sein. Alle anderen Kapitalbeschaffungsmaßnahmen müssen zum Zeitpunkt der Hilfe erschöpft sein. Die EU will nur der wirklich letzte Notnagel sein, an den sich Griechenland hängen kann. Es ist der politische Kompromiss, den wir Volkswirte immer fürchten: Ja, Angela Merkel hat auf die Mahnungen von Prof. Issing gehört und weigerte sich erfolgreich, falsch verstandene Solidarität durch das Öffnen der deutschen Staatskasse auszuüben. Aber es wird sich erst zeigen müssen, wie der Weg der Ultima Ratio in Anspruch genommen wird. Unterm Strich würde ich sagen, dass der gefundene Kompromiss uns einige Monate, vielleicht sogar Jahre Zeit kauft, bevor der Fall der Fälle eintritt und das erste Land vor der Pleite steht. Über die künftige Rolle einer Harmonisierung der Wirtschaftspolitik der EU wird noch diskutiert werden: Die gestern von Frankreich publizierte Lösung einer Stärkung des Europarats in diesem Bereich wurde heute schon wieder zurück genommen. Selten haben wir das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Ideologien so deutlich gesehen wie im Griechenland-Konflikt. Die großzügige Hilfsbereitschaft aller EU-Länder außer Deutschland mit den zum großen Teil deutschen Steuergeldern wurde von Angela Merkel zu Recht abgeschmettert. Solidarität bedeutet nicht, für Fehler der anderen zu zahlen. Solidarität bedeutet, dem anderen zu helfen, diesen Fehler nicht ein zweites Mal zu begehen. Mag sein, dass Sie den Vergleich etwas weit hergeholt finden: Aber es ist wie in der Erziehung. Es ist mir ein Leichtes, meinem nächste Woche ein Jahr alt werdenden Sohn zu zeigen, wie man Becher ineinander stapelt. Und wenn sie ihm vom Tisch fallen, kann ich sie schnell aufheben. Doch es braucht mehr Geduld, ihn immer wieder zu motivieren, diese Aufgabe selber zu lösen. Und gleichzeitig muss ich dann auch noch die Wut des eifrigen Spielers ertragen, wenn er mal wieder gescheitert ist. Helfen ist leicht. Richtig helfen ist richtig schwer. So kann ich Angela Merkel zu dem gefundenen Kompromiss nur beglückwünschen. Je mehr ich mir den Kompromiss im Detail anschaue desto besser gefällt er mir. Natürlich hätten Börsianer am liebsten eine Lösung heute auf dem Tisch: Ein klares „Nein“ zu Griechenland-Hilfen wäre aus deren Sicht besser als das jetzt kursierende „Vielleicht, sofern nichts anderes mehr geht“. Dementsprechend stabilisiert sich der Euro zwar derzeit, ich nehme aber nicht an, dass er schnell wieder an alte Höchststände anknüpfen wird. Erst die nächsten Monate werden zeigen, wie die Finanzmärkte die gefundene Lösung für Griechenland einschätzen. Wünschenswert wäre, dass Griechenland mit der „Vielleicht“- Zusage der EU-Staaten im Rücken erfolgreich die Refinanzierung der 20 Mrd. Euro in den nächsten 8 Wochen sowie die weiteren ca. 30 Mrd. Euro bis Jahresende schafft. Ich nehme an, dass bereits in den nächsten 8 Wochen absehbar sein wird, ob Griechenland es alleine schaffen wird oder nicht. So wird es sich lohnen, in den nächsten Wochen einen Blick auf die Entwicklung des Zinsaufschlags zu werfen, den Griechenland gegenüber Deutschland für Staatsanleihen zahlen muss. Heute ist er schon mal kräftig zurückgegangen. In den vergangenen Wochen hat der Euro kräftig Federn gelassen. Insbesondere die exportorientierte Nation Deutschland wird von dieser Euro-Schwäche profitieren. Das ist in meinen Augen auch der Grund für den überproportionalen Anstieg des DAX in dieser Woche. Ein steigender Euro könnte in den kommenden Tagen für den DAX die Rallye beenden, eine Korrektur ist dann nicht mehr auszuschließen. Doch wir werden weiter mitfeiern, solange die Party läuft. Für unsere beobachteten Werte haben wir eine entsprechende Strategie implementiert. Schauen Sie sich die Wochenperformance der wichtigsten Indizes einmal an: INDIZES (25.03.2010) Dow Jones: 10.841 | 0,6% DAX: 6.132 | 2,0% Nikkei: 10.996 | 1,6% Euro/US-Dollar: 1,336 | -1,5% Euro/Yen: 123,74 | 0,9% 10-Jahre-US-Anleihe: 3,90% | 0,2% Umlaufrendite Dt: 2,76% | 0,0% Feinunze Gold USD: $1.097,00 | -2,2% Fass Crude Öl USD: $81,19 | -0,4% Baltic Dry Shipping I: 3.177 | -6,4% OBAMA GEWINNT BEI GESUNDHEITSREFORM Ich hatte es in der vorigen Ausgabe des Heibel-Tickers angekündigt: Obama hat seine Gesundheitsreform allen Unkenrufen zum Trotz durchgesetzt. Natürlich ist die Reform nicht so umfangreich wie ursprünglich geplant. Obama musste auch gegenüber seinen eigenen Parteimitgliedern weitreichende Zugeständnisse machen, um ausreichend Stimmen zu erhalten. Insbesondere die Legalisierung der Abtreibung stieß auf großen Widerstand und wurde letztlich gegen die fehlenden Stimmen eingetauscht. Doch künftig werden 32 Mio. US-Amerikaner eine Krankenversicherung haben, die sich das zuvor nicht leisten konnten. Für US-Unternehmen, die einen Teil der Versicherungskosten tragen müssen, ist das ein großer Kostenblock, der zusätzlich auf sie zukommt. Für Pharma-Unternehmen vergrößert sich der Kundenkreis, denn 32 Mio. mehr potentielle Patienten werden künftig bestimmte Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, die sie sich zuvor nicht leisten konnten. Ich hatte einen Ausverkauf an den US-Börsen befürchtet. Vergangenen Freitag hatte ich im Ausblick dargelegt, wie die Ertragssituation der Unternehmen sich zusehends verbessert und weiter steigende Kurse erwarten lässt, jedoch dass die Politik diese positive Entwicklung abwürgen könnte. Ich hatte befürchtet, dass Anleger aus Angst vor den hohen Kosten der Gesundheitsreform Aktien verkaufen würden. Das ist nicht eingetreten, die gesunde Ertragssituation hat die Oberhand behalten. Noch. Und so haben auch die Börsen in den USA diese Woche kräftig zulegen können, bis gestern Abend letztlich ein überraschender Ausverkauf einen großen Teil der Wochengewinne ausradierte. Nächste Woche Mittwoch ist der 31. März, da geht das erste Quartal 2010 zu Ende. Wie Sie wissen schaue ich stets zum Quartalsende auf Aktivitäten, die als „Window-Dressing“ – Verschönerung des Blicks auf das eigene Portfolio bezeichnet werden. Ein Fondsmanager für einen Technologiefonds ohne Apple-Aktien im Portfolio wird sich die Frage gefallen lassen müssen warum er in diesem Quartal die 20% Kursgewinn bei Apple nicht hat kommen sehen. Nun, er wird dem vorbeugen und kurz vor Quartalsende ein paar Apple-Aktien ins Portfolio legen. Vielleicht hat er auch noch ein paar Aktien von SMA Solar im Bestand, die zum Jahreswechsel nur ein halbes Prozent unter dem heutigen Kurs notieren. Wenn er dort nun gezielt ein paar Aktien kauft, könnte er den Kurs vielleicht über die Nulllinie bewegen (große Fonds können so was). Nachdem nun die Katastrophen ausblieben, weder die Gesundheitsreform wird derzeit negativ aufgenommen, noch ufert die Griechenlandproblematik aus, werden Anleger zunehmend optimistisch. Schauen wir uns die Sentimentdaten einmal an: SENTIMENTDATEN ANALYSTEN: Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 05.-12. März (343): 76% / 24% 12.-19. März (285): 83% / 17% 19.-26. März (334): 54% / 16% (Hinweis: Ab dieser Woche werden die Bullen und Bären in Prozent von allen Stimmen ermittelt, nicht mehr gegeneinander. Die verbleibenden Stimmen, diesmal 30%, haben sich für ein „Halten“ entschieden.) ANALYSTEN KAUF Hochtief, Dt. Börse, BMW ANALYSTEN VERKAUF Q-Cells, Severn Trent, Raiffeisen Intl. PRIVATANLEGER: 10. KW 2010: 56% Bullen (83 Stimmen) 11. KW 2010: 52% Bullen (76 Stimmen) 12. KW 2010: 58% Bullen (77 Stimmen) Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 6.005 PRIVATANLEGER KAUF BNP Paribas, Morphosys PRIVATANLEGER VERKAUF Kabel Deutschland, Palm, Aurubis Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Nachdem ich in der Ausgabe der vergangenen Woche auf die zunehmende Anzahl an 52-Wochen-Hochs eingegangen bin und dieses als bullisches Signal erwähnte wurde ich auf das Hindenburg-Omen aufmerksam gemacht. Ich habe mir diese technische Spielerei einmal angesehen: Das Hindenburg Omen ist ein technischer Indikator, der einen bevorstehenden Aktiencrash prognostizieren soll. Im Wesentlichen betrachtet dieser Indikator die Anzahl der neuen 52-Wochen-Hochs sowie die Anzahl der neuen 52-Wochen-Tiefs. Wenn beide Ziffern extrem hoch sind (über 2,2% aller Titel) und gleichzeitig die Anzahl der neuen Hochs nicht mehr als doppelt so hoch ist wie die Anzahl der neuen Tiefs, dann steht dieser Theorie zufolge ein Crash bevor. Ich halte von so abgehobenen Kriterien nichts. Zum einen kann es immer Gründe für so extreme Situationen geben, wie beispielsweise eine Branche, für die die Rahmenbedingungen sehr gut sind während in einer anderen Branche die Unternehmen reihenweise pleite gehen. Zum anderen ist ein solches Kriterium, wenn es einmal bekannt ist, meist schon überholt. Sie finden im englischsprachigen Wikipedia eine ausführliche Erklärung, damit ist diese Theorie bekannt und dürfte meiner Einschätzung nach nicht mehr gelten. Ungeachtet dessen werden wir jedoch weitere Kursanstiege wachsam verfolgen. Stehen die Börsenampeln nun auf Grün, steht uns die nächste Rallye bevor nachdem sich die großen unbekannten Ereignisse in Wohlgefallen auflösen? Oder wähnen wir uns in falscher Sicherheit und laufen auf eine heftige Korrektur der jüngst erzielten Kursgewinne zu? | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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