Alt 03.11.12, 16:49
Standard So tickt die Börse: Rheinmetall mit Kolbenfresser
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Das ganze Jahr über schwirrt das Gerücht über das Börsenparkett, dass Rheinmetall seine Automobilsparte an die Börsen bringen möchte. Geschehen ist jedoch nichts. Ich fürchte, das Gerücht könnte sich als Kolbenfresser entpuppen, der eine Menge Geld des Unternehmens gefressen hat.

Sie lesen den Heibel-Ticker ja nicht, um Fakten zu erhalten. Lassen Sie mich also ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Rheinmetall verfügt über zwei Geschäftsbereiche: Rüstung und Autos. Das Rüstungsgeschäft läuft schlecht, Staatskassen sind leer, und nach Präsident Bush herrscht derzeit weltweit ein anderes Klima: Entspannungspolitik wird groß geschrieben. Was sollen Regierungen aufrüsten, wenn die Schuldenlast ohnehin bereits ausgeufert ist und das Volk kurz vor der Revolution steht.

Ich erwarte für das Rüstungsgeschäft in den kommenden Jahren keine wesentliche Besserung. Es wird natürlich immer einen maßgeblichen Anteil der staatlichen Budgets geben, der in die Rüstung, also auch in Panzer, gesteckt wird. Aber einen Schub wie unter Präsident Bush wird es in den nächsten Jahren nicht mehr geben.

Für Rheinmetall sind das schwere Zeiten. Doch immerhin hatte das Unternehmen ein funktionierende Automobilgeschäft: Pumpen und Kolben wurden an die Automobilindustrie geliefert. Die überschäumenden Gewinne aus diesem Bereich haben in den vergangenen Jahren über die Probleme der Rüstungssparte hinweg gestrahlt.

Doch in der jüngsten Zeit trifft eine Hiobsbotschaft nach der anderen aus dem Automobilsektor ein. Daimler senkt die Produktion der S-Klasse und der E-Klasse. Renault klagt über Absatzschwäche in Südeuropa. BMW vergibt Preisnachlass von teilweise über 20%. Ford kündigt eine Umstrukturierung zur Kosteneinsparung an und Opel kämpft ohnehin seit langem gegen die Schließung von Werken.

Eine Abspaltung der Automobilsparte von Rheinmetall hätte ich absolut toll gefunden. Als Analyst mögen wir keine Mischkalkulation, wir beschäftigen uns lieber mit Plain Vanilla Unternehmen, also mit Unternehmen, die wir leicht in die eine oder andere Schublade stecken können. Das Rüstungsgeschäft wäre anschließend als Dividendenaktie in vielen konservativen Depots gelandet. Und das Automobilgeschäft wäre dank der bis vor kurzem noch vorhandenen Wachstumsraten deutlich höher bewertet worden als in der Mischkalkulation mit dem Rüstungsgeschäft.

Doch gibt es denn überhaupt Interesse bei den Anlegern für einen weiteren puren Automobilzulieferer in Deutschland? Der MDAX ist ja schon voll von solchen Unternehmen. Wenn also Rheinmetall verkünden würde, die Automobilbranche an die Börse zu bringen, dann liefe das Unternehmen Gefahr, letztlich bei Anlegern kein ausreichendes Interesse vorzufinden. Was tut man also: Man fragt nach.

Natürlich kann Rheinmetall nicht bei Anlegern nachfragen. Aber Rheinmetall kann den Banken, mit denen es Geschäfte macht, signalisieren, dass man einem solchen Schritt positiv gegenüber stünde, sofern ausreichend Interesse seitens der Bankkunden, also der Anleger, signalisiert würde. Man nimmt also eine Temperaturprobe vom Markt.

Fällt die Temperaturprobe positiv aus, dann steht einem Börsengang nichts im Wege. Der Rest ist bürokratische Formsache. Ist das Feedback hingegen enttäuschend, so macht man weiter wie bisher.

Natürlich geht so was bei Unternehmen der Größe von Rheinmetall nicht an der Presse vorbei, der eine oder andere Banker verplappert sich, und den Rest kann sich ein guter Journalist zusammen reimen. So entsteht ein Gerücht.

Rheinmetall hat das Gerücht niemals dementiert, im Gegenteil, man hat diese Option sogar offen diskutiert. Doch offiziell heißt es, das Unternehmen sei noch nicht bereit dazu, während die Wahrheit jedoch ist, dass die Anleger kein ausreichendes Interesse bekundet haben.

Dank dieses Gerüchts ist die Aktie zwar nicht in den Himmel geschossen, doch wurde ein schlimmer Ausverkauf verhindert. Bestehende Rheinmetall-Anleger wurden mit verhältnismäßig ordentlichen Zahlen bei Laune gehalten. Und das seit Monaten im Markt existierende Gerücht sorgte sogar für ein wenig Phantasie auf höhere Kurse im Falle eines erfolgreichen Börsengangs.

Es ist nun November, das Jahr ist bald um, und ein Börsengang ist nicht in Sicht. Ende nächster Woche legt Rheinmetall wieder Zahlen vor, und ich könnte mir vorstellen, dass die Zahlen verheerend ausfallen werden. Zum einen nehme ich das fehlende Anlegerinteresse an dem Börsengang der Automobilsparte als Indikator dafür, dass die Zahlen dieser Rheinmetall-Sparte die Anleger nicht überzeugt haben. Schon Anfang des Jahres waren die Anleger nicht begeistert. Inzwischen hat sich die Situation auf dem Automobilmarkt dramatisch verschlechtert.

Könnte Rheinmetall der schlechten Branchenentwicklung trotzen, dann würde man die Sparte an die Börse bringen. Jeder Anleger möchte eine solche Aktie. Der Börsengang bleibt aber aus, und somit gehe ich davon aus, dass auch Rheinmetall schlechte Zahlen veröffentlichen wird.

Zwei Analysten haben in den vergangenen Tagen ihre Gewinnschätzung für das dritte Quartal von Rheinmetall um ein Drittel vermindert. Wenn Sie sich in der Branche umhören, bekommen Sie zu hören, dass man die Kürzung um ein Drittel begründen konnte - Analysten müssen stets mathematisch nachweisen, wie sie zu ihren Zahlen kommen. Sonst werden sie zerrissen, wie Sie in meinem Artikel in Kapitel 03 lesen können. Es ist aber die Befürchtung deutlich zu sehen, dass die Zahlen noch schlechter ausfallen könnten, als derzeit offiziell errechnet.

Mit anderen Worten: Wenn Sie Rheinmetall Aktien haben, dann verkaufen Sie die noch vor den Quartalszahlen am 9. November. Der Plan, die Autosparte an die Börse zu bringen, ist nicht aufgegangen, und die Gründe dafür werden wir nächste Woche erfahren. Und glauben Sie mir, Gründe für eine solche Geschichte sind selten erfreulich.

Schauen wir einmal, was die Indizes in dieser Woche gemacht haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (01.11.2012) | Woche ?

Dow Jones: 13.233 | 1,0%
DAX: 7.336 | 1,9%
Nikkei: 9.051 | 1,3%
Euro/US-Dollar: 1,29 | 0,1%
Euro/Yen: 103,65 | 0,2%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,67% | -0,16
Umlaufrendite Dt: 1,21% | -0,10
Feinunze Gold: $1.710 | 0,3%
Fass Brent Öl: $108,01 | 0,1%
Kupfer: 7.792 | -0,4%
Baltic Dry Shipping: 1.000 | -4,9%


Eine detaillierte Besprechung der Indizes aus der Perspektive der Monatsbetrachtung finden Sie in Kapitel 04. Diese Woche wütete Sturm Sandy an der US-Ostküste, die US-Börsen waren zwei Tage geschlossen. Wider Erwarten stiegen die Kurse im Anschluss daran an. Als Hauptgrund dafür habe ich eine Ziffer ausgemacht: 50,2.

Es handelt sich um den Einkaufsmanagerindex von China. Er wurde Mittwoch veröffentlicht und war überraschend positiv ausgefallen. Nach fünf Monaten unter 50 war er nunmehr überraschend über 50 gestiegen. Werte über 50 signalisieren Wachstum, darunter Kontraktion. Diese Ziffer wurde von den Finanzmärkten als Indikator für eine erfolgreiche Gesundung der chinesischen Wirtschaft aufgenommen.

Die Chancen für Präsident Obama stehen aktuell 47,5% zu 47,2% (realclearpolitics.com), also ein hauchdünner Vorsprung für Obama. Wie bereits beschrieben, handelt es sich um ein Kopf an Kopf Rennen, das von der westlichen Welt derzeit gar nicht so recht wahrgenommen wird. Hier kennt man nur Obama und hat sich nicht im Entferntesten auf einen Machtwechsel in den USA vorbereitet. Das birgt natürlich die Gefahr einer Überraschung.

Die Rendite für spanische 10-Jahresanleihen steht bei 5,6% und damit nach wie vor recht günstig. Die europäische Schuldenkrise ist derzeit kein Thema mehr.

Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung entwickelt:

SENTIMENTDATEN: STABILER OPTIMISMUS

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
12.10.- 19.10. (304): 45% / 16%
19.10.- 25.10. (278): 41% / 18%
25.10.- 02.11. (245): 42% / 19%

Kaufempfehlungen der Analysten
Linde, UBS, BP Plc.

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Belgacom S.A., France Telecom, AstraZeneca

Privatanleger
42. KW: 58% Bullen (145 Stimmen)
43. KW: 59% Bullen (166 Stimmen)
44. KW: 63% Bullen (164 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Leoni, Maurel et Prom S.A., Fresenius Medical Care

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Facebook, Panasonic


Der Optimismus nimmt weiter zu. Es ist noch kein überschäumender Optimismus, doch es besteht große Zuversicht für steigende Kurse zum Jahresende.

Aus den Empfehlungen der Analysten und Privatanleger lässt sich kein wirklicher Trend ablesen, es sind Einzeltitel aus allen Branchen, häufig mit Sondersituationen. Schauen wir einmal, welchen Aktien die Analysten das größte Kurspotential zusprechen:

TOP ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Unternehmen | Analyse v. | Kurs | Kursziel | Upside

Adidas | 29.10 | 46,80 € | 80,00 € | 70,94%
Süss Microtec | 31.10 | 7,09 € | 11,00 € | 55,15%
Xing | 30.10 | 43,87 € | 66,00 € | 50,44%
Vectron Systems | 29.10 | 11,35 € | 17,00 € | 49,78%
Pfeiffer Vacuum | 1.11 | 79,61 € | 117,00 € | 46,97%
Evotec | 2.11 | 2,79 € | 4,10 € | 46,95%
SAF Holland | 1.11 | 5,08 € | 7,40 € | 45,67%
Dürr | 30.10 | 59,04 € | 86,00 € | 45,66%
Rheinmetall | 31.10 | 36,38 € | 52,00 € | 42,94%
Takkt | 30.10 | 10,04 € | 14,00 € | 39,44%


Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.

Auch hier geht es bunt durch die Branchen, wobei einige Automobilzulieferer dominieren. Ich vermute, dass Analysten sich scheuen, ihre Kursziele schnell genug zu senken, um mit dem Kursverfall Schritt zu halten. Auch so kommen verhältnismäßig hohe Kursziele zustande: Analysten rechnen nicht schnell genug klein.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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