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Drei große Themen dominieren das Börsenparkett: Handelsstreit, Brexit und Konjunktursorgen.
Im Handelsstreit hat Donald Trump mit seiner Teileinigung dafür gesorgt, dass die Angst vor weiteren Eskalationsschritten für die kommenden Wochen vom Tisch ist. Kritiker weisen immer wieder darauf hin, dass es noch nichts "Zählbares" gibt, noch keine Unterschrift oder irgendetwas anderes Verbindliches, außer Bestellungen von US-Agrarprodukten, die in China ohnehin dringend benötigt werden. Doch an den Aktienmärkten spielt man das Thema anders: Allein schon die Tatsache, dass bis auf weiteres keine weiteren Eskalationsschritte zu fürchten sind, sorgt für Entspannung und ermöglicht es den Anlegern, sich in diesen Tagen auf Quartalszahlen zu konzentrieren, statt wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren. Die USA haben inzwischen auch gegenüber Europa Strafzölle erhoben. Bislang sind die erhobenen Strafzölle eher eine Warnung, ein Schuss vor den Bug. Europa wird diese Warnung in den kommenden Monaten erwidern, sobald ein entsprechendes Urteil im Fall Boeing/ Airbus gefällt wird. Hier würde ich erst einmal abwarten, ob sich eine ähnlich bedrohliche Situation entwickelt, wie die USA gegenüber China aufgebaut haben, oder nicht. Ich denke nicht, dass die Situation ähnlich eskalieren wird. Zum Brexit fehlen mir die Worte: Wie Boris Johnson es geschafft hat, den Austrittsvertrag doch wieder aufzuschnüren und zu modifizieren, verstehe ich nicht. Aber einmal mehr fehlt auch die Mehrheit in London, um den modifizierten Vertrag zu verabschieden. Nun wird diskutiert, ob eine erneute Verlängerung beantragt werden soll bzw. Johnson hat den Antrag eingereicht, begleitet von einem Schreiben, in dem er seine persönliche Ablehnung gegenüber diesem Antrag zum Ausdruck bringt. Anleger haben sich an das Chaos gewöhnt. Mag sein, dass ein harter Brexit zum 31.10. nochmals für einen kurzfristigen Ausverkauf sorgen wird, grundsätzlich sind Anleger jedoch darauf vorbereitet und dürften ein solches vermeintlich negatives Ereignis schnell verarbeitet haben. Nichts ist schlimmer für Unternehmenslenker als Ungewissheiten. Ungewissheit über weitere Eskalationsschritte im Handelsstreit und Ungewissheit über eine weitere Verlängerung der Brexit-Tragödie. Die Ungewissheit nimmt jedoch ab, wenngleich unter großem Chaos, und Unternehmenslenker schauen in eine Zukunft, in der Handelszölle tendenziell wieder sinken und in der die Briten nicht mehr zum Binnenmarkt gehören. Entsprechende Investitionsentscheidungen können nun auf den Weg gebracht werden und das sollte sich positiv auf die Konjunkturentwicklung auswirken. Mag sein, dass wir sehr früh sind mit einer solchen Erwartung, doch an den Aktienmärkten werden solche Entwicklungen ja auch um 6-9 Monate vorweg genommen. Ist es also möglich, dass im nächsten Frühjahr erste zarte Hoffnungspflänzchen bei den Konjunkturdaten zu sehen sind? Ich will es nicht ausschließen. WIRECARD: UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER Um 25% ist die Aktie von Wirecard diese Woche wieder einmal nach unten geprügelt worden, nachdem die Financial Times einen Artikel veröffentlichte, in dem die altbekannten Vorwürfe der Bilanzierungsunregelmäßigkeiten mit alten Argumenten erneut vorgetragen wurden. Dokumente, die die Vorwürfe belegen sollen, seien als echt eingestuft worden, so die Financial Times. Es handelt sich um einen Wirtschaftskrimi: Financial Times mit seiner Reputation als wichtiges Börsenblatt gegen Wirecard als erstes, erfolgreiches FinTech-Unternehmen. Ich hatte mir meine Meinung vor einigen Monaten gebildet: Auch wenn es zu einzelnen Verfehlungen im Konzern gekommen sein mag, so ist die daraus abgeleiteter Dimension des Problems von der Financial Times meiner Ansicht nach maßlos übertrieben. Dennoch ist die Schlagkraft der Financial Times nicht zu unterschätzen. In der Vergangenheit wurde im Abstand von einigen Tagen immer nochmal was nachgelegt, was einen ersten Erholungsversuch der Aktie vereitelte. Diesmal hat Wirecard ein Aktienrückkaufprogramm aktiviert (bis zu 1% der ausstehenden Aktien), mit dem man gegen die vermeintlich koordinierten Aktien von Leerverkäufern vorgehen möchte. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob 200 Mio. Euro ausreichen, um Leerverkäufer, die binnen weniger Tage 6 Mrd. Euro Marktkapitalisierung vernichten können, in den Griff zu bekommen. Wer spekulieren möchte, sollte unbedingt mit Stopp Loss Orders arbeiten. FINANZIERUNGSGESCHÄFT ZIEHT AN Grenke Leasing berichtete bereits vor zwei Wochen deutlich bessere Umsatzzahlen als erwartet. Auch die Marge verbesserte sich. Das Finanzierungsgeschäft sei um 21,7% angesprungen, die Prognose für das laufende Geschäftsjahr wurde angehoben. Grenke hat sich auf schwere Zeiten an den Finanzmärkten eingestellt und erntet nun die Früchte. Gleichzeitig wird die Kritik an der exzessiven Geldflutung durch die EZB unter Mario Draghi immer lauter: Jens Weidmann hat begonnen, Begründungen gegen die Geldflutung öffentlich zu machen und erhält umgehend Unterstützung von einer ganzen Reihe namhafter Geldpolitiker Europas. Die Ungewissheit (siehe oben) schwindet und Widerstand gegen das Niedrigzinsumfeld formiert sich. Da ist Grenke ideal positioniert, um nun Investitionsvorhaben zu finanzieren. So erklärt sich ein Kurssprung von 14% in nur zwei Wochen. Ganz ähnlich sieht es bei Hypoport aus. Der Immobilienfinanzierer berichtet 24% Wachstum beim Transaktionsvolumen, das über die hauseigene Plattform abgewickelt wurde. Die Aktie ist um 21% angesprungen. Quasi im Kielwasser der beiden Finanzierer ist auch die Deutsche Pfandbriefbank als Finanzierer öffentlicher Kredite um 10% angesprungen, Q-Zahlen werden allerdings erst am 11.11. veröffentlicht. HOFFNUNG FÜR AUTOS DURCH RENAULT ANGEKRATZT Autoaktien sind seit der Teileinigung im Handelsstreit kräftig angestiegen: VW +9%, Daimler +7% und BMW +6%. Auch Zulieferer konnten profitieren: Dürr und Schäffler je +10%, Stabiles +6% und MS Industries +4%. Ein Teil der Gewinne wurde allerdings am Freitag wieder abgegeben, nachdem Renault schwache Umsatzzahlen für das abgelaufene Quartal in Aussicht stellte. Kaum eine andere Industrie hängt so stark am Tropf Chinas, daher dürfte die Teileinigung einen nachhaltig positiven Effekt auf die Autobauer haben. Renaults Zahlen sind vergangenheitsbezogen und haben maximal für einen kurzen Rücksetzer gesorgt. Negativer Ausreißer bei den Autowerten ist die VW-Ausgliederung Traton, die Mutter von MAN und Scania LKWs. Mit -10% wurden die Kursgewinne, die im Vorfeld der Aufnahme des Titels in den SDAX erzielt wurden, wieder abgegeben. Traton ist eine Dividendenaktie ohne erkennbares Wachstum und wird es daher schwer haben, den Kurs nachhaltig zu steigern. ROTATION UND REAKTION Woche für Woche habe ich ein besonderes Augenmerk auf die Aktien mit den größten Kursbewegungen. In den vergangenen zwei Wochen gab es eine ganze Reihe von großen Bewegungen, die ich hier gebündelt betrachten möchte. Dabei interessiert mich für eine allgemeine Markteinschätzung insbesondere, welche Aktien ohne besondere Ereignisse große Kursbewegungen hinlegen. Schauen wir uns jedoch zunächst einmal diejenigen Aktien an, die einen Grund für ihre Kursbewegung hatten: Die folgenden Unternehmen haben eine Prognoseanhebung bekannt gegeben und sind daher deutlich angesprungen: HelloFresh (+32%) und Drägerwerk (+30%). Im Gegenzug gab es Prognosesenkungen und entsprechend hohe Kurseinbrüche bei den folgenden Aktien: Hugo Boss (-26%), Klöckner (-8%), Wacker Neuson (-11%), INDUS Holding (-8%). Die verhältnismäßig größeren Kurssprünge nach oben lassen vermuten, dass Anleger auf negative Überraschungen besser vorbereitet waren als auf positive. United Internet ist um 9% angesprungen, nachdem Gründer und CEO Ralph Dommermuth Aktien für 1,5 Mio. Euro gekauft hat. Drillisch konnte im Kielwasser um 8% zulegen. Dommermuth scheint von der Frequenzvergabe für die 5G-Technologie begeistert zu sein, sonst würde er seine Unternehmen nicht nachkaufen. Sie wissen ja: Insider verkaufen Aktie aus allen möglichen Gründen: Hauskauf, Scheidung, Diversifizierung, ... aber kaufen tun sie nur aus einem Grund: Aus Überzeugung. Nordex führte eine erfolgreiche Kapitalerhöhung mit Ankeraktionär Acciona durch, die Aktie sprang um 13% an. Überraschende Vorstandswechsel führten bei Ceconomy (-13%) sowie auch bei Qiagen (-16%) zu einem Ausverkauf. Rheinmetall (-8%) wurde ausverkauft, weil ein Exportstopp für Rüstungsgüter in die Türkei, dem besten Kunden der vergangenen Jahre, droht. Südzucker (-13%) hat schwache Zahlen veröffentlicht. Und CorEstate Capital (-10%) geriet nach einem Jahreshoch ins Visier des aggressiven Shortsellers Muddy Waters, der eine Leerposition aufbaut. Anleger fürchten nun eine Short-Attacke gegen CorEstate und nehmen Gewinne mit. Soweit die nachvollziehbaren Kursbewegungen. Nun zu den Kursbewegungen ohne ersichtlichen Grund: Siltronic (+11%), Jungheinrich (+13%), Dt. Lufthansa (+9%), Deutsche Beteiligungs AG (+17%) und Cewe (+10%). Fällt Ihnen was auf? Ja, alles Kurssprünge nach oben. Rotation und nicht Reaktion. Hier rotieren Anleger in Werte, die von einem Konjunkturaufschwung profitieren würden. Schauen wir nun einmal auf die Wochenveränderung der wichtigsten Indizes: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (19.10.2019) Woche Δ Σ '19 Δ Dow Jones 26.770 -0,2% 16,1% DAX 12.634 1,0% 19,6% Nikkei 22.493 3,2% 12,4% Shanghai A 3.078 -1,2% 17,9% Euro/US-Dollar 1,12 1,3% -2,3% Euro/Yen 121,20 1,3% -4,0% 10-Jahres-US-Anleihe 1,75% -0,01 -0,99 Umlaufrendite Dt -0,39% 0,09 -0,49 Feinunze Gold $1.491 0,3% 16,4% Fass Brent Öl $59,06 -1,8% 13,1% Kupfer 5.750 0,4% -4,4% Baltic Dry Shipping 1.855 2,5% 45,9% Bitcoin 7.957 -4,3% 102,9% Mit +1% hat der DAX zwischenzeitlich den Dow Jones (-0,2%) in Sachen Jahresperformance (19,6% vs. 16,1%) abgehängt. Die Berichtssaison in Deutschland beginnt am Montag. Für meinen Geschmack sind das schon eine Menge Vorschusslorbeeren und die Brexit-Tragödie ist noch lange nicht vorbei. Der Euro ist diese Woche kräftig angestiegen. Daraus können wir folgern, dass auch eine Reihe internationaler Investoren US-Dollar in Euro getauscht haben, um in den DAX zu investieren. Die Sentimentanalyse im folgenden Kapitel wird vielleicht Aufschluss darüber geben, wer den Kursanstieg im DAX maßgeblich erzeugt hat: inländische oder ausländische Anleger. Während das Zinsniveau in den USA leicht rückläufig ist, setzt die Umlaufrendite ihren Anstieg weiter fort. Die Kritik von Jens Weidmann und einer Reihe von ehemaligen Noten- und EZB-Bänkern trägt offensichtlich Früchte. Der Ölpreis befindet sich weiter auf dem Rückzug: Der Drohnenanschlag in Saudi Arabien hat gezeigt, wie leicht es derzeit fällt, mehr Öl zu produzieren, um einen unvorhergesehenen Produktionsausfall zu kompensieren. Gleichzeitig hat die Klimaschutzbewegung Kurs auf fossile Energieträger genommen, die CO2-Steuer in Deutschland ist da nur ein erstes Signal an den Ölmarkt. Ich halte jegliche Investitionen in Aktien der Ölbranche derzeit für zu gefährlich. Öl ist die neue Kohle. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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