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Die amerikanische Notenbank hat diese Woche wie erwartet den US-Leitzins unverändert bei 0-0,25% belassen. Allerdings hat Chefin Janet Yellen versucht, in den anschließenden Kommentaren eine erste Zinserhöhung für die Dezember-Sitzung in Aussicht zu stellen, sofern es die Rahmenbedingungen zulassen.
Derweil trüben sich die Konjunkturdaten in den USA weiter ein. Der Aufschwung, den die USA in den vergangenen Jahren erlebte, zeigt die ersten Schwächeanfälle. Die niedrige Arbeitslosigkeit täuscht darüber hinweg, dass die Gehälter nicht steigen. Seit Jahren behaupten die US-Medien gebetsmühlenartig, dass die Lohnsteigerungen bald folgen würden. Doch auch nach sechs Jahren mit rückläufigen Arbeitslosenquoten steigen die Gehälter noch immer nicht. Ich hatte vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass der Technologieschub durch mobile Anwendungen in der Cloud die Automatisierung der Wirtschaft vorantreibt. Unternehmen, die Arbeitsabläufe automatisieren, verdienen sich eine goldene Nase. Arbeitskräfte werden jedoch zu billigen Fließbandarbeitern degradiert. Das ist nicht gesund und so langsam dringt diese Erkenntnis bei den Wirtschaftsfachleuten durch. Es zeigt sich nun, dass durch Liquiditätsflutung vielleicht Schlimmeres kurzfristig verhindert werden kann, doch strukturelle Probleme werden dadurch übertüncht und eben nicht angegangen. Die Wirtschaft gewöhnt sich an Problem- und Strukturlösungen durch immer mehr Liquidität. Es kommen so langsam Zweifel auf, ob die Fed nicht im September die einmalige Chance einer Zinserhöhung verpasst hat, denn wenn sich die Konjunktur in den USA weiter eintrübt, wird es auch im Dezember keine Zinserhöhung geben. Insbesondere die europäische Notenbank EZB ist durch die verschlafene Zinserhöhung der USA unter Zugzwang geraten. Der US-Dollar ist durch das anhaltend niedrige Zinsniveau wieder schwächer geworden, der Euro also stärker, und entsprechend musste die EZB gegensteuern. Die Aussagen von EZB-Chef Mario Draghi, gegebenenfalls die Liquiditätsflutung durch eine Verlängerung des umstrittenen Anleihekaufprogramms sowie durch eine weitere Absenkung des Zinsniveaus in den negativen Bereich auszuweiten, klingen da schon wie eine böse Vorahnung dessen was uns erwartet, wenn die Fed im Dezember erneut nicht den US-Leitzins anheben kann. Denn wie in den USA und auch in Japan suchen auch wir in Europa inzwischen die Lösung struktureller Probleme in noch mehr Liquidität. Sollte der Euro gegenüber dem US-Dollar anziehen, weil die Fed eben keine Leitzinsanhebung durchführt, dann wird man auch in Europa die Liquiditätsflutung ausweiten. Wir sind dem Szenario, das ich vor einigen Jahren schwarzmalerisch an die Wand projizierte, schon sehr nah: Der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik ist so schwer wie einen Drogenabhängigen von der Nadel zu kriegen. Die Liquiditätsschwemme geht weiter. Noch verharrt der Goldpreis auf niedrigem Niveau. Die Aktienmarktrallye kann weitergehen. Doch zu gegebener Zeit wird es sinnvoll sein, die Goldquote im Portfolio wieder etwas anzuheben. Ich hatte vor zwei Wochen versprochen, verstärkt Einzeltitel zu besprechen. Dieses Versprechen möchte ich heute einlösen. Daher ohne Umschweife meine Gedanken zu einer ganzen Reihe von Einzelunternehmen. MANZ: PROJEKTVERSCHIEBUNG IST NEUDEUTSCH FÜR ABSATZPROBLEME Manz hat diese Woche die Prognose reduziert. Dabei wurden Projektverschiebungen als Grund für die schwache Umsatz- und Gewinnentwicklung genannt. Zum Glück hatten wir Manz rechtzeitig verkauft, denn diese Projektverschiebungen hören wir nicht zum ersten Mal. Irgendwann müssten sich die aufgeschobenen Projekte geballt in exorbitante Kaufaufträge für Manz entladen, doch seit vielen Quartalen warten Anleger vergeblich darauf. Zugegeben: Manz hat die Bilanz in den vergangenen Jahren von den Altlasten der Solarbranche befreit und konnte zwei neue Geschäftsfelder entwickeln: Batterien und Smartphone-Gläser. Doch der Durchbruch insbesondere im Batteriegeschäft, das die Giga-Factory von Tesla in den USA bestücken soll, lässt auf sich warten. Die Produktionstechnologie ist fertig, doch die technologische Entwicklung geht weiter, und je länger die Aufträge auf sich warten lassen, desto älter wird die Technologie. Es werden neue Investitionen in die Weiterentwicklung nötig, ohne dass die zuvor entwickelte Technologie bereits nennenswerte Gewinne einfahren konnte. So war die Prognosesenkung von Manz der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Aktie brach über Nacht um 30% ein. Während sich Projekte seit vielen Quartalen immer weiter in die Zukunft verschieben, kommen keine neuen Projekte hinzu, anders als die Formulierung "Projektverschiebung" vermuten ließe. Im Maschinen- und Anlagebau sind solche Durststrecken sehr schmerzhaft und können sich länger hinziehen, als irgendein Anleger es befürchtet. Ich würde daher vorerst die Finger von dieser Aktie lassen, bis sich der Absatzmarkt von Manz wieder etwas berappelt. DEUTSCHE BANK: CRYAN FORDERT REKORDZAHLEN - JEDEN TAG! Da hatte die Deutsche Bank den Chef des Investment-Bankings Ashu Jain unter großen Zweifeln der deutschen Öffentlichkeit an die Konzernspitze geholt, um in alle Richtungen zu beteuern, er werde die harten Managementmethoden seiner Sparte nicht auf den gesamten Konzern ausweiten. Nun kommt mit John Cryan ein harter Brocken, der den Konzern mehr denn je auf Zielzahlen trimmen wird, Tag für Tag. Jain hatte sich gemeinsam mit Fitschen auf die politische Bühne begeben, um die unzähligen Verfehlungen der Deutschen Bank mit Reue und Beileidsbekenntnissen weich zu spülen. Diese Zeit ist nun vorbei, Cryan wird den Konzern wieder auf Gewinn und Wachstum trimmen. Die harte Kernkapitalquote (CET1) werde von 11,5% bis 2018 auf 12,5% gesteigert werden. Die Verschuldungsquote, nach diversen Konsolidierungen und Umstrukturierungen nur noch bei moderaten 3,6%, werde bis 2020 wieder auf 5% gesteigert. Zur Erreichung dieser Ziele können Aktionäre erstmal zwei Jahre lang auf eine Dividende verzichten. Natürlich hat er eine Reihe von Leichen aus dem Keller geholt, um die Messlatte für sein Regiment möglichst niedrig zu legen. Personalabbau, höhere Risikovorsorge sowie eine Beschleunigung bei der Umstrukturierung (bspw. Postbankverkauf) wurden angekündigt. Die Aktie ist nach dieser wenig überraschenden harten Gangart des neuen Co-Konzernchefs um 10% auf 25,30 Euro eingebrochen. Ich denke, das war's nun. Seit der Finanzkrise habe ich kontinuierlich vor den Finanztiteln gewarnt. Nicht nur die aufwändigen Gerichtsverfahren in gefühlt so ziemlich jedem Geschäftsbereich der Bank sowie die hohen Strafen machen der Bank zu schaffen, sondern auch das niedrige Zinsumfeld, in dem sich kaum Zinsgewinne aus langfristig ausgeliehenen Krediten zu kurzfristigen Refinanzierungen erzielen lassen. John Cryan hat ein Steckenpferd gefunden: Die Konzern-IT. Es gibt nach seiner Aussage unzählige Softwarelösungen für ein und dasselbe Problem im Konzern, das müsse nun besser gelöst werden. Grundsätzlich zielt er damit auch direkt auf den Bereich der FinTechs ab, junge Technologieunternehmen der Finanzbranche, die mit neuen Lösungen den Markt aufrollen. Es ist höchste Zeit, dass auch die etablierten Banken da eine Strategie entwickeln, die über die Finanzierung einzelner Start-Ups hinaus geht. Ich denke, John Cryan ist da auf dem richtigen Weg. Ist die Deutsche Bank damit ein Kauf? Nun, meiner Einschätzung nach gibt es keinen Grund zur Hast. Der eingeschlagene Weg ist in meinen Augen erfolgsversprechend und wer einen langen Atem hat, der kann jetzt eine Position in der Deutschen Bank eröffnen. Es wird jedoch ein steiniger Weg, viele Altlasten werden immer wieder zu Rückschlägen führen. Ich bevorzuge daher andere Unternehmen aus dem Finanzbereich. DEUTSCHE POST: IT-PROBLEME WERDEN NACHHALTIG BELASTEN Sie kennen mich und wissen daher, wie wichtig ich die IT für Unternehmen nehme. Die Deutsche Post hat diese Woche bekanntgegeben, dass die Umstellung bei DHL auf neue IT-Systeme von IBM und SAP nicht wie geplant lief und daher zurückgedreht wird, Regressansprüche an IBM und SAP würden geprüft. Eine neue Lösung müsse entwickelt werden, was mehrere Jahre in Anspruch nehmen könne. In einer Welt, in der die IT eines Konzerns erfolgsentscheidend ist, kann ein solches Problem existenzgefährdend sein. UPS und FedEx sind aber glücklicherweise nicht viel besser, auch dort laufen die Umstellungen auf effizientere IT-Systeme seit Jahren sehr ruckelig. Es bleibt also zu hoffen, dass DHL dadurch lediglich einen beabsichtigten Vorsprung verspielt, nicht aber ins Hintertreffen gerät. DHL ist das Wachstumspferd der Deutschen Post. Insbesondere vor dem Weihnachtsgeschäft wird sich wieder sehr viel um diese Logistiksparte drehen. Amazon testet in den USA bereits Lieferungen am selben Tag. Auch Zalando hat hier in Deutschland eine Lieferung am gleichen Tag angekündigt, wenn man bis 15 Uhr bestellt. Das ist dann für DHL nicht eine Frage der PS unter der Haube der Lieferfahrzeuge, sondern der PS in der logistischen Lieferkette. Und da hakt es. Ein KGV 2016e von 15 bei 6% Gewinnwachstum ist nur deswegen okay, weil eine attraktive Dividendenrendite von 3,3% winkt. Ich sehe die IT-Probleme kurzfristig nicht als dramatisch an, doch ich würde mit einem Investment warten, bis sich hier eine Lösung abzeichnet. Wer die Aktie schon hat sollte diese Geschichte im Auge behalten. STARBUCKS: ECHTZEITINFO AUF'S SMARTPHONE Ganz anders Starbucks. Der Konzern hat seine IT im Griff und setzt damit neue Standards. Über eine App kann der Kaffee schon im Vorfeld bestellt werden, es gibt sodann genaue Infos, wann der Kaffee für den Kunden bereit steht. Wartezeiten gehören damit der Vergangenheit an. Kunden werden es danken, da es weniger Schlangen gibt. Doch auch Starbucks profitiert, da auf diese Weise mehr Kaffees verkauft werden können. Es ist eine gigantische Entwicklung, die CEO Howard Schulz da angestoßen hat. Mag sein, dass der eine oder andere die Notwendigkeit solcher Systeme noch nicht sieht. Doch so wie ich die technikverliebte Jugend einschätze wird sich dieser Service sehr schnell durchsetzen. DIALOG SEMICONDUCTOR: APPLE ODER NICHT APPLE, DAS IST DIE FRAGE Doppeltes Pech hatte Dialog Semiconductor. Am Montag früh ging versehentlich eine Meldung verfrüht an einen kleinen Adressatenkreis (Börsenhändler) heraus, die eigentlich erst im weiteren Wochenverlauf veröffentlicht werden sollte. Und der Inhalt war alles andere als schön: Der Quartalsumsatz bliebt mit 330 Mio. USD hinter den prognostizierten 325-355 Mio. USD zurück, der Gewinn wuchs um nur 68% auf 43 Mio. USD. Händler konnten sich also schon vor dem "normalen" Anleger von den Aktien trennen. Allein eine solche Kommunikationspanne sorgt dafür, dass eine Reihe von institutionellen Anlegern diesem Unternehmen das Vertrauen entziehen und sich davon trennen. Doch die wirklich wichtige Frage ist, warum der Umsatz so schwach ausfiel während doch gleichzeitig Apple gute Zahlen ablieferte. Entweder Apple baut inzwischen parallel auf einen zweiten Zulieferer für das Powermanagement der iPhone-Chips, oder aber andere Geschäftsteile von Dialog Semi haben Probleme. Da ich nichts darüber gehört habe, dass Apple einen zweiten Zulieferer an Land gezogen hat, muss ich bis auf weiteres davon ausgehen, dass das Geschäft mit Nicht-Apple-Kunden schwach ausgefallen ist. Das passt auch in mein aktuelles Marktbild. Zudem möchte Dialog Semi derzeit ja Atmel kaufen, um sich vom Apple-Geschäft zu diversifizieren. Rund 80% des Dialog-Umsatzes werden mit Apple erzielt. Das Unternehmen steht und fällt also mit dem Erfolg des iPhones. Eine Diversifizierung ist schon lange notwendig, durch den Kauf von Atmel könnte das gelingen. Doch wenn, wie die Zahlen dieser Woche zeigen, das Geschäft mit Nicht-Apple-Kunden ohnehin nicht rund läuft, weil dort das gewünschte Wachstum nicht erbracht wird, warum dann mit Atmel ein langsamer wachsendes Geschäft an Bord holen, dürften sich viele Anleger in Folge der schwachen Zahlen gefragt haben. In den vergangenen Quartalen waren die Erwartungen in den Himmel gewachsen, und ich halte die nunmehr enttäuschenden Zahlen für eine heilsame Rückkehr zur Vernunft. Ich fürchte bislang nicht, dass Apple Dialog Semi den Rücken kehrt. Entsprechend ist der Ausverkauf dieser Woche eine Kaufgelegenheit in meinen Augen. Soweit ein paar Unternehmenseinschätzungen. Schauen wir uns einmal an, wie sich im Wochenverlauf die wichtigsten Indizes entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (29.10.2015) | Woche Δ Dow Jones: 17.756 | 0,6% DAX: 10.801 | 0,1% Nikkei: 19.083 | 1,4% Euro/US-Dollar: 1,10 | -0,1% Euro/Yen: 132,73 | -0,8% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,17% | 0,09 Umlaufrendite Dt: 0,36% | -0,07 Feinunze Gold: $1.147 | -1,5% Fass Brent Öl: $49,14 | 2,2% Kupfer: 5.111 | -1,3% Baltic Dry Shipping: 728 | -5,9% Nach der fulminanten Rallye vor einer Woche hat sich der DAX in dieser Woche seitwärts bewegt (+0,1%). Dow Jones (+0,6%) und Nikkei (+1,4%) hatten die Rallye der Vorwoche nur halbherzig mitgemacht und machten diese Woche etwas verlorenen Boden gut. Obwohl nach Markterwartung die Wahrscheinlichkeit einer Zinsanhebung im Dezember durch die US-Notenbank gestiegen ist, konnten sich die Aktienmärkte weiter erholen. Das spricht für meine Sichtweise, denn ich halte eine Zinserhöhung für ein Signal, dass die Wirtschaft gesundet ist, und das würde die Aktienmärkte beflügeln. Bleibt die Zinserhöhung im Dezember aus, so könnten die Aktienmärkte aufgrund der anhaltenden Liquiditätsflutung ebenfalls jubeln. Während die Fed also noch vor wenigen Wochen die Wahl zwischen Pest und Cholera hatte, kann sie heute zwischen zwei positiven Szenarien wählen. Der Euro hat sich gegenüber dem US-Dollar weiter abgeschwächt (-0,1%), auch der japanische Yen verlor (-0,8%). Die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer ersten Zinsanhebung im Dezember spiegelt sich also auch auf den Währungsmärkten entsprechend wider. Der Ölpreis ist diese Woche zunächst kräftig eingebrochen, fing sich jedoch bei der von mir seit Monaten genannten kritischen Marke von 43 USD/Fass WTI und vollzog im weiteren Wochenverlauf sogar eine kleine Rallye auf 46 USD/Fass WTI. Täglich lese ich Meldungen über aufgegebene Ölbohrprojekte (Royal Dutch Shell), über abgelehnte Fracking-Projekte (Halliburton) in den USA oder schlicht über die Einstellung der Förderung (Chevron). Die Saudis pumpen was das Zeug hält, um das amerikanische Überangebot zurückzudrängen. Und so langsam hat diese Strategie Erfolg. Es ist natürlich ein heißer Ritt zwischen Überangebot, gepaart mit erschöpften Speicherkapazitäten, die zum Wochenbeginn die Runde machten, bei gleichzeitig schwacher weltweiter Konjunkturentwicklung auf der einen Seite und Kapazitätsdrosselung bei eventuell sich erholender weltweiter Konjunktur auf der anderen Seite. Da wundern die heftigen Schwankungen im Ölpreis nicht. Doch es scheint sich eine Handelsspanne zwischen 43 und 50 USD/Fass WTI bis auf weiteres herausgebildet zu haben. Wir haben eine Ölaktie mit hoher Dividende in unserem Portfolio. Die Position ist leider im Minus, doch ich gehe davon aus, dass wir den Boden bereits im August gesehen haben. Der Baltic Dry zeigt weiterhin die schwache Import/Export-Tätigkeit Chinas auf. Wir wissen von Apple, Nike und Starbucks, dass der Konsument in China aktiv einkauft, was im Sinne der chinesischen Regierung ist. Also kein Grund zur Panik. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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