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Drei von fünf Anlegerängsten wurden in den vergangenen 10 Tagen aus der Welt geschafft – oder zumindest vorerst aus dem Blickfeld geschoben: Ölpreis, Griechenland und Japan. Ich hatte ursprünglich von vier Faktoren gesprochen, die ich als Voraussetzung für eine Rallye sehe, doch einen vom Ölpreis abgeleiteten Faktor möchte ich separat betrachten.
Über den Ölpreis habe ich in der vorigen Ausgabe ausführlich geschrieben. Zum Ende des ersten Halbjahres wurde der Preis nochmals nach oben gedrückt, und es beginnt nun offensichtlich doch ein Kräftemessen zwischen den 20 IEA-Staaten und den Spekulanten. Noch besteht die Möglichkeit, dass gerade zum Halbjahresende besonders viele Spekulanten einen hohen Ölpreis „herbeispekulierten“, doch weiterhin müssen wir wohl ein Auge auf den Ölpreis haben. In der abgelaufenen Woche ist er wieder um 3,2% angestiegen. Der 2. Akt des Griechenlanddramas endet mit einem Happy End. Wir wissen noch nicht, wann der dritte Akt beginnt, noch wie er ausgehen wird. Doch vorerst sind Europa und der Euro gerettet. Auch über Griechenland habe ich unlängst ausführlich geschrieben. Die dreifache Katastrophe, von der Japan im März heimgesucht wurde, hat wesentlich stärker auf die Weltwirtschaft geschlagen, als dies zunächst von den meisten Marktteilnehmern erkannt wurde. Japan hat im März, April und Mai praktisch aufgehört, zu funktionieren. Sowohl als Importeur vieler Rohstoffe und Endprodukte fiel das Land weg, als auch als Exporteur vieler Zulieferteile für die Auto- und Technologiebranchen dieser Erde. Insbesondere die US-Automobilbranche war eng mit den japanischen Zulieferern verzahnt, und so überraschten rückläufige Absatzzahlen von GM und Ford im Frühjahr, während die deutschen Hersteller VM, BMW und Daimler Absatzrekorde vermeldeten. Offensichtlich haben die deutschen Autobauer kaum kritische Teile aus Japan beschafft bzw. konnten Ausfälle relativ schnell durch andere Zulieferer ausgleichen lassen. Das Beispiel, das in der Finanzwelt die Runde machte, war eine ganz besondere Farbe, die nur ein Hersteller in Japan herstellen kann und die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften besonders teuer aber auch beliebt war. Diese Farbe konnte nun einige Monate nicht geliefert werden, die Lager sind leer. Nun, um ehrlich zu sein, die Autos fahren nun auch mit anderen Farben ähnlich gut. Bei dieser Farbe handelte es sich also nicht um ein kritisches Zulieferteil. In den Konjunkturaufschwung hinein fiel also ein weitgehender Produktionsausfall der Autoindustrie Japans. So belaufen sich die Lieferzeiten für einen Audi A4 derzeit beispielsweise auf über 6 Monate. Wer hätte das gedacht: Vor zwei Jahren standen die Fahrzeuge noch auf Halde, heute muss man 6 Monate warten. Wie stark Japan von den Katastrophen getroffen wurde, zeigen nicht nur die Erfolge ausländischer Wettbewerber, sondern auch die Misserfolge japanischer Unternehmen: Toyota droht eine Herabstufung der Bewertung durch die Ratingagenturen, nachdem der Gewinn fast völlig weggebrochen ist, die Umsätze absacken und zusätzliche Rückrufaktionen finanziert werden müssen. Panasonic hat gestern einen Gewinneinbruch von 59% vermeldet. Sony, Honda und viele weitere japanische Unternehmen kämpfen mit ähnlichen Problemen. Diese Woche jedoch sind erstmals Zeichen der Besserung veröffentlicht worden. Während die Stimmung unter den Einkaufsmanagern (PMI) noch extrem schlecht ist (-9 bedeutet großer Pessimismus), sind bereits erste Erfolge zu erkennen. Die Investitionstätigkeit der japanischen Unternehmen ist wieder über das Vor-Katastrophenniveau angestiegen. Es häufen sich die Meldungen von Unternehmen, die in großem Stil Personal aufbauen wollen, um die erlittenen Verluste aufzuholen. Schon für die zweite Jahreshälfte prognostizieren die Japaner einen deutlichen Gewinnsprung gegenüber den vergangenen Monaten. Nachdem die Wirtschaft Japans im ersten Quartal um 3% zurück- ging und für das zweite Quartal ein ähnlicher Wert erwartet wird, sollte aktuellen Schätzungen zufolge am Ende des Jahres aufgrund des Aufschwungs in der zweiten Jahreshälfte ein Wert von -1% übrig bleiben. Nach einem Katastrophen-Paket von etwa 15 Mrd. Euro zum Wiederaufbau im Mai sollen nun nochmals rund 8 Mrd. Euro nachgeschoben werden, um den Wiederaufbau zu unterstützen. An der Börse schaut man sehr weit in die Zukunft. Die Meldungen aus Japan sind zwar noch nicht gut, aber es werden nun endlich die Entwicklungen gesehen, die für einen zügigen Wiederaufbau als Voraussetzung betrachtet werden. Man ist sich einig, dass eine Katastrophe, und selbst wenn sie so verheerend ist wie das Beben, die Flutwelle und Atomkatastrophe in Japan, die grundsätzliche Richtung der Wirtschaft nicht in Frage stellen kann. Es handelt sich um einen - wenn auch großen – Stolperstein, und der langfristige Wachstumspfad wird in zwei bis drei Jahren wieder erreicht sein. So die Erfahrung aus früheren Katastrophen. Die Frage war nur, wie lange Japan „offline“ bleibt. Wie lange wird das Land brauchen, um den Wiederaufbau anzukurbeln. Ging man zunächst von wenigen Tagen bis Wochen aus, so erstreckte sich die Ausfallzeit nun bereits über 3 Monate. Doch nun ist der Startschuss gefallen, und an den Finanzmärkten wird man nun erwartungsfroh den nächsten Konjunkturdaten aus Japan entgegensehen. Wochenperformance der wichtigsten Indizes INDIZES (30.06.2011) Dow Jones: 12.414 | 3,0% DAX: 7.376 | 3,2% Nikkei: 9.868 | 2,3% Euro/US-Dollar: 1,449 | 1,6% Euro/Yen: 116,95 | 1,9% 10-Jahre-US-Anleihe: 3,14% | 0,2 Umlaufrendite Dt: 2,70% | 0,0 Feinunze Gold USD: 1.488 | -2,2% Fass Crude Öl USD: 94,27 | 3,2% Kupfer in US$/to: 9.405 | 4,7% Baltic Dry Shipping: 1.413 | 0,0% Der rückläufige Ölpreis sowie Griechenland und Japan haben zu Euphorie an den Märkten geführt. Diese Euphorie fiel nun mit dem Quartalsende zusammen, und so dürften einige short positionierte Spekulanten schnell noch reinen Tisch gemacht haben (Deckungskäufe), um der aufgehellten Stimmung Rechnung zu tragen. Die Kursanstiege dieser Woche waren also durch das Monatsende verstärkt worden. Die Angst sinkt, entsprechend sinkt auch die Nachfrage nach dem sicheren Hafen Gold. Der Goldpreis ist einer der wenigen Indizes mit einem Minus in dieser Woche. Doch es gibt noch weitere rückläufige Rohstoffe. Das Kupfer als Wirtschaftsindikator Nummer eins steigt wieder. Hier spielt wohl auch der gestiegene Optimismus mit hinein. Schauen wir uns mal die Stimmungsentwicklung an: Sentimentdaten Analysten Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 10.06.- 17.06. (225): 58% / 11% 17.06.- 24.06. (242): 60% / 9% 24.06.- 01.07. (323): 58% / 7% Kaufempfehlungen der Analysten Siemens, Glencore Intl., EADS Verkaufempfehlungen der Analysten Vestas Wind, Verbund, Belgacom Privatanleger 24. KW: 63% Bullen (140 Stimmen) 25. KW: 58% Bullen (185 Stimmen) 26. KW: 61% Bullen (169 Stimmen) Kaufempfehlungen der Privatanleger Commerzbank, Archos S.A., Nokia Verkaufempfehlungen der Privatanleger Lagardere Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Na, die Stimmung spiegelt die jüngsten Entwicklungen gar nicht wider. Komisch. Entweder den Anlegern sind die positiven Entwicklungen entgangen, oder aber der DAX bewegt sich auf einem so hohen Niveau, dass die jüngsten positiven Entwicklungen die Erwartungen gerade einmal bestätigt haben und nun bald Gewinne mitgenommen werden. Ich halte erstere Option für wahrscheinlicher. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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