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Nur 3% unter seinem Allzeithoch notiert der Dow Jones derzeit. Beim DAX sind es nur 1,5%. Die Probleme der vergangenen Monate (Ukraine-Krise, Grexit, Deflation oder Geldflutung in der EU, Euro-Verfall, Ölpreisverfall, ...) sind aus den Schlagzeilen verschwunden. Wenn nicht jetzt, wann dann, sagen sich einige Investoren und bringen ihre Zöglinge an die Börse bzw. schmeißen ihre Zweitplatzierungen auf den Markt.
Wir erinnern uns: Vor genau einem Jahr war es die Flut an Cloud-IPOs, die der Börsenrallye ein vorläufiges Ende setzte. In den vergangenen 10 Tagen habe ich 10 Biotech-IPOs in den USA gezählt. Unsere Biotech-Aktie im Heibel-Ticker Portfolio hat sich seit ihrer Aufnahme vor einem Jahr fast verdreifacht. Seit Mitte März, seit die Biotech-IPOs konkretisiert wurden, befindet sich die Aktie auf dem Rückzug. Bislang hat sie 18% abgegeben. Wir warten noch ein wenig ab, bevor wir nachkaufen. Sämtliche Biotech-Aktien befinden sich auf dem Rückzug. Die vier führenden Biotech-Konzerne, Biogen Idec, Regeneron, Gilead und Celgene, haben kräftig Federn gelassen. Auch die deutschen Vertreter Evotec und MorphoSys sind vor dem Hintergrund von durchwachsenen Meldungen unter Druck geraten. Junge Biotech- und Pharmaaktien wie Biomarin und ParmaceuticsMD haben ihre kürzlich aufgrund von positiven Meldungen erzielten Kursgewinne wieder abgegeben. Sie kennen meine Einschätzung: Wir haben es hier mit den Pharmakonzernen von morgen zu tun. Wer auf eine günstige Kaufgelegenheit wartete, der sollte meiner Einschätzung nach in den kommenden Wochen zugreifen. Ähnlich sieht es beim neuen Lieblingskind der Wallstreet aus, dem Internet der Dinge. Bislang tun sich Hardwareanbieter hervor, die für eine Anbindung der unterschiedlichsten Geräte ans Internet sorgen. So hat die ehemalige Philips-Tochter NXP Semi kürzlich für 11,8 Mrd. USD den Automobilzulieferer Freescale gekauft und schuf damit einen Konzern, der die Automobilproduktion mit weitreichenden Lösungen für die Instandhaltung beglücken kann. Qorvo, Avago, Skyworks Solutions und Spansion sind weitere Halbleiterunternehmen, die kleinste Chips mit Internetanbindung für unterschiedliche Anwendungen und Geräte entwickeln. Die Aktien befinden sich im Rallye-Modus, bis gestern GoDaddy an die Börse ging. GoDaddy ist ein Internet-Registrar, Sie können dort Ihre Internetdomain registrieren und hosten. Seit 12 Jahren erwirtschaftet das Unternehmen Verluste. Doch durch teure Werbespots im Rahmen der Football Play-Offs in den USA hat sich GoDaddy einen Namen gemacht, und viele Investoren wollen diese Aktie nun im Portfolio haben. Dafür wird Geld genommen, das vor wenigen Wochen noch in die oben genannten Aktien des Internets der Dinge geflossen sind. Burlington Stores hat Anfang der Woche mal kurz nebenbei Aktien für 700 Mio. USD auf den Markt geworfen. Großinvestor Bain wollte sich von seinen Anteilen trennen. Für den Einzelhändler Burlington ändert sich durch diese Transaktion nichts, es fließt kein Geld in die eigene Bilanz sondern nur in die Bilanz von Bain. Am Markt hat dieses plötzliche Angebot jedoch das Geld aufgesogen, das andernfalls in Wal-Markt, Target oder Ralph Lauren geflossen wäre. Der Einzelhandel ist derzeit das Rückgrat der USA, die unter dem starken US-Dollar leiden. Die gute wirtschaftliche Situation der USA äußert sich in einem gesunden Konsum, Aktien von Einzelhändlern waren in den vergangenen Monaten sehr gefragt. Das endete nun durch diese große Zweitplatzierung. Der Dow Jones steht um -1,6% unter seinem Niveau vom Jahreswechsel. Der DAX hingegen hat um +22,4% zugelegt. In den USA warten Anleger angstvoll auf die ersten Zinserhöhung der US-Notenbank, in Europa flutet EZB-Chef Mario Draghi die Märkte mindestens bis Ende 2016 mit monatlich 60 Mrd. Euro. In den USA wird zusätzlich durch Börsengänge und Aktienzweitplatzierungen Liquidität aus dem Markt genommen, in Deutschland ist davon nicht viel zu sehen. Der Wechselkurs steht bei 1,08 USD/EUR und damit zugunsten Europas unterhalb der Kaufkraftparität bei etwa 1,15 USD/EUR. Es gibt also durchaus Gründe, die für eine anhaltend bessere Performance des DAX sprechen. Dennoch halte ich die oben aufgezählten Bereiche für Wachstumsbereiche, die in einer eventuellen Korrektur in den USA in den kommenden Wochen und Monaten eingesammelt werden können. Denn diese Wachstumsunternehmen sind unabhängig vom Zinsniveau sowie vom Wechselkurs. es handelt sich um nachhaltige Wachstumsbranchen, bei denen man auf Rücksetzer hoffen muss, um Kaufgelegenheiten zu bekommen. Schauen wir uns einmal die Entwicklung der wichtigsten Indizes im Wochenvergleich an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (01.04.2015) | Woche Δ Dow Jones: 17.698 | 0,1% DAX: 12.001 | 1,3% Nikkei: 19.313 | 0,1% Euro/US-Dollar: 1,08 | -0,1% Euro/Yen: 129,36 | 0,1% 10-Jahres-US-Anleihe: 1,87% | -0,14 Umlaufrendite Dt: 0,15% | 0,00 Feinunze Gold: $1.201 | 0,2% Fass Brent Öl: $57,09 | -2,6% Kupfer: 6.007 | -2,2% Baltic Dry Shipping: 596 | -0,3% Der DAX ist diese Woche um 1,3% angestiegen. Damit konnte er sich einmal mehr vom Börsentrend der USA abkoppeln. Als wesentlichen Grund für die gute Wochenperformance habe ich den Wechselkurs ausgemacht: Prognostizierten vor einer Woche noch viele Marktteilnehmer ein Überspringen der 1,10 USD/EUR-Marke und damit ein Ende des Euro-Verfalls, so hat sich diese Prognose inzwischen als falsch herausgestellt, der Euro hat seine Gegenbewegung beendet und schaut nun wieder in Richtung Süden. Der schwache Euro ist einer der Hauptgründe, warum insbesondere internationale Anleger die deutsche Exportwirtschaft kaufen, die sie im DAX und MDAX repräsentiert sehen. Die von mir genannte Unterstützung des Öls (WTI) bei 43 USD/Fass hat nun mehrfach gehalten. Der von einigen Beobachtern prognostizierte Anstieg in Richtung 70 USD/Fass findet jedoch ebenfalls nicht statt, bei 55 USD/Fass ist Schluss. Ich gehe davon aus, dass wir diese Handelsspanne in den kommenden Monaten nicht verlassen werden. Schon die Stabilisierung des Ölpreises auf diesem Niveau reicht aus, um vielen Ölförderern die Möglichkeit der Refinanzierung zu geben. Die befürchtete Pleitewelle wird ausbleiben, das hohe Angebot an Öl wird den Preis deckeln, bis das weltweite Konjunkturwachstum die derzeit rund 2% zuviel geförderte Menge abschöpft. Berichten zufolge hat die EZB Probleme, die 60 Mrd. USD Anleihekäufe pro Monat umzusetzen, da kaum ausreichend qualifizierte Papiere verfügbar sind. Ich gehe daher davon aus, dass das aktuell extrem niedrige Zinsniveau bei 0,15% (Umlaufrendite) noch eine Weile so niedrig bleiben wird oder im Zweifel sogar noch weiter sinken könnte. Das Programm ist in meinen Augen falsch, das habe ich oft genug gesagt, doch wir haben uns damit abgefunden. Interessant finde ich, dass nunmehr wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht werden, die einen Zusammenhang des Zinsniveaus mit einer Deflation widerlegen. Zudem sei diesen Studien zufolge eine Deflation nicht so schädlich wie bislang angenommen. Die Deflation der 1930er-Jahre, die als "Große Depression" in die Geschichtsbücher einging, enthielt noch eine Reihe weiterer Faktoren, die heute nicht vorhanden sind. Es wird in diesen Studien unterschieden, ob sich die Preise der Vermögen (Aktien, Häuser, ...) rückläufig entwickeln, das ist schädlich, oder aber die Preise der Einsatzstoffe für die Industrie. Letzteres ist sogar vorteilhaft für die wirtschaftliche Entwicklung. Und wie Sie wissen ist ein Großteil der aktuellen Deflation auf den Ölpreiseinbruch zurückzuführen und somit eine sogenannte "gute" Deflation (http://blogs.faz.net/fazit/2015/03/...lation-2-5576/). Ups, nun bin ich am Ende des Kapitels angelangt und habe noch gar nichts über Griechenland oder die Ukraine geschrieben. Tja, wie gesagt, die Themen sind derzeit aus den Schlagzeilen verschwunden. Ich bin gespannt, ob die sich beiderorts wieder einmal zuspitzende Situation in den kommenden Wochen wieder stärkere Beachtung finden wird. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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