Alt 04.03.07, 22:44
Standard So tickt die Börse: Heftige Verluste an allen Aktienbörsen
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Die abgelaufene Börsenwoche geizt nicht mit Superlativen: Seit März 2003, dem Einmarsch der USA im Irak, gab es keinen Tag mehr, an dem die Börsenindizes der großen Börsen um mehr als 3 % eingebrochen sind. Nicht einmal die Korrektur im vergangenen Frühjahr enthielt solche Paniktage.

Dabei sind solche Tage grundsätzlich nichts Besonderes an den Börsen. Über mehrere Jahrzehnte gesehen gibt es durchschnittlich zwei davon in jedem Jahr. In den Jahren 1998 bis 2003 gab es sogar bis zu fünf solcher Tage im Jahr. Mit der Zunahme der Volatilität an den Börsen häuften sich auch Tage, an denen kräftige, meist durch Softwareprogramme initiierte Korrekturen die Indizes um über 3 % in den Keller schickten.

Seither nicht mehr. Seither kennt die Börse nur eine Richtung: Aufwärts! Dabei sind solche Korrekturen für disziplinierte Anleger der einzige Zeitpunkt, um in einem steigenden Markt noch zu kaufen. Niemand kauft gerne zu Höchstkursen, man wartet auf eine Korrektur oder Konsolidierung. Da diese in den vergangenen vier Jahren jedoch ausblieb, wurden die Anleger zuletzt aggressiver und kauften zu jedem Preis.

Der Crash vom vergangenen Dienstag, ich nenne diesen weltweiten Einbruch um über 3 % „Börsencrash", kam für die Leser des Heibel-Ticker PLUS nicht überraschend. Über die Gründe hatte ich gerade vergangenen Freitag ausführlich berichtet: Die Auflösung der Carry-Trades. Glauben Sie nicht das Märchen, das Ihnen in den Massenmedien verkauft wird: Die 8,8 % Korrektur in China habe weltweit zu Panik geführt. Der wahre Auslöser des Crashs war die jüngste Leitzinserhöhung durch die Bank of Japan (BoJ) um 0,25 % auf 0,5 %.

Das Wochenergebnis können Sie im folgenden Überblick betrachten:

2.3.07 / Änd.

Dow Jones: 12.114 / -4,51%
Nasdaq: 2.368 / -6,22%
S&P 500: 1.387 / -4,76%
DAX: 6.603 / -5,32%
Nikkei: 17.217 / -5,34%
Euro/US-Dollar: 1,3191 / 0,50%
Euro/Yen: 154,07 / -3,26%
10-Jahre US-Anleihe: 4,52% / -4,55%
Umlaufrendite Dt: 3,95% / -2,95%
Feinunze Gold USD: 642,24 / -5,17%
Faß Crude Öl USD: 61,64 / 0,93%


Über eine Billionen US-Dollar sind derzeit in Carry-Trades engagiert. Eine Spekulation, die überwiegend von Hedgefonds eingegangen wurde und deren Popularität zur selbsterfüllenden Prophezeiung wurde.

Es wurden Kredite in der schwachen Währung Japans aufgenommen und in höherverzinsliche Anleihen von Ländern mit einer festen Währung angelegt. Der Euro hat unter anderem davon profitiert, aber auch der US-Dollar.

Auf die damit erzielten Gewinne wurden weitere Kredite in Japan aufgenommen. Das Kreditvolumen mußte jedoch nur zu einem geringen Teil besichert werden, so daß die neu aufgenommenen Kredite stets ein Vielfaches der Barreserven betrugen.

Mit zunehmendem Erfolg wurden die Carry-Trader immer selbstbewußter und steckten die Kreditsummen schließlich auch in Aktien, die einen höheren Gewinn versprachen, als Anleihen. Schließlich wurden sogar Aktien aus Schwellenländern (BRICs) gekauft.

Die Zinserhöhung in Japan initiierte die Auflösung dieser Spekulationen. Da die Kredite in Japan nun teurer werden, müssen sie zurückgeführt werden. Als erstes werden natürlich die riskanteren Positionen aufgelöst, um damit die Kredite abzulösen. Zu den riskantesten Positionen gehören die Aktien von Schwellenländern. Somit ist es nicht sonderlich überraschend, daß der Aktienmarkt in China am vergangenen Dienstag um 8,8 % einbrach. Nach 130 % Kursplus im Jahr 2006 ist die chinesische Börse für Rückschläge am anfälligsten.

Obiger Tabelle können Sie entnehmen, daß auch an allen anderen Aktienmärkten verkauft wurde. Mit Kursrückschlägen zwischen 4,5 % bis 6,2 % hat es alle Märkte gleichermaßen getroffen.

Die bei den Verkäufen frei gewordenen Gelder flossen zum einen in die sicheren Häfen wie die festverzinslichen Anleihen in den USA und in Europa und zum anderen in die Rückführung der japanischen Kredite.

Ersteres können Sie an den gefallenen Renditen der US- und EU-Anleihen erkennen. Die US-Anleihenrendite gab um 4,55 %, die Umlaufrendite in Deutschland um 2,95 % nach. Zur Erinnerung: Wenn Anleihen stärker nachgefragt werden, dann steigt der Preis der Anleihe. Wenn der Nennwert von 100 Euro einer Anleihe zuvor mit einem festen Zins verzinst wurde, Sie nun aber 102 Euro statt 100 Euro für dieses Papier zahlen müssen, dann sinkt die Rendite des Papiers. Die gefallene Umlaufrendite ist also ein Zeichen für die starke Nachfrage nach festverzinslichen Papieren.

Die Rückführung der japanischen Kredite können Sie am angestiegenen japanischen Yen ablesen. Innerhalb von nur einer Woche hat der Yen 3,26 % gegenüber dem Euro zugelegt. Für Wechselkursschwankungen, bei denen 1 % Kursunterschied schon maßgebliche Auswirkungen auf die jeweiligen Volkswirtschaften haben, ist dieser Yen-Anstieg sehr bemerkenswert.

Genau dieses hatte ich Ihnen vergangene Woche mit Hilfe des Big Mac Indikators angekündigt: Der Yen war viel zu billig.

SCHWEIZ

Übrigens: Da ich diese Woche einige Termine in der Schweiz wahrnahm, ist mir der Schweizer Franken aufgefallen. In der Schweiz ist das Zinsniveau ebenfalls sehr niedrig gewesen und, wen wundert's, die Fränklis sind seit 2003 gegenüber dem Euro um 10 % gefallen. Nicht etwa die schwache Konjunktur der Schweizer hat der Währung zugesetzt, sondern auch hier war eine exzessive Nutzung des Carry-Trades zu beobachten. Seit dem Sommer 2004 wurde alle drei Monate in Schritten von 0,25 % das Schweizer Zinsniveau (unterer Rand des Zielkorridors) von 0 % auf nunmehr 1,5 % angehoben – ein noch immer extrem günstiges Niveau.

Auch die Schweizer Carry Trades werden nun aufgelöst, die entsprechenden Gelder fließen in die Schweiz zurück und entsprechend legte der Schweizer Franken in der abgelaufenen Woche um 1,2 % zu.

Aktienkurse steigen und fallen immer mehr in Abhängigkeit von den verfügbaren liquiden Mitteln. Das Bewertungsniveau von Unternehmen ist ein wichtiger, aber bei weitem nicht der einzige Indikator. Derzeit wird dem weltweiten Finanzsystem Geld entzogen und dieses Geld fehlt als erstes beim Kauf von spekulativen Investments, also Aktien.

ROHSTOFFE, GOLD

An den Rohstoffmärkten hat lediglich der Preis der Edelmetalle Gold, Silber und Platin den Ausverkauf der Aktienbörsen wiedergespiegelt. Energiewerte wie Öl und Gas oder auch die anderen Industriemetalle blieben vom Ausverkauf der Aktienbörsen weitestgehend verschont.

Als Grund dafür habe ich nur eine mögliche Erklärung: Gold wird von vielen inzwischen als Bargeldersatz angesehen. Insbesondere institutionelle Anleger haben in den vergangenen Monaten verstärkt in Gold-ETFs investiert, statt ihre Barreserven in US-Dollar oder Euro zu halten. Sowohl die Rückkäufe von Carry Trade Krediten, als auch die Auszahlungen an nervöse Fondsanleger, die ihre Fondsanteile lieber abzogen, wurden teilweise mit der Liquidation von Goldbeständen bzw. Gold-Zertifikaten und –ETFs finanziert. Der Goldpreis ist dementsprechend stark gefallen, das Wochenminus von 5,17 % entspricht dem Verlust der Aktienbörsen.

Einzelne Unternehmensergebnisse blieben in der abgelaufenen Woche völlig unberücksichtigt. Auch von den veröffentlichten Konjunkturdaten werden nur die Daten von den Massenmedien aufgegriffen, die in die Panikstimmung passen. Die Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung waren überraschend hoch. Viele Hypothekenbanken leiden unter den rückläufigen Immobilienpreisen und erleiden Zahlungsausfälle durch insolvente Kunden. Doch aufgrund der vermeintlich schwachen konjunkturellen Verfassung sei eine Zinssenkung zu Hilfe des Immobiliensektors nicht in Sicht. Vielmehr wird schon wieder eine Zinserhöhung aufgrund des schwachen US-Dollars diskutiert.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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