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Japan und die Auflösung der Carry-Trades sind fast schon vergessen. Der Ausverkauf an den Börsen Ende Februar wurde zunächst auf Chinas Aktieneinbruch bezogen, dann auf Japans Carry-Trades. Inzwischen bevölkern Hiobsbotschaften vom US-Immobilienmarkt die Schlagzeilen. Ich werde Ihnen heute den Zahn ziehen, daß vom US-Immobilienmarkt wirkliche Finanzgefahren ausgehen.
Vielmehr ergeben sich beim näheren Hinschauen lukrative Chancen. Innovative Finanzmarktprodukte machen es möglich. Ich werde Ihnen zunächst einmal das Szenario wiedergeben, wie es derzeit in allen Finanzmedien herauf und herunter gebetet wird. Anschließend zeige ich Ihnen den Punkt, an dem sich all diese ach so gut informierten Journalisten irren. Also: Seit einigen Monaten steigen die Immobilienpreise in den USA nicht mehr. Nachdem die Immobilienpreise über Jahre nur angestiegen sind, haben sich einige Häuslebauer daran gewöhnt, durch die Wertsteigerung ihres Eigenheims immer wieder höhere Kredite aufnehmen zu können. Der Wertzuwachs wurde wie eine kleine Einkommensaufbesserung behandelt. Doch seit diese Einkommensaufbesserung nicht mehr in ihrer gewohnten Regelmäßigkeit zu haben ist, fehlt den Häuslebauern etwas Geld. Plötzlich müssen sich die Häuslebauer stark zusammenreißen, um die aufgenommenen Hypothekenkredite bedienen zu können. Sie retten sich gerade so über den Monat und hoffen auf steigende Preise im folgenden Monat. Doch erste Häuslebauer verloren ihren Job, die Hypothekenkredite konnten nicht mehr bedient werden und das Haus mußte verkauft werden. Notverkäufe erzielen niemals die hohen Preise, die bei einem ungezwungenen Verkauf mit mehr Zeit erzielt werden können. Also zeigen die Statistiken plötzlich fallende Häuserpreise. Oh Schreck! Bitte beachten Sie: Als erstes gehen stets die Schwachen vor die Hunde. „Subprime“ (von Sub=unter und prime=Premium, also =minderwertig) heißt das Marktsegment mit den finanziell schwach abgesicherten Hypotheken auf billige Häuser. Villen und andere Luxushäuser sind davon längst noch nicht betroffen. Hypothekenbanken erfahren nun, daß die Bewertung der Häuser, die sie für Hypothekenkredite als Sicherheiten nutzen, zu hoch ist. Sie korrigieren die Bewertungsmaßstäbe nach unten und plötzlich werden einige andere Hypothekenkredite unterbesichert, die zuvor gerade noch so mit dem Wert des Hauses abgesichert waren. So werden die entsprechenden Häuslebauer, die sich soeben gerade noch über den Monat retten konnten, aufgefordert, weitere Sicherheiten einzubringen. Da ist dann schnell das neue Auto weg, anschließend wird noch der Flachbildschirm abgeholt und dann ist auch da Ende. Weitere Kredite werden insolvent, weitere Notverkäufe werden getätigt, weiter fallende Preise im minderwertigen Marktsegment sind die Folge und ein sich selbst verstärkender Strudel hat begonnen. Soweit die Situation aus Sicht der Häuslebauer. Nun werfe ich noch einen Blick auf die Hypothekenbanken bevor ich Ihnen erzähle, was die Unbeteiligten damit machen: Unter den direkten Beteiligten verstehe ich natürlich den Häuslebauer selbst und die Hypothekenbank. In den USA besteht das Finanzsystem aus wesentlich mehr kleinen, lokalen Banken, als hier im deutschsprachigen Raum. Die Hypothekenbanken sind meist kleine lokale Banken, die nicht über die Möglichkeit verfügen, ihr Immobilienportfolio irgendwie nach Risikogesichtspunkten zu diversifizieren oder ähnliches. Natürlich gibt es auch ein paar größere Hypothekenbanken, die national agieren, also überall in den USA Finanzierungen anbieten. Ihnen fehlt meist die lokale Expertise oder aber sie vergeben aus geschäftsstrategischen Gründen Kredite zu günstigen Konditionen, wie ich Ihnen am Beispiel der HSBC in der Ausgabe des Heibel-Ticker PLUS 07/06 am 9.2.07 darlegte. Neben HSBC zählen auch New Century Financial, Accredited Home Lenders und Novastar zu den größeren Hypothekenbanken in den USA. Die Hypothekenbanken, die so dicht am Kunden sitzen, geben häufig ihre Kredite an Großbanken weiter. Merrill Lynch, Morgan Stanley und Goldman Sachs, die drei Großen der Wallstreet, kaufen den kleinen Hypothekenbanken die Hypothekenkredite ab. Auch Lehman Brothers, Bear Stearns stehen noch auf der Seite der großen Kreditaufkäufer. In der Finanzpresse haben Sie mitunter gelesen, daß die kleinen Hypothekenbanken ihre Kredite an die großen Broker weiterreichen. Daraus wird dann fälschlicherweise der Schluß gezogen, daß im Falle von Insolvenzen bei den Häuslebauern die großen Broker in Mitleidenschaft gezogen würden. Das stimmt jedoch nicht, wie ich Ihnen gleich zeigen werde. Seit Jahresbeginn sind bereits rund 20 kleine Hypothekenbanken insolvent geworden. Zu viele ihrer Kunden konnten die Hypothekenkredite nicht mehr bedienen und auch nach dem Zwangsverkauf der Immobilien blieben diese Banken auf großen Verlusten sitzen. Zum Glück wurden Teile der Hypothekenkredite an die großen Broker weitergegeben, so daß der Verlust nicht alleine geschultert werden muß. Doch was geschieht bei den großen Brokern mit den eingekauften Hypothekenkrediten? Diese Frage habe ich in der deutschen Presse bis zum heutigen Tage noch nicht einmal gehört. Dabei ist die Antwort so naheliegend: Sie werden an vermögende Kunden weiterverkauft! Glauben Sie, die großen Broker nehmen einfach so Risiken auf sich, ohne sich abzusichern? Nein, die Zeiten sind seit einigen Jahrzehnten vorbei. Seit die Finanzmathematik Einzug in den Banken gehalten hat, wird dort nichts getan, was nicht mit einem Gegengeschäft risikoneutral abgewickelt werden kann. Und genau so sieht dies auch bei den anderen internationalen Brokern aus. Wenn Credit Suisse oder die UBS Hypothekenkredite in Höhe von 3 Mrd. USD von New Century Financial kaufen, dann nur deswegen, weil sie Kunden haben, die diese Hypothekenkredite gerne kaufen möchten. Wir haben nun also vier Beteiligte: Den Häuslebauer, die Hypothekenbank, die Anlagebank (Broker) und den Millionär. Der Millionär möchte nicht selber mit den verarmten Häuslebauern Kreditverhandlungen führen, er möchte in einem Betrag seine Millionen unterbringen. Am liebsten würde er natürlich in einen großen Topf investieren, in dem viele der Subprime-Hypothekenkredite gebündelt sind und in den gemeinsam mit ihm auch andere Millionäre investieren. Wenn dann der eine oder andere Häuslebauer hops geht, dann verteilt sich dieser Ausfall auf den gesamten Topf und ist kaum zu spüren. Das Geschäft lief in den letzten Jahren schleppend und bei den Brokern kamen kaum Anfragen nach solchen Hypothekenkredittöpfen. Die Laune an den Finanzmärkten war viel zu gut und der Risikoaufschlag für diese minderwertigen Kredite war gering. Millionäre sahen bessere Gewinnchancen bei Aktien und anderen Anlagen. Doch seit dem Crash Ende Februar sind die Risikoaufschläge auf diese Hypothekenkredittöpfe angestiegen. Es gibt sogar einen regen Handel, der die jeweilige Risikoeinschätzung widerspiegelt: Kredit-Swaps. Diese Kredit-Swaps stellen den Zinsunterschied zwischen Staatsanleihen und Subprime-Hypothekenzins dar. Ende letzten Jahres stand der Unterschied noch bei 0,2 %, inzwischen ist er um 50 % auf 0,3 % angewachsen. Diese Kredit-Swaps werden gehandelt. So kostete eine Versicherung auf das Kreditausfallrisiko (also ein Kredit-Swap) Ende letzten Jahres noch rund 20.000 USD je 10 Mio. USD Kreditvolumen. Inzwischen ist der Preis auf 30.000 USD angestiegen. Das ist so, als würden Sie Hypothekenkredite shorten (leerverkaufen) – je schlimmer der Immobilienmarkt, desto höher steigt der Kredit-Swap. Mit anderen Worten: Es kommt Bewegung in den Immobilienmarkt. Plötzlich sieht einer der Millionäre den Kauf von Hypothekenkrediten wieder als lukrativ an, denn der Risikoaufschlag auf den Staatsanleihezins ist gestiegen. Er ruft bei Merrill Lynch an und möchte mit 50 Mio. USD in den Hypothekenkredittopf investieren. Ein andere Millionär denkt sich, daß noch wesentlich mehr Hypotheken hops gehen werden und er rechnet damit, daß der Kredit-Swap noch weiter ansteigt. Also ruft er bei Merrill Lynch an und möchte gerne 50 Mio. USD in Kredit-Swaps investieren. Ein dritter Millionär ruft an und möchte nun in den vermeintlich sicheren Immobilienmarkt der Luxusimmobilien investieren. Ob es dort nicht auch einen entsprechenden Hypothekenkredittopf gibt? Usw. usw... Sie können sich nun auch leicht vorstellen, daß die Produktentwickler von Merrill nun beginnen, bei den kleinen Hypothekenbanken anzurufen. Denn sie müssen Hypothekenkredite aufkaufen, um die verschiedenen Produkte, die von den Millionären nachgefragt werden, anbieten zu können. Jahrelang fristeten die Hypothekenbanken ein fast vergessenes Dasein. Sie waren bemüht, ihre Hypothekenkredite über die Broker zu refinanzieren, wurden aber abgewiesen, da die Broker keine Kunden hatten, die Immobilienprodukte nachfragten. So blieben viele Hypothekenbanken auf ihren Krediten sitzen. Nach den Vorgängen in den vergangenen Wochen stehen nun die Telefone bei den Hypothekenbanken nicht mehr still. Egal, was die Millionäre wollen, die Broker besorgen es auf dem Markt. Hauptsache es wird Umsatz gemacht. Und daran können Sie ersehen, daß die Panikmache im Finanzsektor völlig übertrieben ist. Kein Broker hat sich selber an der Spekulation mit Kredit-Swaps zu weit aus dem Fenster gelehnt. Es wird nur das getan, was der Millionär haben möchte. Wenn Banker also einkaufen gehen, dann haben sie den Käufer bereits an der Leine. Für Merrill Lynch, Bear Stearns, Goldman Sachs, Morgan Stanley und Lehman Brothers wird sich die aktuelle Immobilienkrise als Segen herausstellen. Sie alle können in diesen Tagen neue Finanzprodukte stricken und an den Mann bringen. Hauptsache Umsatz! Übrigens: Auch Credit Suisse, UBS und die Deutsche Bank beteiligen sich rege an diesem Spiel. Auch deren Kunden haben rege in den Immobilienmarkt, und auch sogar in den amerikanischen Immobilienmarkt, investiert. Doch hier gibt es niemanden, der das Kreditausfallrisiko den Banken zuschreibt. Der oben beschriebene Kredit-Swap, der ein Indikator dafür ist, wie riskant die Hypothekenkredite eingestuft werden, existiert separat für jede Bank, für jeden Broker. Der Merrill Lynch Swap beispielsweise wird derzeit mit 33.000 USD gehandelt, der von Lehman Brothers mit 34.440 USD. Auch die anderen US-Broker pendeln in dieser Größenordnung. Der Kredit-Swap der Deutschen Bank hingegen wird aktuell mit 9.800 Euro gehandelt (12.900 USD), UBS und Credit Suisse sind ähnlich günstig. Das ist also ein Zeichen dafür, daß dort das Ausfallrisiko als sehr gering gesehen wird. FAZIT: Häuslebauer: Nun, den letzten beißen die Hunde. Die Immobilienpreise werden von den hier beschriebenen Vorgängen kaum beeinflußt, bis auf die Abwärtsspirale, wie eingangs beschrieben. Somit werden wohl noch einige Häuslebauer hops gehen. Hypothekenbanken: Das Schlimmste ist vorbei, denn nun, da die Risikoaufschläge auf die Hypothekenkredite wieder etwas größer geworden sind (siehe Kredit-Swaps), können die Hypothekenbanken ihre Kredite leichter refinanzieren und so die Risiken streuen. Broker: Ein eigenes Risiko tragen die Broker nicht, obwohl sie als große Käufer von minderwertigen Hypothekenkrediten auftreten. Sie reichen diese Kredite an ihre Kunden weiter und verdienen für ihre Dienstleistung eine Marge. Das Geschäft brummt nun wieder, Broker werden also gut verdienen. Millionäre: Nun, zunächst einmal sei gesagt, daß mit Millionären natürlich auch die großen institutionellen Anleger gemeint sind, die Vermögensabteilungen großer Unternehmen usw. Diese haben ihre eigene Risikostreuung in ihrem jeweiligen Portfolio und müssen sich entsprechend passende Produkte bei ihren Brokern wünschen. Die Kreditausfälle sind somit auf viele Schultern verteilt. Die vielen Schultern haben meistens noch eigene Absicherungs- und Diversifizierungsmethoden, um das Risiko aufzufangen. Diese Woche haben einige Finanzinstitute ihre Quartalszahlen veröffentlicht. Die Broker haben durchweg gute Ergebnisse ausgewiesen. In den Medien wurden die Broker hingegen als „Lügner“ bezeichnet, die Pressekonferenzen wurden als „Schönmalerei“ abgetan. Die Aktienkurse der Broker sind in den Keller gerutscht. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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