Alt 06.06.09, 18:38
So tickt die Börse: Rettung der Automobiljobs
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GUTE ARBEITSMARKTDATEN GEBEN BERNANKE RECHT.

Heute Mittag wurden in den USA Arbeitsmarktdaten veröffentlicht. Die Arbeitslosigkeit ist wesentlich weniger angestiegen, als im Vorfeld befürchtet worden war. Die US- Börsen eröffneten dick im Plus, doch umgehend erfolgte ein Ausverkauf und die Medien suchen derzeit nach dem Haar in der Suppe der Arbeitsmarktdaten. Der saisonale Effekt sei nicht herausgerechnet oder die bevorstehenden Entlassungen bei General Motors und Chrysler seien noch nicht enthalten. In Deutschland würde man in einem solchen Fall nun anführen, dass ohne die Kurzarbeit eine wesentlich schlimmere Arbeitsmarktzahl veröffentlicht worden wäre, etc.

In Wirklichkeit zeigt diese Meldung nur eines: Der US- Notenbankchef Ben Bernanke hat sein Handwerk gelernt. Seit er nicht mehr Hank Paulson und George Bush im Nacken hat, riss er das Ruder herum und flutete die Märkte mit Liquidität. Ein riskantes Spiel, denn zuviel Liquidität kann in der Zukunft zu einer Inflation führen, wenn die Wirtschaft nicht rechtzeitig anspringt und somit die Möglichkeit besteht, die Liquidität wieder abzuziehen ohne eine Rezession zu riskieren.

Die Arbeitsmarktdaten zeigen, dass die schlimmsten Befürchtungen der Amerikaner über Massenarbeitslosigkeit abgewendet werden konnten. Und das gibt Hoffnung darüber, dass die US-Konjunktur schon bald tatsächlich gesund genug ist, so dass Bernanke überschüssige Liquidität abschöpfen kann ohne eben den Aufschwung zu gefährden.

Dies ist das optimistische Szenario, das ich seit Monaten beschreibe: Die Liquiditätsspritzen führen nicht zwangsläufig zu einer Hyperinflation, sondern nur dann, wenn sie nicht rechtzeitig abgeschöpft werden. Und abgeschöpft können sie nur dann werden, wenn die Wirtschaft an Fahrt gewinnt. Die heutigen Arbeitsmarktdaten deuten darauf hin, dass Bernankes Rechnung aufgehen könnte.

Wenn dann eine halbe Stunde nachdem die Börse dick im Plus eröffnet hat, die Kurse plötzlich einbrechen, was wird das dann wohl sein? Gewinnmitnahmen. Die Katze ist aus dem Sack, die Spekulation der Optimisten ist aufgegangen und an diesem Wochenende wird sich in den Medien die Erkenntnis durchsetzen, dass die USA eine Hyperinflation vermeiden können. Nun, wenn das positive Ereignis, auf das man spekuliert hat, eingetreten ist, dann verkauft man seine spekulative Position. Und das sind die Gewinnmitnahmen, die wir kurz nach der positiven Eröffnung der US-Börsen sehen.

IMMOBILIENMARKT ZEIGT BODENBILDUNG

Die Anzeichen der Bodenbildung am Immobilienmarkt habe ich Ihnen in den vergangenen Wochen gezeigt. Nun kommt die zweite Welle: Kaufpanik! Denn die obigen Arbeitsmarktdaten geben Bernanke die Möglichkeit, irgendwann den US-Leitzins, und damit das gesamte Zinsniveau, wieder anzuheben. Und je besser die US- Konjunktur sich entwickelt, desto schneller wird Bernanke diesen Schritt unternehmen. Und da die guten Arbeitsmarktdaten ein Anzeichen dafür sind, dass die US-Konjunktur sich eher früher als später erholen wird, ist zu befürchten, dass Bernanke den US-Leitzins ebenfalls eher früher als später anheben wird.

Daher sind die Kurse von Staatsanleihen heute kräftig eingebrochen, was wiederum einen Anstieg der langfristigen Zinsen bedeutet. So werden auch Hypothekenzinsen bald schon teurer werden und wer in den vergangenen Monaten das Zinsniveau noch nicht genutzt hat, seine Hypothek zu refinanzieren, der wird nun seine Unterlagen fertig machen und schleunigst zur Bank laufen.

Auch wer mit dem Gedanken spielt, sich ein Haus zu kaufen, der wird nun langsam zeitlichen Druck verspüren, denn die Finanzierung seines Kaufes dürfte in den nächsten Monaten eher teurer werden.

In den USA und in vielen anderen Ländern rechnet man übrigens nicht mit dem Kaufpreis einer Immobilie, sondern mit der monatlichen Belastung. Darüber, ob ein Haus erschwinglich ist oder nicht, entscheidet die monatliche Belastung. Also Zins und Tilgung. Je niedriger das Zinsniveau, desto erschwinglicher werden also die Häuser. Und derzeit sind die Immobilien in den USA nicht nur wegen des Preiseinbruchs sehr günstig zu haben, sondern auch wegen des niedrigen Zinsniveaus. Hinzu kommt ein Geschenk von Obama an jeden Erstkäufer eines Hauses in Höhe von 8.000 USD. Bei einem durchschnittlichen Hauspreis von 260.000 USD ist das schon eine gute Hilfe. Die monatliche Belastung wird dadurch weiter vermindert.

Wenn nun aber steigende Zinsen in den Fokus der Hauskäufer rücken, dann entsteht eine Kaufpanik: Je später der Kredit abgeschlossen wird, desto teurer wird die Finanzierung aufgrund der steigenden Zinsen.

Während wir hierzulande also noch analysieren, ob die US- Immobilienkrise auch die gewerblichen Immobilien mit in den Abgrund reißen wird oder ob die Kreditkartenklemme den Einzelhandel zu Fall bringen wird, entwickelt die freie Marktwirtschaft in den USA bereits ihre eigene Kraft und sorgt für eine Kaufpanik, die in kürzester Zeit die zur Zwangsversteigerung stehenden Immobilien vom Markt fegen wird.

Stabilisierung der Immobilienpreise bei gleichzeitig ansteigenden Finanzierungskosten: Kaufpanik!

GENERAL MOTORS GROSSES JOBPROGRAMM

General Motors ist pleite und verkauft einzelne Marken in aller Welt. Die US-Regierung schießt 50 Mrd. USD zu und übergibt die Verantwortung an die Gewerkschaften. Diese dürfen nun versuchen, ein überlebensfähiges Unternehmen aufzubauen.

Meine Meinung: Der Schwerpunkt der Gewerkschaften liegt auf der Erhaltung der Arbeitsplätze, nicht aber auf der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Gerade die große Macht der Gewerkschaften ist für den Untergang des seit 77 Jahren weltgrößten Automobilkonzerns verantwortlich. Nun dürfen sie noch ein paar Jahre in eigener Verantwortung weiter machen und ersparen es Präsident Obama, während der größten Krise der vergangenen 80 Jahre plötzlich weitere 2 Mio. arbeitslose General Motors Mitarbeiter plus unzählige dadurch in die Insolvenz gerissene Zulieferer auffangen zu müssen. Mit 50 Mrd. USD ist Obama aus der Verantwortung und hat das Problem der Überkapazitäten im amerikanischen Automobilsektor um ein paar Jahre vertagt.

Ich weiß nicht, ob der Begriff „Insolvenz“ für die Ereignisse bei General Motors zutreffend ist. Die Eigner von Unternehmensanleihen des Unternehmens wurden zu überproportional großen Zugeständnissen gezwungen. Auch bei Zulieferern wurde die Daumenschraube mit gesetzlichem Segen angesetzt. Es gibt Stimmen die behaupten, dass eine normale Insolvenz für diese beiden Gruppen besser, also lukrativer, gewesen wäre. Die Liquidierung des Unternehmens hätte dieser Argumentation zufolge mehr erbracht, als der Restwert der Unternehmensanleihen nach den Verhandlungen mit der Regierung.

Nun, auf der anderen Seite hätte die US-Wirtschaft 2 Mio. weitere Arbeitslose nicht verkraften können. Auch der Belastungstest der US-Banken hat einen solchen Arbeitsmarktschock nicht berücksichtigt. Insofern ist es also aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar, dass Obama das Insolvenzrecht etwas verbogen hat.

Im Wochevergleich haben sich die Aktienbörsen gut entwickelt. Schauen Sie selbst:


INDIZES (04.06.2009)

Dow Jones: 8.675 | 3,2%
DAX: 5.064 | 2,7%
Nikkei: 9.768 | 2,6%
Euro/US-Dollar: 1,419 | 0,4%
Euro/Yen: 138,44 | 2,6%
10-Jahre-US-Anleihe: 3,86% | 0,3%
Umlaufrendite Dt: 3,33% | 0,1%
Feinunze Gold USD: $970,00 | -0,8%
Fass Crude Öl USD: $70,75 | 5,9%
Baltic Dry Shipping I: 4.093 | 24,1%



Kräftige Kursgewinne an den Aktienbörsen, ein fester Euro und wie eingangs beschrieben ein Anstieg der langfristigen Zinsen. Das sind die Entwicklungen dieser Woche.

Zusätzlich sollten wir bemerken, dass der Ölpreis nochmals um 5,9% angestiegen ist. Heute steht er über meiner magischen Schwelle von 70 USD/Fass. Goldman Sachs erwartet einen Ölpreis von 85 USD/Fass.

In meinen Augen war ein Short Squeeze für den rasanten Preisanstieg des Öls im Monat Mai verantwortlich. Zu viele Spekulanten hatten sich Short positioniert und mussten in den vergangenen Wochen Deckungskäufe tätigen. Mag sein, dass die Weltwirtschaft anzieht – doch eine Verdopplung des Ölpreises ist eine Hausnummer, die sicherlich durch spekulative Positionen verstärkt wurde.

Beim Baltic Dry Shipping Index hingegen gibt es keine Spekulanten, dort werden durchschnittliche Frachtkosten für bestimmte Routen angezeigt. Der Preisanstieg um 24% ist exorbitant und steht meiner persönlichen Beobachtung entgegen: Ich war am vergangenen Wochenende auf der Elbe und natürlich horchte ich den Kapitän unseres Dreimasters nach seinen Beobachtungen aus. Er ist täglich auf der Elbe im Hamburger Hafen unterwegs und bestätigte mir, dass viele Containerschiffe ohne Ladung, sondern nur unter Last fahren.

Der charakteristische Bug der Containerschiffe war überall zu sehen. Unter voller Ladung ist dieser Gnubbel unter Wasser. Zusätzlich war mir aufgefallen, dass die Schiffe stark nach hinten geneigt waren. Der Kapitän klärte mich auf, dass die Containerschiffe Wasser in den hinteren Teil des Schiffes pumpen können, damit die Schiffsschraube nicht aus dem Wasser kommt wenn das Schiff leer fährt.

Dies sei schon den ganzen Frühling so gewesen ... und eine Änderung hin zu mehr Ladung auf den Schiffen hatte unser Kapitän noch nicht feststellen können.

Hmmm, da will ich mal hoffen, dass der Baltic Dry Index seiner Zeit etwas voraus ist. Immerhin fallen Frachtkosten meist bei der Buchung an und nicht erst nach der erfolgreichen Verschiffung.

Die Stimmung hat sich in den vergangenen Tagen deutlich aufgehellt. Hier die Stimmungsindikatoren:

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
15.-20. Mai ( 82): 70% / 30%
22.-29. Mai (163): 65% / 35%
29.5. - 5.6.(111): 74% / 26%

ANALYSTEN KAUF
Roche, Credit Suisse, ArcelorMittal

ANALYSTEN VERKAUF
Porsche, Vivacon


PRIVATANLEGER:
Aktuell 60% Bullen (+4%, 75 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 5.078

PRIVATANLEGER KAUF
Petrobras, Bank of America, Microsoft

PRIVATANLEGER VERKAUF
General Motors, Arcandor, ProSiebenSat1 Media


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Sowohl die zu den Experten zählenden Analysten, als auch die Privatanleger sind in der vergangenen Woche zunehmend bullisch geworden. Die Kursanstiege geben ihnen Recht, doch wie weit wird die Börse noch ansteigen?
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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