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Völlige Verwirrung an den Finanzmärkten. Es hat schon einen Hauch von Panik, wenn Sie sich in diesen Stunden mit Anlegern unterhalten. Was steckt dahinter?
Der DAX, so habe ich im Verlauf der Woche beobachtet, hat kein Eigenleben mehr. Der DAX ist zu einem Derivat vom Euro-Wechselkurs geworden. Wenn der Euro steigt, dann fällt der DAX - und umgekehrt. Denn, wenn Sie sich die Unternehmensmeldungen dieser Woche anschauen, dann finden Sie keinen Grund, der einen Ausverkauf rechtfertigen würde. Auch die Konjunkturdaten in Deutschland sowie in der EU sind robust. Aber woran hängt der Euro? Nun, im wesentlichen wird der Euro im Vergleich zum US-Dollar als das Maß der Dinge gesehen. Und der US-Dollar unterliegt derzeit mehreren Einflüssen: Zum einen der erwarteten, oder besser: befürchteten Zinsanhebung am kommenden Mittwoch und zum anderen dem Ölpreis. FED-ENTSCHEIDUNG AM KOMMENDEN MITTWOCH Die Entscheidung, den US-Leitzins am kommenden Mittwoch anzuheben, erstmals seit neun Jahren, scheint festzustehen. An den Finanzmärkten wird dieser Schritt weitgehend erwartet und ist wohl im aktuellen Kursniveau eingepreist. Doch zufrieden sind viele Marktteilnehmer damit nicht. Denn erst kürzlich hat Fed-Chefin Janet Yellen deutlich gemacht, dass für ihre Zinsentscheidung nicht nur die Preisstabilität sowie die Arbeitslosenquote maßgeblich sind, sondern auch noch die Verfassung der globalen Konjunktur berücksichtigt wird. Und global sieht es noch nicht so rosig aus, vielmehr fürchtet man in China zunehmend rückläufige Wachstumsraten, in Brasilien herrscht nach wie vor Chaos, und Russlands Rolle auf der politischen Weltbühne ist mehr als kritisch. Zudem kommen nun auch Konjunktursorgen aus den USA hinzu: Der Aufschwung ist bereits sechs Jahre alt und könnte sich abschwächen. Das Weihnachtsgeschäft lief schleppend an, und Analysten rätseln, warum der US-Konsument weniger verschenken möchte. Hat man genug, sind die Ansprüche heruntergefahren oder liegt es einfach am warmen Wetter, sodass keine Winterklamotten gekauft werden? Nach der "Jobless Recovery", dem Aufschwung ohne neue Arbeitsplätze gibt es nun quasi Vollbeschäftigung und steigende Löhne, aber die Wirtschaft hinkt hinterher. Die Verunsicherung ist groß, und immer wieder hört man die Hoffnung einer Aussage wie "one and done" - "eine Zinserhöhung und das war's dann" seitens der Fed. Denn in der Regel bleibt es nicht bei einer Zinsanhebung, sondern im Abstand von ein bis zwei Monaten folgen weitere Zinsanhebungen, bis der Leitzins auf einem deutlich höheren Niveau notiert. Bliebe es diesmal bei dem symbolischen Akt einer einmaligen Zinserhöhung von 0,25% auf 0,5%, so wäre der homöopathische Effekt zu vernachlässigen, und die Fed hätte ihr Gesicht gewahrt. So wird also Vieles am kommenden Mittwoch von den Worten der Fed-Chefin Janet Yellen abhängen. Signalisiert sie mehrere Zinsschritte oder war's das? Für den Euro bedeutet das im Umkehrschluss folgendes: Bei einer einmaligen Zinsanhebung bleibt der US-Dollar verhältnismäßig schwach. Der Sprung auf die 1,10 USD/EUR spiegelt diese Erwartung fast schon wider, vielleicht geht die Euro-Rallye in diesem Falle noch ein wenig weiter, der DAX würde weiter einbrechen. Signalisiert Yellen hingegen weitere Zinsschritte, so kommt die Wechselkursparität 1:1 wieder ins Blickfeld, der Euro würde wieder einbrechen. In diesem Falle würde der DAX als Derivat des Euros entsprechend zulegen. WO BLEIBT PEAK-OIL? Erinnern Sie sich, wie seit den 70ern periodisch die Erschöpfung unserer Ölreserven ausgerufen wird? Ich habe das stets als Unfug abgetan. Heute ist die tägliche Ölförderung mit 96 Mio. Fässern pro Tag größer denn je, und es wird erwartet, dass der Iran im kommenden Jahr noch ein paar Fässer drauflegen wird, wenn die Sanktionen gegen ihn aufgehoben werden. Die Öl-Reserven steigen ebenfalls weiter an. Nicht durch neue Funde, sondern durch neue Technologien, die bislang unerschließbare Vorkommen plötzlich wieder verfügbar machen. Dabei habe ich noch vor einer Woche für die Fracking-Technologie den Grenzpreis von 70 USD/Fass genannt, ab dem sich diese aufwendige Technologie rechnet. Diese Woche habe ich einen Bericht gesehen, der inzwischen von einem Grenzpreis von 45 USD/Fass ausgeht. Wohlgemerkt, das betrifft nur neue Projekte. Die bereits laufenden Projekte sind beim aktuellen Ölpreis gefährdet, es wird wohl einige Pleiten in den kommenden Monaten geben. Aber gleichzeitig wird die Fracking-Technologie so rasant weiterentwickelt, dass der Rückgang der US-Förderung wohl so leicht nicht für die Saudis zu erzielen ist. So kommt mir der Ölmarkt inzwischen wie ein direkter Kriegsschauplatz zwischen Saudi Arabien und den USA vor, die beide Marktanteile gewinnen / behalten wollen und an die Grenzen der Finanzierbarkeit herangehen, zeitweilig nun sogar Verluste akzeptieren, um in der Zukunft größere Volumina fördern zu können. Eigentlich sollten wir uns über den niedrigen Ölpreis freuen, denn er zieht sich durch die gesamte Rohstoffbranche (Förderkosten) sowie die Industrie (Produktionskosten energieintensiver Produkte) durch und führt zu niedrigeren Preisen für uns Konsumenten. Aber es dauert eine Weile, bis dieser Effekt eintritt. Was US-Amerikaner jedoch direkt sehen ist der einbrechende Gewinn bei ihren Ölkonzernen, und entsprechend werden diese Aktien ausverkauft. Und wie ein Reflex wird natürlich nach wie vor ein rückläufiger Ölpreis mit einer schwachen Nachfrage gleichgesetzt, sodass der gesamte Aktienmarkt einbricht. Ich hatte bislang stets die Meinung vertreten, dass es sich um ein Überangebot handelt, während die Nachfrage konstant ist. Die Nachfrage, insbesondere repräsentiert durch das wachstumshungrige China, zeigt aber nun auch Grenzen. Anders als erwartet führt ein noch niedrigerer Ölpreis nicht mehr zu noch mehr Nachfrage, sondern die Nachfrage bleibt konstant. Sie können es so betrachten: Wenn der Liter Benzin für Ihr Auto 2 Euro kostet, dann überlegen Sie, ob Sie vielleicht mit dem Zug zu Weihnachten zu Ihrer Familie fahren. Bei 1,20 Euro je Liter nehmen Sie das Auto. Das ist ein großer Unterschied in der Benzinnachfrage. Bei 1 Euro / Liter nehmen Sie immer noch das Auto, das macht nun keinen Unterschied mehr aus. Sie fahren aufgrund des niedrigen Benzinpreises ja nicht plötzlich Umwege, nur weil's günstiger ist. Und so ähnlich verhält es sich mit der Industrie: Der Ölpreis wird als niedrig angesehen, schon seit dem Abrutschen unter 60 USD/Fass. Gleichzeitig gibt es jedoch ohnehin eine Obergrenze der Nutzung des Öls, immerhin werden in diesen Tagen in Paris offensichtlich nennenswerte Fortschritte gemacht. Die Nachfrage nach Öl steigt also nicht weiter, selbst wenn der Ölpreis noch weiter fällt. Keynes würde dies als "Liquiditätsfalle" bezeichnen ;-) Hat der Ölpreis einen Einfluss auf den US-Dollar? Nein, höchstens über sieben Ecken. Eine direkte Wechselwirkung fällt mir jedoch nicht ein. Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (10.12.2015) | Woche Δ Dow Jones: 17.575 | 0,6% DAX: 10.599 | -1,8% Nikkei: 19.230 | -1,4% Euro/US-Dollar: 1,10 | 0,6% Euro/Yen: 133,63 | 0,0% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,24% | -0,09 Umlaufrendite Dt: 0,42% | 0,09 Feinunze Gold: $1.070 | 0,8% Fass Brent Öl: $39,97 | -7,7% Kupfer: 4.682 | 1,7% Baltic Dry Shipping: 534 | -7,0% In den Aktienindizes ist der heutige Ausverkauf noch nicht eingerechnet, Sie dürfen also beim DAX noch mal 2% abziehen. Die Gründe für den Ausverkauf sind, wie oben gesagt, der feste Euro sowie die Ungewissheit vor der ersten Zinserhöhung der USA gepaart mit dem Öleinbruch-getriggerten Ausverkauf der US-Aktien. Der Dow Jones ist übrigens seit Jahresbeginn im Minus während der DAX mit 8% im Plus notiert, der Nikkei mit 10%. Der Euro klettert weiter gegenüber dem US-Dollar, gegenüber dem Yen bleibt er unverändert. Das spricht natürlich dafür, den Grund für diese Bewegung im US-Dollar zu suchen, wie ebenfalls oben bereits ausgeführt. Selbst das Brent-Öl aus der Nordsee ist diese Woche nun heftig unter Druck gekommen (-7,7%) und hat damit den Abstand zum US-Öl WTI deutlich verkleinert. Die Verschiffungskosten (-7%)zeigen eine ziemlich große Inaktivität in den Häfen Chinas an, das Niveau nähert sich seinem Tiefstand. Das Kupfer zeigte eine kleine Gegenbewegung, der ich nicht zuviel Bedeutung beimessen würde. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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