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Yelp und Twitter haben Mittwochabend Quartalszahlen veröffentlicht. Twitter konnte mit Umsatz und Gewinn die Analystenerwartungen übertreffen. Yelp hingegen machte zwar mehr Umsatz, musste jedoch einen höheren Verlust hinnehmen als erwartet. Die Aktie von Twitter schloss gestern mit -24%, die von Yelp mit +20%.
Vorab noch die Info, dass wir im Heibel-Ticker eine Tradingidee auf Yelp empfohlen haben, mit der wir binnen einer Woche 12% Gewinn gemacht haben. Ich habe gestern leider zu früh zum Verkauf geblasen, es entgingen uns daher die Kursgewinne der zweiten Tageshälfte. Man darf sich über entgangene Gewinne nicht ärgern, zumal auch die 12% recht ordentlich sind. Am besten hat es ein Kunde beschrieben, der es mit Humor nimmt: "Hätte ich später verkauft, müsste ich mehr Steuern zahlen." Aber lassen Sie mich den Hintergrund für die so unterschiedlichen Reaktionen auf die beiden Quartalsergebnisse erläutern. Es handelt sich bei beiden Unternehmen um neue Geschäftsmodelle, die sich noch im Aufbau, in einem sehr jungen Stadium befinden. Analysten können mit ihren DCF-Modellen kaum einen vernünftigen Wert errechnen, also wenden sie sich an die Unternehmen selbst, um einen vernünftigen Bewertungsansatz zu erhalten. Twitter hat seinen Anlegern gesagt: Bewertet uns nach dem Wachstum unserer Nutzer und der Intensität, mit der Twitter genutzt wird. Immer mehr Menschen würden Twitter nutzen, und dadurch werde, so Twitter, der Kurznachrichtendienst automatisch immer attraktiver für die Werbeindustrie. Abbildung 1: Twitter Nutzerwachstum Anleger haben genau das getan: Sie haben auf die beiden Zahlen geschaut, die ihnen vom Unternehmen als Referenz für ein Bewertungsmodell genannt wurden: Entwicklung der Nutzerzahl sowie die Dauer der Twitter-Nutzung je Nutzer. Die Nutzer sind im Q4 um 4% auf 241 Mio. Twitterkunden angewachsen, für ein Wachstumsunternehmen ist dieses marginale Wachstum gleichbedeutend mit Stagnation. Und die durchschnittliche Nutzung von Twitter ging sogar um 7% zurück. Dem Bewertungsansatz für Twitter ist mit diesem Doppelschlag der Boden entzogen worden. Anleger hatten die Nutzerzahlen von Facebook vor Augen, 1,x Milliarden, und sind nun schockiert darüber, dass bei 241 Mio. bereits das Ende ich Sicht sein könnte. Zudem ist eine rückläufige durchschnittliche Nutzungsdauer ein Warnsignal hinsichtlich der Attraktivität des Dienstes. Mehrfach hatte es mich in den vergangenen Wochen in den Fingern gejuckt, Twitter als Langfristinvestment zu empfehlen. Doch das hohe Kursniveau hatte mich davon abgehalten. Yelp schien mir die bessere Spekulation. Zu Recht, denn die Quartalszahlen von Yelp enthielten jede Menge positiver Überraschungen. Yelp bringt die Gelben Seiten (Yellow Pages) online und ergänzt sie um Nutzerkritiken. In Deutschland wurde kürzlich Qype übernommen, das Unternehmen befindet sich bereits auf internationalem Expansionskurs. Yelp hat seinen Anlegern gesagt: Bewertet uns nach der Umsatzentwicklung, den wiederkehrenden Werbebudgets und dem Hebeleffekt. Also: Der Umsatz stieg mit 72% ordentlich an und lag über den Erwartungen. Und das Umsatzwachstum lag nicht nur über den Erwartungen, sondern auch über dem Vorquartal sowie über dem Vorjahr. Sprich: Ein sich beschleunigendes Umsatzwachstum! Dass der Verlust je Aktie statt der erwarteten 2 Cents letztlich 3 Cents betrug, ist kein Anlass zur Sorge, sondern Ausdruck der heftigen Investitionen des Unternehmens. Doch zahlen sich die Investitionen aus? Das Wachstum der festen Werbekunden (wiederkehrende Werbebudgets!) beschleunigte sich von 63% in den Vorquartalen des Jahres 2013 auf nunmehr 69% im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresquartal. Auch hier beschleunigt sich also das Wachstum. Das eigene Marketingbudget, um neue Werbekunden und neue Yelp-Nutzer zu gewinnen, ging von 62% vor einem Jahr über 56% im Vorquartal auf nunmehr 55% des Umsatzes zurück. Yelp muss also immer weniger für Werbung ausgeben und beschleunigt dennoch sein Wachstum. Das ist der Heilige Gral für Anleger: Sich beschleunigendes Wachstum mit sinkenden Kosten katapultiert die Gewinnerwartungen in den Orbit - egal, wie weit das in der Zukunft liegt. Es gibt Unternehmen, die ändern das Verhalten der Nutzer. Diese Unternehmen werden nicht mit KGV oder DCF-Modellen bewertet, sondern mit eigenen Erfolgsfaktoren versehen. Solange diese Erfolgsfaktoren eingehalten werden, kennen diese Aktien keine Grenzen. Ich werde nach der Wochenübersicht ein paar solcher Unternehmen vorstellen. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (06.02.2014) | Woche Δ Dow Jones: 15.628 | -1,4% DAX: 9.257 | -1,2% Nikkei: 14.462 | -3,0% Euro/US-Dollar: 1,36 | 0,1% Euro/Yen: 135,67 | -2,4% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,70% | 0,01 Umlaufrendite Dt: 1,34% | -0,07 Feinunze Gold: $1.260 | 1,6% Fass Brent Öl: $107,23 | -0,4% Kupfer: 7.214 | 1,5% Baltic Dry Shipping: 1.092 | -3,1% In Japan mehren sich die Zweifel, ob die extrem expansive Geldpolitik (Abenomics) auch zu einem nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung führen können, oder aber ob die Wirtschaft umgehend wieder einknickt, wenn der Stimulus endet. Zweifler haben diese Woche die Oberhand gewonnen und den Nikkei um 3% in den Keller geschickt. Aus China und aus den USA waren zum Wochenbeginn durchwachsene Konjunkturdaten zu hören, entsprechend schwach startete die Börse in die Woche und erholte sich erst zum Wochenschluss ein wenig. Ist die Korrektur damit ausgestanden oder müssen wir noch mit weiteren Korrekturen rechnen? Diese Woche gab es in den USA eine ganze Reihe von positiv überraschenden Quartalszahlen, die auf eine Revolution im jeweiligen Geschäftsmodell der Unternehmen zurückzuführen ist. Hier ein paar Beispiele: GREEN MOUNTAIN COFFEE ROASTERS KOOPERIERT MIT COCA COLA Green Mountain Coffee Roasters (GMCR) ist ein Unternehmen, das mit Kaffee-Vollautomaten für Büros und zu Hause den Kaffeemarkt der USA revolutionierte. Die Aktie wurde zum Highflyer, der Kurs kannte keine Grenzen. Von 5 USD im Jahr 2007 schoss die Aktie auf 108 USD Mitte 2012. Die Supermarktregale waren voll mit Kaffee-Tabs und Teebeuteln von Green Mountain, wo sollte das Wachstum noch hin gehen, fragten sich die Anleger. Die Antwort: Man werde Vollautomaten für Kaltgetränke und Wasser in den Markt drücken. Doch daran glaubten die Anleger nicht, und die Aktie fiel zurück auf 17 USD nur binnen eines Jahres. Die Phantasie war verloren. Doch die Zahlen, die das Unternehmen lieferte, machten Spaß. Die einmal gewonnenen Kunden für Kaffee-Vollautomaten kauften eifrig Kaffee-Tabs und sorgten für einen hohen freien Cashflow des Unternehmens. So erholte sich die Aktie wieder in Richtung 80 USD bis dann diese Woche ein revolutionärer Deal bekanntgegeben wurde: Green Mountain Coffee koorperiert beim Vertrieb von Kaltgetränkeautomaten mit Coca Cola. Die Aktie sprang über Nacht wieder über 100 USD. Die Revolution: Es ist die Einsicht, nicht gegen ein etabliertes weltweites Vertriebsnetz anzukämpfen. Und auf Seiten von Coca Cola ist es die Einsicht, dass die technologische Innovation von Green Mountain, also die neue Wassermaschine, einfach besser ist als alles, was Coca Cola bislang zustande brachte. 18% Gewinnwachstum p.a. werden mit einem KGV 15e von 30 belegt. In den vergangenen fünf Jahren ist der Gewinn um durchschnittlich 80% p.a. angesprungen. Die Kooperation mit Coca Cola lässt auch für die Zukunft solche Traum-Wachstumsraten zu. Der Lauf von 17 USD Mitte 2012 auf nunmehr über 100 USD endet hier meiner Ansicht nach noch nicht. UNDER ARMOUR MUTIERT VOM TEXTILPRODUZENT ZUM TEXTIL-INNOVATOR Under Armour produziert nicht einfach nur funktionale Sportbekleidung, das Unternehmen hat sich vielmehr auf die Fahne geschrieben, für jeden Anlass die perfekte Kleidung aus dem perfekten Stoff zu entwickeln. Für kalte Tage also etwas, das warm hält, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Für warme Tage etwas, das den Schweiß durchlässt. Keine Frage, die Idee ist nicht neu. Aber die Stoffe, die Under Armour entwickelt, haben schon eine ganze Reihe von Besonderheiten: Der Schweiß wird in bestimmte Richtungen transportiert, die Wärme wird intelligent gesteuert. Dinge, die als Hochtechnologie verkauft werden und beim Kunden Anklang finden. 31% Wachstum p.a. seit neun Jahren sind ein deutliches Zeichen. Das KGV 14e steht bei 60. Nun steht die internationale Expansion an, das Unternehmen verspricht auch für die nächsten Jahre, die hohe Wachstumsrate beizubehalten. Adidas und Nike hinken hinterher und entwickeln nunmehr mit Hochdruck neue "technologische" Konzepte. So hat Adidas kürzlich mit einer neuen "aktiven" Sohle für Laufschuhe geworben. Der Trend wurde von Under Armour initiiert, das Unternehmen ist derzeit die treibende Kraft. Entsprechend sind Anleger bereit, diese hohe Bewertung zu zahlen. FACEBOOK HAT DAS MOBILE NETZ EROBERT UND ERFINDET SICH NUN ERNEUT NEU Facebook war nach dem Börsengang ein Schimpfwort. Inzwischen haben zumindest Anleger ihren Frieden mit dem sozialen Netzwerk geschlossen, die Aktie notiert auf neuen Allzeithochs. Das sah vor einem Jahr noch ganz anders aus. Facebook drohte zum Milliardengrab zu werden, da es den Trend zum mobilen Internet zu lange ignoriert hatte. Doch CEO Zuckerberg hat das Unternehmen mit aller Gewalt auf die mobile Welt getrimmt und kann heute vorweisen, dass 53% des Umsatzes dort erwirtschaftet werden. Doch der Ruf von Facebook ist nicht sonderlich gut, und die Seite ist für viele nach wie vor unübersichtlich. Das hat auch Zuckerberg erkannt. Und so integriert er nicht mehr wild mehr und mehr Funktionalität in die Seite, sondern schafft unterschiedliche Angebote auf Basis einer einzigen Datenbank. Instagramm ist ein Beispiel dafür, diese Woche hat er angekündigt, die App-Entwicklung im Haus zum wichtigsten Ziel zu machen. Künftig werden wir also als Facebook-Nutzer verschiedenste Anwendungen nutzen, die auf die jeweils relevanten persönlichen Daten von uns zugreifen, die auf einem zentralen Rechner verwaltet werden. Wer hätte noch vor zwei Jahren überhaupt daran gedacht, dass Facebook einmal seine Haupteinnahmequelle auf Apps verlegen könnte, wo doch mit Apps vermeintlich kein Geld zu verdienen ist. Nun, Zuckerberg wird uns zeigen, wie das geht. Vor diesem Hintergrund finde ich auch die Ankündigung von SAP interessant, verstärkt in die App-Entwicklung zu investieren. Nicht mehr die eine allumfassende SAP-App wird uns künftig also angeboten, sondern für viele verschiedene Arbeitsplätze wird es spezielle Apps geben. Ich halte das für eine intelligente Entscheidung im Hause SAP. Mal sehen, wie das umgesetzt wird. NORDEX KONZENTRIERT SICH AUF SINNVOLLE PROJEKTE Es ist drei Jahre her, als die Windenergiebranche mit Überkapazitäten zu kämpfen hatte. Jeder konnte alles, man kämpfte um jeden Auftrag. Nordex stieg aus dem Wettbewerb aus und konzentrierte sich auf ein einziges Windrad: Eine Turbine, ein Konzept. Das allerdings ist heute führend, da kommt kein Wettbewerber heran. Und dieses eine Windrad kann der Investor, der mehr braucht, mehrfach kaufen und hintereinander schalten, um die gewünschte Kapazität zu erhalten. Die Aktie von Nordex ist binnen eines Jahres von 2 auf 12 Euro geschossen. NACHZÜGLER LEBEN GEFÄHRLICH In einer Welt, in der Innovationen fast schon im Stundenrhythmus in den Markt gegeben werden, fallen Unternehmen zurück, die diese Innovationsgeschwindigkeit nicht mithalten können. Heidelberger Druckmaschinen fällt mir da auf: Der weltgrößte Anbieter von Druckmaschinen kämpft immer wieder um die Konnektivität und natürlich auch Kompatibilität mit dem Internet. CEO Linzbach hat den Konzern auf ein bilanziell solides Fundament gestellt. Doch wohin er mit dem Konzern morgen möchte, das hat er uns bis heute noch nicht verraten. Twitter gehört seit gestern auch in die Kategorie der Nachzügler. Vielleicht war das Management im Q4 zu sehr mit dem Börsengang beschäftigt und holt den dadurch entstandenen Rückstand in den kommenden Wochen schnell wieder auf. Ich nehme das sogar an. Doch aktuell ist Twitter im schnelllebigen sozialen Netz ins Hintertreffen geraten, und das Bewertungsmodell für Wachstum passt nicht mehr. Der Kurssturz von 50 auf 37 Euro ist aus dieser Sicht nur der Anfang, meine ursprüngliche Unternehmensbewertung von etwa 20 Euro je Aktie halte ich für Twitter für viel angemessener, wenn das Unternehmen nicht in den kommenden Wochen den Rückstand aufholt. Rückstand heißt: Twitter muss attraktiver werden, muss wieder mehr Nutzer anziehen, und die Nutzer brauchen Interaktionsmöglichkeiten, die sie länger auf Twitter halten. Wie gesagt, ich bin zuversichtlich, dass Twitter diese erneute Revolution wird stemmen können. Doch vorerst könnte der Kursverfall noch ein wenig weitergehen. Auch die Commerzbank übrigens muss sich neu erfinden. Die Mittelstandsbank hat im vergangenen Jahr viele Altlasten aus der Bilanz entfernt und ist daher kräftig angestiegen. Dadurch macht die Bank aber auch weniger Umsatz, und die Gewinne der Vergangenheit lassen sich so nicht wieder erreichen. Wird die Commerzbank künftig zu einer besseren Sparkasse oder schafft die Commerzbank den Sprung ins Banking 2014? An Ideen fehlt es nicht, insbesondere die Kleinkredite von Privaten an Private halte ich für ein zukunftsträchtiges Modell. Mit dem alten Geschäftsmodell schafft es die Aktie in den kommenden Jahren "nur" auf 20 Euro - immerhin ein Potential von 50%. Doch zu alter Größe wird die Bank auf diesem Weg nicht mehr aufsteigen. Da braucht es einen neuen Ansatz, eine Innovation. Xing leidet in meinen Augen unter fehlenden Innovationen. Das Berufsnetzwerk hat sich in Deutschland etabliert und findet immer neue Wege, seine Kunden zu Bezahldiensten zu bewegen. Doch das Netzwerk ist auf Deutschland, Österreich und die Schweiz beschränkt und wird irgendwann international (LinkedIn) überrollt. Fazit: So, das soll's mal gewesen sein an meinen Einschätzungen für Geschäftsmodelle. Es kommt immer wieder vor, dass ein Unternehmen, meist der CEO selbst, mit einem neuen Konzept Märkte revolutioniert. Und da ist nach einem Kurssprung von 20%, wie gestern von Yelp, noch lange nicht Schluss. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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