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Nein, das ist nicht der Anfang vom Ende! Der Ausverkauf fühlt sich wesentlich schlimmer an als er ist. Gerade diejenigen Aktien, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren alle Aufmerksamkeit auf sich zogen, werden nunmehr ausverkauft. Und da dies genau die Aktien sind, die viele Privatanleger in ihren Depots haben, fühlt sich dieser Ausverkauf fast schon wie ein Börsencrash an.
Doch der DAX notiert bei 9.300 Punkten gerade einmal 4,5% unter seinem im Januar geschriebenen Allzeithoch. Das ist nicht mehr als ein Schluckauf im Rahmen einer seit Ende 2011 laufenden Rallye mit bereits 92% Kursgewinn im DAX. Um so wichtiger ist in diesen Tagen ein gut diversifiziertes Portfolio. Gerade die Werte, für die ich in den vergangenen Monaten häufig gescholten wurde, haben gegen den Trend des Ausverkaufs zulegen können und somit unser Portfolio stabilisiert. In der abgelaufenen Woche hat sich ein Wettstreit entwickelt: Werden es die USA schaffen, die Weltwirtschaft aus dem Sumpf zu ziehen? Oder wird die USA von den Problemen in China, Japan und Europa mit in den Abgrund gerissen? Zunächst setzte sich der am Freitag der Vorwoche begonnene Ausverkauf im Technologiesektor (Highlfyer aus 2013: Biotech, Cloud, 3D-Drucker, ...)zum Wochenbeginn fort. Doch schon bald wurden die negativen Meldungen aus der Ost-Ukraine als "vernachlässigbar" abgetan, und mit dem Handelsbeginn in den USA erholten sich die Kurse. Es schien, als könne die US-Börse wieder die Führung übernehmen. ALCOA MALT ROSIGES BILD FÜR WELTWIRTSCHAFT Denn dann veröffentlichte der US-Aluminiumkonzern Alcoa hervorragende Quartalszahlen. CEO Kleinfeld, ja, der Kleinfeld, der früher CEO bei Siemens war, ist bekannt für seine detaillierte Berichterstattung zur Verfassung verschiedenster Wirtschaftszweige und Regionen. Alcoa ist abhängig von der weltweiten Aluminiumproduktion, also auch von den Produktionsverhältnissen in China. Und das Aluminium wird für Automobilteile verwendet, für Cola-Dosen, für Schrauben und Klemmen bei Flugzeugen (2 Millionen Stück pro Boeing-Flieger!) bis hin zu Apples MacBook Unibody sowie das HTC One. In sämtlichen Bereichen sprach Klaus Kleinfeld von einer starken Nachfrage (Automobile und LKWs), von einer Preisstabilisierung (durch Schließung hochpreisiger Fabriken) und anziehendem Wachstum (Flugzeugindustrie). Auch regional was Kleinfeld überwiegend positiv gestimmt: China wachse nach wie vor mit 6%, Europa mit 0-4% (nach einem Rückgang um 1-3% zuvor). Insgesamt rechne er mit einem Wachstum von 2-5% für Alcoa. Kleinfeld hat einen detaillierten Bericht über die Weltwirtschaft abgegeben, bei dem viele Branchen und Regionen positiv abschnitten. Entsprechend hat sich die Aktienbörse anschließend weiter stabilisiert, eine kleine Rallye wurde sogar losgetreten. Für einen kurzen Augenblick schien es, als sei der Ausverkauf beendet. Insbesondere die Highflyer aus 2013 schossen in die Höhe, Facebook um +6%, ServiceNow um +9%. Dann veröffentlichte die US-Notenbank ihr Sitzungsprotokoll, aus dem sich Anleger Hintergrundinformationen zur Aussage Janet Yellens über die robuste Konjunkturverfassung versprachen. Tatsächlich enthielt das Protokoll keine neuen Hinweise mehr, sondern einmal mehr wurde offensichtlich, wie datenbezogen die Fed handelt: Wenn es die wirtschaftliche Entwicklung in den USA zulässt, werden die Zinsen angezogen. Ängste beherrschen in der Regel das Gemüt von Anlegern: Könnte die Fed zu früh den Zins anheben und eine gerade beginnende Wirtschaftserholung abwürgen? Nein, aus dem Protokoll geht klar hervor, dass nur dann die Zinsen angehoben werden, wenn Konjunkturdaten dies zulassen. Oder könnte die Fed zu lange mit der Zinsanhebung warten, was sodann die Inflationstendenzen fördern würde? Nein, auch das ist laut Sitzungsprotokoll nicht zu befürchten, denn sie wird handeln, wenn es die wirtschaftliche Situation zulässt. Weder zu früh, noch zu spät. Kurz danach wurden noch Arbeitsmarktdaten in den USA veröffentlicht. Im März gab es die geringste Zahl an Neuanträgen auf Arbeitslosengeld seit vor der Finanzkrise 2008. Alles also im grünen Bereich. Anschnallen, festhalten und die Börsenrallye genießen, würde man nun meinen. Doch es kam anders: Statt die niedrig verzinsten Staatspapiere zu verkaufen und das Geld in Aktien zu stecken, um am Konjunkturaufschwung zu partizipieren, handelten die Anleger genau umgekehrt. Am gestrigen Donnerstag gab es einen gigantischen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der diesmal nicht mehr auf die Highflyer aus 2013 beschränkt blieb, sondern auch DAX und Dow Jones mit sich nahm. Gleichzeitig erlebten die Anleihemärkte eine Nachfrage wie seit dem Sommer 2013 nicht mehr. Anleger stürmten auf US-Anleihen als auch deutsche Staatsanleihen und trieben die Kurse in die Höhe, die Rendite entsprechend in den Keller. Was war passiert? UKRAINE-KONFLIKT KEIMT WIEDER AUF Kurz zuvor wurde die Auseinandersetzung in der Ukraine noch als Randerscheinung abgetan. Doch plötzlich stand sie in vielen Finanzmedien wieder als oberste Schlagzeile. Heute droht Russlands Präsident Putin mit der Abstellung der Gaslieferung, wenn Europa nicht schnellstens reichlich Geld nach Russland überweist. Gleichzeitig fordert US-Präsident Obama unsere Kanzlerin Merkel auf, härtere Sanktionen gegen Russland auszuarbeiten. Noch immer gehe ich davon aus, dass sich hier die Verhandlungspartner lediglich in Stellung bringen. Es ist ein Konflikt, und Russland hat eine aggressive Gangart eingeschlagen. Doch ich sehe hier eher Europa in der Pflicht, ein wenig auf Putin zuzugehen. Eine Eskalation halte ich nach wie vor für eher unwahrscheinlich. Auf harte Verhandlungen mit entsprechender Rhetorik sollten wir uns einstellen. Kann also der Konflikt in der Ukraine die Weltfinanzmärkte in die Knie zwingen? Nein, ich würde das nicht als Ursache akzeptieren. SCHWACHE KONJUNKTURDATEN AUS CHINA Die Ausfuhren aus China lagen im März überraschend um 6,6% niedriger als im Vorjahr, Volkswirte waren von einem Anstieg um 4,2% ausgegangen. Importe brachen gar um 11,3% ein (erwartet wurden +2,8%). Oh Graus, das sind nun wirklich verheerend schlechte Zahlen aus dem Land der Mitte. Zudem hat Ministerpräsident Li Keqiang auch noch überraschend ausgesagt, nicht die "Zuflucht in kurzfristigen Stimulusmaßnahmen" zu suchen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. An den Börsen kann diese Nachricht schon für Verwirrung gesorgt haben. Ja, die Zahlen aus China waren sicherlich ein Grund für den Ausverkauf. GRIECHENLAND REFINANZIERT SICH ZU 4,5% Und dann ist da noch Griechenland, das Marodeste aller EU-Länder, das überraschend an den Kapitalmarkt zurückkehrte. Investoren rissen die griechischen Anleihen für eine Verzinsung von 4,5% aus der Hand. 4,5%, noch vor zweieinhalb Jahren lag der Zins weit über 20%. Nirgendwo auf der Welt gibt es in einer soliden Weltwährung eine höhere Verzinsung als in Griechenland. Und in Griechenland gibt es gerade einmal 4,5%. Ist das den Unterschied zu den 2,6% in den USA oder 1,4% in Deutschland wert? Würden Sie das Risiko eingehen, Ihr Geld der griechischen Regierung zu geben für ein Renditeplus von gerade einmal 2-3% im Vergleich zu absolut sicheren Anleihen? Ich nicht. Und das hat Anlegern die Entscheidung sehr leicht gemacht: Wenn schon keine Aktien, dann eben Staatsanleihen in den USA oder Deutschland. So haben wir schon einmal die Erklärung für die starke Nachfrage gerade nach US- und deutschen Anleihen. Doch warum wurde so viel Geld aus den Aktien abgezogen? Nur aufgrund der schwachen Daten aus China? INSIDERSELLING AUF REKORDNIVEAU Ich hatte es vor einigen Wochen bereits ausgeführt: Dank der Flut an IPOs (Börsengänge) im Bereich Cloud, 3D-Drucker, Biotech, Social Media, ... gibt es derzeit ein Überangebot an Aktien aus diesen Segmenten. Biotech-Anleger müssen andere Biotech-Aktien verkaufen, um Geld für die Neuen zu haben. Das IPO-Spiel läuft wie folgt: Banken organisieren den Börsengang. Dabei unterscheiden sie zwischen "guten" und "schlechten" Kunden. Gute Kunden sind diejenigen institutionellen Anleger, denen sie einen ordentlichen Schwung an IPO-Aktien zum IPO-Preis verkaufen können und die anschließen einen ähnlich großen Schwung über die Börse nachkaufen - in den ersten Handelsstunden bis -tagen. Gute Kunden bekommen also am liebsten immer etwa die Hälfte dessen zugeteilt, was sie haben wollen. Dadurch erzeugt die Bank gleich eine Nachfrage nach den Aktien, die von den Tradern bereits in den ersten Stunden / Tagen wieder auf den Markt geworfen werden. Man kann nicht jeden einzelnen Anleger auf Herz und Nieren untersuchen, bevor man ihm Aktien zuteilt. Aber insbesondere bei den Großen merkt man sich schon mal, wie sie sich in der heißen Phase nach dem IPO verhalten. Nicht jeder IPO ist ein Erfolg für die institutionellen Anleger (Kunden der Bank). Doch man muss jeden IPO mitmachen, um bei den wenigen aussichtsreichen dann möglichst viele Aktien zugeteilt zu bekommen. Das Verhältnis zur Bank muss gepflegt werden. Wenn also ein Biotech-IPO ansteht, muss man halt ein paar Biotech-Aktien verkaufen, um durch die IPO-Zuteilung die beabsichtigte Gewichtung von Biotech-Aktien im Portfolio nicht zu gefährden. So sorgt allein die Flut von IPOs der vergangenen Wochen schon für ein Überangebot an Aktien aus den entsprechenden Branchen, und das drückt die Kurse. Die Insider der IPO-Firmen haben in der Regel eine Sperrfrist von sechs Monaten, bis sie ihre Aktien verkaufen dürfen. Nun sehen sie Tag für Tag, wie ihre Insideraktien weniger wert werden - und sie fühlen sich hilflos. Sie dürfen nicht verkaufen. Da kommt das Angebot einiger Broker gerade Recht: Sie bieten Finanzprodukte an, die vom Kursverfall gerade dieser Branchen profitieren. Die Insider können sich also gegen weitere Kursverluste absichern, ohne gegen die Insiderregeln zu verstoßen. Die Bank tut das für sie, denn sie tätigt Leerverkäufe in den Aktien der entsprechenden Branche (ich weiß, das ist eine Behauptung von mir, doch ich finde sie naheliegend). Es sind aber nicht nur die Insider neuer IPOs, es sind auch die unzähligen Insider der etablierten Unternehmen. Auch diese finden wir derzeit auf der Verkäuferseite. Doch lassen Sie sich davon nicht in die Irre leiten, Insiderselling ist ein schlechter Indikator, wie viele Studien gezeigt haben. Insiderbuying ist ein guter Indikator, nicht aber Insiderselling. Wir befinden uns mitten in der Berichtssaison, und von den Insidern dürfen in diesen Tagen viele eben nicht verkaufen. Insider haben quartalsweise genau definierte Zeitfenster, zu denen sie verkaufen dürfen. Ausserhalb dieser Zeitfenster müssen sie sich anders absichern ... beispielsweise durch die oben angesprochenen Finanzprodukte der Broker, mit denen auf fallende Kurse der eigenen Branche gewettet wird. Auch diese Insider befeuern so den Ausverkauf und ich frage hier wiederum, da durch ihren Kauf der entsprechenden Finanzprodukte seitens der Broker als Gegengeschäft Leerverkäufe getätigt werden müssen, verstoßen sie damit gegen eine enge Auslegung der Insiderregeln? Sei's drum, et es wie et es: Die Nervosität der Insider hat sich über diesen Mechanismus inzwischen ausgebreitet und zieht auch andere Anleger mit sich. Gepaart mit den Daten aus China hat diese Nervosität gestern zu heftigen Verkäufen geführt. So laufen die Bären derzeit mit folgenden Argumenten über Parkett und Mattscheibe: 1. Nach 92% Kursgewinn in nur zweieinhalb Jahren MUSS einmal eine Korrektur kommen 2. Die rückläufigen Zinsen deuten stets auf wirtschaftliche Probleme 3. Trotz rückläufiger Zinsen am kurzen Ende und steigender Zinsen am langen Ende steigen die Bankaktien, die Hauptprofiteure dieser Entwicklung, nicht - da muss doch was faul sein. 4. China könnte kollabieren 5. Japan kollabiert 6. Es gibt keinen Kurs der niedrig genug ist, um das Insiderselling von Aktien ohne KGV und ohne Dividende zu beenden 7. Was, wenn Russland wirklich das Gas abdreht? 8. ...und wir laufen auf eine kritische Berichtssaison zu. Also: Nichts leichter als sich als Börsenbriefschreiber nun mit einem "Rette sich wer kann" in die Schlagzeilen zu katapultieren. Doch damit täte ich Ihnen keinen Gefallen. Im Gegenteil, Sie würden mich verfluchen, wenn der DAX zum Jahresende über 10.000 Punkte steht. Und vieles deutet darauf hin. In Kapitel 04 gebe ich Ihnen meine Bullen-Argumente. Schauen wir einmal auf die Entwicklung der wichtigsten Indizes im Wochenvergleich: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (10.04.2014) | Woche Δ Dow Jones: 16.170 | -2,4% DAX: 9.455 | -1,8% Nikkei: 13.960 | -7,3% Euro/US-Dollar: 1,39 | 1,4% Euro/Yen: 141,44 | -0,6% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,63% | -0,16 Umlaufrendite Dt: 1,29% | -0,05 Feinunze Gold: $1.316 | 2,1% Fass Brent Öl: $107,31 | 0,8% Kupfer: 6.659 | 0,2% Baltic Dry Shipping: 1.029 | -16,7% -7,3%: Japan kollabiert. Das zeichnete sich schon in der Vorwoche ab, als die Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung diskutiert wurden. Zudem waren die schwachen Daten aus China besonders negativ für das kleine Nachbarland Japan. Die schwachen Im- und Exportzahlen Chinas zeigen sich auch umgehend im Baltic Dry Verschiffungsindex, die kurzfristigen Verschiffungsraten für Schüttgut brachen um 16,7% ein. Nein, rosig sieht es insbesondere in Asien derzeit nicht aus. Die Lage ist aussichtslos aber nicht ernst ... oder umgekehrt? | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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