Alt 20.05.12, 00:13
Standard So tickt die Börse: Finanzwelt blickt auf Merkel & Draghi
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Wer wird es richten? Wird es gerichtet? In meiner Analyse, die ich am Mittwoch den Heibel-Ticker PLUS Kunden zuschickte, kam ich zu dem Schluss, dass die Lösungen auf dem Tisch liegen, doch deren Umsetzung lässt auf sich warten. Und „warten“ kann teuer werden.

So befinden sich die Finanzmärkte wieder einmal in Fesseln einer nicht handlungsfähigen europäischen Politik. Entweder die Europapolitik hat neue Verhandlungspartner, wie in Frankreich und Holland. Oder gar keine Verhandlungspartner, wie in Griechenland.

Die Griechen sagen: „Wir machen das nicht mit“, und niemand weiß so recht, wie genau die Alternative aussehen wird.

Die Spanier sind handlungsunfähig, denn sie haben alles getan, was von ihnen verlangt wurde, und dennoch ist die Hälfte aller Jugendlichen arbeitslos, Immobilien drohen weitere 20-30% an Wert zu verlieren, und Besserung ist nicht in Sicht.

Italien scheint vorerst aus dem Kreuzfeuer zu sein. Doch einen handlungsfähigen Partner findet Deutschland derzeit weder dort noch in Frankreich.

Und derweil widmet sich Angela Merkel innenpolitischen Problemen, oder besser gesagt parteipolitischen Problemen. Horst Seehofer ist diese Woche im Heute Journal der Kragen geplatzt und er beklagte die Untätigkeit in der Regierung. Die Umsetzung des Fiskalpakts müsse endlich in Angriff genommen werden. Dies beinhalte auch eine Implementierung der bereits beschlossenen europäischen Transaktionssteuer.

Schauen wir einmal, wie die Märkte auf diese Untätigkeit reagierten:


WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (17.5.2012) | DIFF

Dow Jones: 12.442 | -3,2%

DAX: 6.309 | -3,2%
Nikkei: 8.611 | -3,8%
Euro/US-Dollar: 1,268 | -1,9%
Euro/Yen: 100,465 | -2,5%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,70% | -0,2
Umlaufrendite Dt: 1,19% | -0,1
Feinunze Gold: $1.575,9 | -0,3%
Fass Brent Öl: $106,89 | -4,3%
Kupfer: 7.660 | -4,3%
Baltic Dry Shipping: 1.137 | -0,8%



Um 3,2% ist der DAX diese Woche eingebrochen. Hinzu kommt ein Wertverlust des Euros gegenüber dem US-Dollar um 1,9%. Internationale Anleger fliehen aus Europa.

Griechenland wird erst am 17. Juni Neuwahlen abhalten. Bis dahin dürfen wir von dort mit keiner Besserung rechnen, im Gegenteil: Wenn wir jüngsten Umfragen glauben, dann werden Europagegner die Mehrheit stellen, und damit steigt die Gefahr eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone.

Spätestens dann wird sich zeigen, wie der Plan-B unserer Regierung für einen solchen Fall aussieht. EZB-Chef Draghi hat in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass er nicht gewillt ist, irgendwelche Verluste aus der Griechenland-Tragödie zu übernehmen. Griechische Banken können sich ab sofort bei ihm nicht mehr refinanzieren.

Das erhöht nochmals den Druck auf die Politik, die bislang in Zeiten größten Trubels stets auf die Hilfe der EZB hoffen konnte. Jetzt muss die Politik selbst agieren, und nachdem Strukturreformen und Sparmaßnahmen inzwischen beschlossen sind, fehlt es an dem von Hollande, der SPD und sogar von vielen in der Union geforderten Marshall-Plan.

Strukturreformen sind das einzig langfristig erfolgsbringende Konzept. Doch die Reformen bereiten Schmerzen, und diese müssen mit Förderprogrammen gelindert werden. Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten entwickelt:


SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
27.04.- 04.05. (198): 46% / 13%
04.05.- 11.05. (156): 52% / 11%
11.05.- 18.05. (141): 51% / 11%

Kaufempfehlungen der Analysten

Allianz, Leoni, Südzucker

Verkaufsempfehlungen der Analysten

IamGold, Klöckner, Nokia

Privatanleger

18. KW: 65% Bullen (166 Stimmen)
19. KW: 56% Bullen (179 Stimmen)
20. KW: 51% Bullen (142 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger

Total S.A., Vallourec, Gilead Sciences

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger

Keryx Biopharmaceuticals, Loewe, Hamburger Hafen und Logistik


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


FACEBOOK MIT GRÖßTEN IPO DER GESCHICHTE

Ich hatte es angekündigt: Es würde mich wundern, wenn Facebook mit weniger als 100 Mrd. USD Marktkapitalisierung an die Börse geht. Und genau so ist es nun auch gekommen: Zunächst wurde die Preisspanne für die Aktienausgabe von 28-35 USD auf 34-37 USD angehoben, nun wurde der Emissionspreis auf 38 USD je Aktie festgelegt. Die Marktkapitalisierung von Facebook beträgt demzufolge 104 Mrd. USD!

Eine andere Entwicklung überrascht mich hingegen: Befürchtet hatte ich ursprünglich, dass das Angebot an Aktien künstlich so gering gehalten wird, dass anschließend institutionelle Anleger über die Börse ihre gewünschten Positionsgrößen zukaufen müssen und dadurch den Kurs in die Höhe treiben. Wären nur 5% der Aktien an die Börse gegeben worden, dann hätte ich einen Kurssprung über 100 USD am ersten Tag nicht ausgeschlossen. Doch das Unternehmen wollte zunächst 10% ausgeben, was mich beruhigte.

Nun hat Facebook jedoch bekanntgegeben, dass vom Start weg 16% der ausstehenden Aktien über den Börsengang in den Streubesitz gegeben werden. Das sind also Aktien im Volumen von über 16 Mrd. USD, die ab heute Nachmittag plötzlich gehandelt werden. Und das bedeutet wiederum, dass Gelder in Höhe von 16 Mrd. USD für Käufe anderer Aktien nicht zur Verfügung stehen. Das ist schon eine Stange Geld, und das dürfte Öl ins Feuer des aktuellen Ausverkaufs gießen.

Viele institutionelle Anleger bereiten sich in diesen Tagen auf turbulente Sommerwochen in Europa vor: Griechenland, Spanien, sozialistisches Frankreich, Machtverfall der CDU in Deutschland, ... es gibt Gründe genug, einen heftigen Ausverkauf an den Finanzmärkten zu fürchten, und so wird Liquidität generiert was das Zeug hält, sprich, es werden Aktienpositionen verkauft.

So sexy der Facebook-Börsengang auch sein mag, wenn die Aktie jedoch heute Nachmittag über 50 USD steigen sollte, werden viele institutionelle Anleger ihre Strategie der Liquiditätsgenerierung konsequent umsetzen und ihre Aktienzuteilung verkaufen. Sie werden, anders als zu besseren Börsenzeiten, eben nicht ihre Positionen voll machen und Aktien nachkaufen, sondern lieber die Gewinne einstecken und mit hohem Barbestand die weitere Entwicklung in Europa beobachten.

Facebook wird man auch im Spätsommer wieder zu günstigeren Kursen kaufen können, denn auch Facebook wird von einer ganzen Liste von Unsicherheiten umgeben: Wird es dem Unternehmen gelingen, seine 900 Mio. Nutzer zum Klicken auf die Werbung zu bewegen?

Wenn es ein Unternehmen schafft, dies auch auf den neuen mobilen Plattformen wie Smartphones und Touchpads zu gewährleisten, dann Facebook. Doch ob es gelingen wird? Das werden die nächsten Monate zeigen. Und als institutioneller Anleger kann man da schon mal lieber die Gewinne eines stürmischen Börsengangs einbuchen.

Im Moment, kurz vor Eröffnung der US-Börse, glaubt man, dass die meisten institutionellen Anleger etwa ein Drittel ihrer gewünschten Positionsgröße zugeteilt bekommen haben, und viele von ihnen werden bis zu Kursen um 50 USD nachkaufen, um ihre Positionen voll zu kriegen. Bei 50 USD liegt die rechnerische Höchstgrenze einer irgendwie argumentativ begründbaren Facebook-Bewertung, und so würde ich bei einem Übersteigen der 50 USD erwarten, dass der Verkaufsdruck derjenigen zunimmt, die dann Gewinne realisieren und ihre Position auflösen.

Für uns als Privatanleger: Finger weg von den Aktien, es wird einen besseren Zeitpunkt geben, um über einen Kauf nachzudenken. Kurse deutlich unter 50 USD und mit wesentlich mehr Gewissheit über die Möglichkeiten Facebooks, seine Kunden zu Geld zu machen.


TOP ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:


Firma | Analyse vom | Kurs | Kursziel | Upside

Ströer | 16.05.12 | 8,63€ | 21,10€ | 144,50%

MEDIGENE | 14.05.12 | 1,14€ | 2,60€ | 128,07%
PVA TEPLA | 14.05.12 | 3,16€ | 6,20€ | 96,20%
CENTROTHERM | 15.05.12 | 5,22€ | 10,00€ | 91,57%
SKY Dtl. | 16.05.12 | 2,03€ | 3,75€ | 84,73%
THYSSENKRUPP | 15.05.12 | 15,25€ | 28,00€ | 83,61%
Gigaset | 15.05.12 | 1,77€ | 3,20€ | 80,79%
DIC ASSET | 15.05.12 | 6,02€ | 10,50€ | 74,42%
SALZGITTER | 16.05.12 | 35,98€ | 62,10€ | 72,60%
PRAKTIKER | 14.05.12 | 1,55€ | 2,50€ | 61,29%



Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.

Hochexplosiv würde ich sagen ist die Stimmung am heutigen Freitag! Hochexplosiv in beide Richtungen: Griechenland ist ein absolutes Chaos, Spanien ist entwaffnet und steht mit dem Rücken zur Wand, und die beiden Hauptakteure, Frankreich und Deutschland, kümmern sich um ihre nationalen Probleme.

Kommt es über das Wochenende zu einer konzertierten Aktion, dann wäre dies eine absolut positive Überraschung, die viele Leerverkäufer auf dem falschen Fuß erwischen würde und zu einer heftigen Rallye führen könnte. Passiert hingegen nichts, dann fundamentiert Europa den Ruf in der Welt, handlungsunfähig zu sein. Ein hochexplosives Gemisch.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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