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Der gestrige Börsentag in den USA war der spannendste Tag seit Wochen, vielleicht sogar Monaten! Wie ein Boxkampf von Mohammed Ali, dem Schwergewichtsweltmeister, der bei seinen Kämpfen mehr einstecken konnte, als irgendein anderer Boxer und am Ende stets triumphierte. So haben die Bullen gestern immer wieder Volltreffer einstecken müssen, taumelten, doch erholten sich wieder.
In den Crash-Monaten September und Oktober ist der Dow Jones dieses Jahr um 12,5% in die Höhe geschossen. Eine Konsolidierung, wenn nicht gar eine heftige Korrektur, ist überfällig. So lief die Rallye in den vergangenen zehn Tagen aus, die Bullen sind angeschlagen und die Börsen rüsten sich für einen letzten Volltreffer, mit dem die Bullen K.O. geschlagen werden sollen. Da passiert Folgendes: VOLLTREFFER NR. 1 CISCO MIT VERHEERENDEM AUSBLICK Am Mittwochabend veröffentlichte CEO John Chambers die Quartalszahlen seines Unternehmens. Umsatz und Gewinn lagen leicht über den Erwartungen, doch in den vergangenen Wochen haben bereits Wettbewerber wie Juniper hervorragende Zahlen abgeliefert und die Prognosen angehoben. Ein Übertreffen der Erwartungen wurde bereits erwartet, so albern diese Formulierung auch klingen mag. Doch Chambers senkte anschließend die Prognosen für die künftigen Quartale. Und das nun schon zum zweiten Mal, nachdem er dies völlig überraschend beim letzten Quartalsergebnis schon einmal getan hatte. Einmal konnte man das noch als Vorsichtsmaßnahme werten, doch nachdem dies am Mittwoch wiederholt wurde, gab es für die Aktie kein Halten mehr, der Kurs brach um 15% ein. Cisco ist der weltweit größte Netzwerkausstatter und ich habe für meine Heibel-Ticker PLUS Kunden eine ausführliche Analyse des Quartalsergebnisses vorgenommen. Hier möchte ich nur auf zwei Dinge verweisen: Schauen Sie sich einmal die Kursreaktionen von Juniper und Home Depot an. Juniper Networks: Der Wettbewerber eröffnete gestern zwar im Minus, Anleger nutzten die Schwäche jedoch sofort zum Kauf, und so schloss die Aktie nahezu unverändert. Sowohl die Geschäftsentwicklung als auch die Reaktion der Anleger lässt darauf schließen, dass die Probleme von Cisco keine Branchen-oder Konjunkturprobleme sind, sondern nichts weiter als eben nur Probleme von Cisco. Home Depot: Chambers nannte als einen wesentlichen Faktor der schwachen Geschäftsperspektive eine Zurückhaltung von Immobilienbesitzern beim Ausrüsten ihres Heims mit moderner Netzwerktechnologie. Cisco verkauft Kabel-Set-Top-Boxen, diemInternet, TV und Telefon in den Haushalten steuern. Chambers hat also den Eindruck, dass die US-Amerikaner solche Investitionen in ihr eigenes Heim scheuen. Schauen wir uns einmal die Entwicklung bei Home Depot an, dem größten Baumarkt der USA. Nun, die Aktie ist in den vergangenen drei Monaten um 15% angesprungen. Der Grund dafür ist schnell gefunden: Das Unternehmen erfreut sich eines ordentlichen Cashflows. Hausbesitzer kaufen wieder kräftig bei Home Depot ein, um ihr Haus aufzuwerten. Das US-Magazin Barrons spricht von einem „besseren Ausblick für Baumärkte“. Also auch hier habe ich den Eindruck, dass die Probleme von Cisco eben nur Probleme von Cisco sind und nicht als signifikant für die Branche betrachtet werden können. Das ist seit nunmehr über 20 Jahren das erste Mal, dass Cisco die Erwartungen derart enttäuscht. Über 20 Jahre war das Ergebnis von Cisco so etwas wie ein Goldstandard für die Technologiebranche. Den ersten Warnschuss von Cisco vor drei Monaten habe ich ignoriert – ein Fehler, der unserer Beobachtungsliste ein dickes Minus einbrachte. Ein zweites Mal werde ich Cisco nun nicht ignorieren. Wir trennen uns von dieser Position und ich werde aufmerksam beobachten, ob Cisco wirklich eigene Probleme hat, wie ich es derzeit annehme, oder ob Chambers hier eine Trendwende, eine Top-Bildung richtig vorhersieht. Als eine der 30 Dow Jones Komponenten und als ehemals wertvollstes Unternehmen der Welt hat der Kurseinbruch von Cisco einen heftigen Effekt auf den Dow Jones. Der Index eröffnete im Minus, erholte sich aber bald wieder von diesem schlechten Start – obwohl Cisco weiterhin dick im Minus notierte. VOLLTREFFER NR. 2 KEINE DEFIZITBESCHRÄNKUNG FÜR OBAMA Obama knickt bei seiner Forderung nach einer Begrenzung der Außenhandelsdefizite ein. Die USA sehen derzeit zwei Wege, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern: Entweder die Abwertung des US-Dollars, wie derzeit von Obama durch QE 2 kräftig vorangetrieben, oder per Order de Mufti ein Verbot zu hoher Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder, wie es insbesondere gegenüber China und Deutschland seitens der USA immer wieder gefordert wird. Wir sollen die Binnenkonjunktur stärken, also die Löhne anheben, um die Handelsüberschüsse zu reduzieren. Kurz vor dem G20 Treffen in Seoul hat Angela Merkel noch Otmar Issing konsultiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass Prof. Issing ihr noch die notwendigen Argumente an die Hand gegeben hat, um diesmal nicht den Verlockungen „diplomatischer“ Versprechungen (wir erinnern uns an Sarkozy, der sie zur Aufgabe der automatischen Sanktionen für Defizitsünder überredet – oder übertölpelt? - hat) zu erliegen. Sie hat Obama in eisiger Atmosphäre eine klare Absage erteilt. Flankiert wird diese Absage durch die folgende Aussage, die Prof. Issing im Interview mit dem Deutschlandradio machte: „Die USA müssten bei sich zu Hause anfangen. Die Vereinigten Staaten stecken nach wie vor in schwierigen Problemen, mit den Folgen der Krise zurechtzukommen. Diese Krise wurde ja nicht zuletzt durch die Entwicklungen in den USA verursacht, die Haushalte in den Vereinigten Staaten sind bis über beide Ohren verschuldet, mit dem Zusammenbruch eines durch billige Kredite geförderten Baubooms und Häusermarktes sind die Bilanzen der Haushalte durcheinandergeraten. Die privaten Haushalte in den Vereinigten Staaten haben so gut wie nicht gespart, sie haben auf Pump gelebt, das wird jetzt korrigiert in einem schmerzhaften Prozess, und je besser das den Vereinigten Staaten gelingt, desto mehr wird sich auch ihr Defizit in der Leistungsbilanz abbauen.“ Die USA sollten sich nach Meinung von Prof. Issing also weder durch QE 2, noch durch Handelsbeschränkungen aus der Misere retten, sondern müssen ihre eigene Politik überdenken. Das tut weh, und der Dow Jones ist nach dieser Meldung im Tagesverlauf erneut eingeknickt, um jedoch schon bald wieder Käufer zu motivieren und so erholte sich der Dow Jones erneut. VOLLTREFFER NR. 3 DREAMLINER-PROBLEME BEI BOEING Nach der Schadenfreude über die Triebwerksprobleme des A380 bei EADS, die derzeit von Rolls Royce unter Hochdruck gelöst werden müssen, erlitt auch der Dreamliner von Boeing einen herben Rückschlag. In der Elektrik des Langstreckenfliegers ist ein Feuer entstanden, der Testflieger musste diese Woche notlanden. Gestern Abend wurde bekanntgegeben, dass alle Testflüge bis zum Austausch einer betroffenen Komponente gestoppt werden. Resultat: Der Termin des Auslieferungsbeginns im ersten oder zweiten Quartal 2011 steht wieder einmal in Frage. Es wäre die neunte Verschiebung! Der Kurs von Boeing brach nochmals um weitere 3% ein, im Wochenverlauf verlor Boeing schlappe 10% an Marktkapitalisierung, sprich Kurswert. Neben Cisco nun also auch noch ein weiteres Schwergewicht dick im Minus: Boeing. Doch auch dieser Treffer führte nicht zum K.O. der Bullen, die Gegner Mohammed Alis schüttelten schon manches Mal ungläubig den Kopf, wenn ihr Gegner erneut gestärkt aus seiner Ecke in den Kampf zurückkam. So mancher Gegner ließ sich irgendwann entnervt zu einem Tiefschlag verleiten – wenngleich dies umgehend bereut wurde. VOLLTREFFER NR. 4 VERFRÜHTE Q3-ZAHLEN VON DISNEY Um 15:30 Uhr EST-US-Zeit, also 21:30 Uhr MEZ und somit eine halbe Stunde vor US-Börsenschluss standen plötzlich die erst nach Börsenschluss zu veröffentlichenden Quartalszahlen von Walt Disney auf deren eigener Internetseite. Ein Fehler, dernicht passieren darf – da hat bestimmt jemand seinen Job verloren. Das brisante daran: Das Ergebnis war schlechter als erwartet. Die Aktie brach binnen weniger Sekunden um 4,3% ein. Trader werden nun ausrufen „die vorzeitige Veröffentlichung der Zahlen ist nicht fair“. Doch der Treffer saß trotzdem, die verfrühte Veröffentlichung kann nicht rückgängig gemacht werden. Der Tiefschlag traf auch den Dow Jones, denn Walt Disney ist ebenfalls eine Dow-Komponente. Zum vierten Mal gingen die Kurse in die Knie. „Jetzt“, riefen die Bären, „jetzt wird der Boxhandschuh mit Nägeln gefüllt, jetzt holen wir unsere schlimmsten Waffen aus der Kammer“ und was glauben Sie, wen ich wenig später auf CNBC sah: Nouriel Roubini oder Meredith Whitney? HAKEN NR. 5 ROUBINI & WHITNEY AUF CNBC Beide! Roubini führte in aller Ruhe die Gefahren eines Double Dip, also einer Rückkehr zu einer zweiten Wirtschaftskrise aus. Und Whitney breitete ihre Theorie aus, dass insbesondere Regionalbanken aufgrund der neuen Finanzmarktregeln in den USA kein Geld mehr verdienen können und es in den nächsten Monaten zu einem Sterben hunderter Banken kommen werde. Es war wie in einem schlechten Film! Doch schauen Sie sich den Kursverlauf des Dow Jones in der letzten halben Stunde einmal an: Ein paar Minuten länger und der Index hätte im Plus geschlossen. So betrug das Tagesminus „nur“ 0,65%. Als Bär werden Sie sich heute Nacht die Haare gerauft haben: Was muss denn noch alles passieren, damit diese Börse in die Knie gezwungen werden kann? Eine Reihe von Volltreffern und selbst Tiefschlägen steckt Mohammed Ali weg wie nichts, da schwant einem Schreckliches (aus Sicht der Bären), wenn sich die Bullen zur Gegenoffensive formieren. Auf Deutsch: Es ist meines Erachtens erstaunlich, wie robust die Börse derzeit auf negative Meldungen reagiert. Der Optimismus ist groß, selbst kleinste Korrekturen werden von Anlegern zum Kaufen genutzt. Vor dem Hintergrund der Meldungen dieser Woche hätte mich eine deutlich schlechtere Wochenperformance nicht überrascht. Schauen wir uns die Wochenentwicklung einmal im Detail an: WOCHENRÜCKBLICK: INDIZES (11.11.2010) Dow Jones: 11.283 | -1,3% DAX: 6.723 | -0,2% Nikkei: 9.724 | 1,0% Euro/US-Dollar: 1,360 | -4,3% Euro/Yen: 111,73 | -2,6% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,65% | 0,2 Umlaufrendite Dt: 2,12% | -0,1 Feinunze Gold USD: $1.388,02 | 0,1% Fass Crude Öl USD: $87,80 | -0,3% Baltic Dry Shipping I: 2.366 | -5,7% Kupfer in US$/to: 8.599 | -1,2% „Völlig überraschend“ (ich habe dies am vergangenen Freitag genau so vorhergesagt) ist der Euro gegenüber dem US-Dollar eingebrochen. Nachdem nun jedem klar war, dass der US-Dollar durch QE 2 in die Bedeutungslosigkeit abfallen wird, standen die Zeichen in meinen Augen gut für eine „überraschende“ Gegenbewegung des US-Dollars. Und siehe da, der US-Dollar hat diese Woche um 4,3% zugelegt. Das schwächt natürlich die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft, in Folge dessen ist das Minus von 1,3% im Dow Jones gegenüber dem nahezu unveränderten DAX keine Überraschung mehr. Und auch das Plus im Nikkei (+1%) ist weniger vor dem Hintergrund des festen Yens gegenüber dem Euro zu sehen (-2,6%), sondern vielmehr auf den schwachen Yen gegenüber dem US-Dollar zurückzuführen. Während der Goldpreis vor diesem Hintergrund in US-Dollar gerechnet sein Preisniveau halten konnte, sprang der Kurs des gelben Metalls für uns Europäer in der abgelaufenen Woche um 6% in die Höhe. Wie angekündigt hatten wir hier in Europa noch eine verlängerte Schonfrist, doch nun springt der Goldpreis auch in unserer Währung in Richtung neue Höchststände. Ähnlich überraschend wie die Dollarstärke ist auch die Schwäche der US-Anleihen. Obwohl Bernanke für absehbare Zeit niedrige Zinsen versprochen hat, stieg die Rendite um 0,2 Prozentpunkte an. Auch hierbei dürfte es sich meines Erachtens um eine Gegenreaktion handeln: Auf QE 2 war spekuliert worden, nun werden Gewinne mitgenommen. Schauen wir uns einmal an, wie die Nachrichtenlage in Deutschland aufgenommen wird: SENTIMENTDATEN: DIE BULLEN GEWINNEN DIE ÜBERHAND Analysten Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 22.10.- 29.10. (270): 49% / 9% 29.10.- 05.11. (228): 50% / 8% 05.11.- 12.11. ( 67): 55% / 7% (Anmerkung: Systemumstellung, daher unvollständige Analystenempfehlungen) Kaufempfehlungen der Analysten Gildemeister, Dt. Post, Symrise Verkaufempfehlungen der Analysten Dt. Postbank, Pfleiderer, RWE Privatanleger 43. KW 2010: 63% Bullen (74 Stimmen) 44. KW 2010: 61% Bullen (67 Stimmen) 45. KW 2010: 70% Bullen (60 Stimmen) Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 6.773 Kaufempfehlungen der Privatanleger Société Générale, Alcatel-Lucent Verkaufempfehlungen der Privatanleger Borussia Dortmund, Amadeus Fire Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Analysten sowie Privatanleger werden zunehmend bullisch. Ein spannender Moment, denn wie weiter oben ausgeführt, formieren sich die Bullen vermutlich gerade zur Gegenoffensive. Doch wenn die Stimmung bereits so bullisch ist, wie weit kann die Gegenoffensive die Kurse dann noch nach oben führen? | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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