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Um 16:00 Uhr unserer Zeit schrieb der Dow Jones gestern seinen Tiefpunkt, nur eine halbe Stunde nach Eröffnung der US-Börse. Kurz danach folgte der DAX gegen 16:30 Uhr. Was war passiert? Der Ölpreis befand sich zu diesem Zeitpunkt weiter unter Druck. Die US-Notenbank Fed hatte am Tag zuvor den Leitzins unverändert bei 0,25% belassen, eine gute Nachricht für die Aktienbörse. Und die Brexit-Wahrscheinlichkeit war erneut gestiegen (http://www.bloomberg.com/graphics/2016-brexit-watch/).
Doch halt, es war der Zeitpunkt, an dem die Ermordung der britischen Politikerin Jo Cox bekannt wurde. Die 41-jährige Britin hatte für den Verbleib Englands in der EU gekämpft sowie für bessere Integration für syrische Flüchtlinge. Sie wurde auf offener Straße ermordet. "Jetzt ist es genug!" war meines Erachtens die Reaktion vieler Börsianer. Seit Monaten dominieren die Brexit-Befürworter die politische Diskussion in Europa. Es ist eine weitere Protestwahl gegen die etablierten Parteien und gegen die vielen fragwürdigen Entscheidungen in Europa, in der EU. Es gibt viel zu kritisieren, doch was ist die Alternative? Einfach mal in den Sack hauen und aus der strauchelnden EU austreten, haben sich viele Briten gesagt. Und so werden seit Monaten immer mehr Argumente vorgebracht, die Folgen eines Austritts werden verniedlicht und zwischen jeder Zeile der Brexit-Diskussion ist zu lesen: So, wie derzeit in Brüssel regiert wird, wollen wir Europäer nicht regiert werden. Und so fühlt sich irgendwann ein vermeintlich stolzer Brite aufgefordert, die Befürworter der EU nicht nur verbal sondern tätlich anzugreifen. Jo Cox ist das Opfer einer zu emotional geführten Debatte um den Brexit. Nach der Ermordung von Jo Cox haben sich die Parteien in England eine Pause in der Debatte um den Brexit verordnet. Das Referendum findet am kommenden Donnerstag statt. Wenn aus Überzeugung Hass wird und aus Hass Gewalt, dann kommen Argumente zu kurz. Der emotional geführte Wahlkampf, insbesondere der Brexit-Befürworter, wurde durch den Mord an der Brexit-Gegnerin seiner Argumente beraubt. Sämtliche internationale Politiker in verantwortungsvollen Positionen sprechen sich mit guten Argumenten gegen einen Brexit aus und dennoch hat der emotionale Wahlkampf viele Stimmen für den Brexit einsammeln können. Doch das ist nun vorbei. "Jetzt ist es genug" sagen nun all jene, die dem emotionalen Wahlkampf mit Argumenten begegneten. Wer bislang noch unentschieden war, bekam gestern vor Augen geführt, wohin eine Protesthaltung führen kann. Der Brexit ist durch die schreckliche Ermordung von Jo Cox deutlich unwahrscheinlicher geworden... ...und deswegen begannen die Aktienbörsen zu steigen. CLOUD IST NICHT CLOUD UND SOCIAL IST NICHT SOCIAL Ich habe mir die Übernahme von LinkedIn durch Microsoft im Detail angeschaut und habe herausgearbeitet, was LinkedIn für Microsoft bedeutet. Im Kielwasser dieser Übernahme ist nun die Aktie von Twitter um 15% angesprungen. Ist nun damit zu rechnen, dass Twitter demnächst in den Fokus von Salesforce.com oder SAP gerät? Nein, damit rechne ich nicht. Microsoft hat sich auf das Geschäft mit Unternehmen konzentriert, B2B (business-to-business), und da passt LinkedIn als Karrierenetzwerk wunderbar hinein. Zudem strebt Microsoft in die Cloud und braucht dafür Personal aus dem Silicon Valley. LinkedIn hat 10.000 davon. Twitter hat in den vergangenen Jahren gelitten. Das Unternehmen entspringt zwar ebenfalls dem Silicon Valley, doch viele helle Köpfe haben in den vergangenen Jahren den Konzern verlassen. Seit inzwischen anderthalb Jahren warten wir vergeblich darauf, dass irgendein CEO das Ruder herum reißt und Twitter zurück auf den Wachstumspfad führt. Vergeblich. Zudem geben Twitter-Nutzer nicht so viel von sich Preis wie LinkedIn-Nutzer. Die Profile sind recht rudimentär, es werden halt Kurznachrichten ausgetauscht. Twitter-Nutzer sind hauptsächlich im privaten Umfeld unterwegs, LinkedIn wendet sich an Berufstätige. Damit ist Twitter in der privaten Cloud unterwegs und LinkedIn in der B2B-Cloud. Twitter ist zwar social, weil Nutzer direkt miteinander interagieren, doch sie geben nur wenig von sich preis. LinkedIn hingegen weiß extrem viel über seine Nutzer. Die Gründe, die Microsoft in LinkedIn für die Übernahme sah, kann Twitter nicht bieten. Warum sollte nun also Salesforce.com oder SAP Twitter kaufen? Mir fällt kein Grund ein. Für Xing sieht es anders aus, doch ich komme zu dem gleichen Schluss. Xing ist zwar absolut vergleichbar mit LinkedIn, doch Xing hat sich auf den deutschsprachigen Raum konzentriert. Und was soll Salesforce.com mit einem so kleinen Marktausschnitt? Auch SAP dürfte sich lieber an die Microsoft-Cloud anhängen, um international "social" zu werden, als Xing hochzuziehen. Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES: 16.06.2016 | Woche Δ Dow Jones: 17.733 | -1,4% DAX: 9.550 | -5,3% Nikkei: 15.434 | -7,4% Shanghai A: 3.006 | -1,9% Euro/US-Dollar: 1,12 | -0,6% Euro/Yen: 117,35 | -3,2% 10-Jahres-US-Anleihe: 1,56% | -0,12 Umlaufrendite Dt: -0,14% | -0,08 Feinunze Gold: $1.283 | 1,2% Fass Brent Öl: $47,46 | -8,8% Kupfer: 4.936 | 0,0% Baltic Dry Shipping: 598 | -2,1% Um 5,3% ist der DAX im Wochenvergleich eingebrochen, während der Dow Jones nur 1,4% abgab. Brexit-Sorgen haben heftig zugeschlagen. In den USA hingegen hat die Fed-Entscheidung, den Zins unverändert bei 0,25% zu belassen, für Beruhigung gesorgt. Gleichzeitig hat Fed-Chefin Janet Yellen der Wirtschaft eine Strukturschwäche attestiert: Wachstum findet statt, insbesondere Produktivitätsfortschritte seien zu verzeichnen, allerdings bleibt der Arbeitsmarkt auf der Strecke. Eine wichtige Erkenntnis. Ich bin gespannt wie lange die Fed braucht, um zu erkennen, dass die Digitalisierung immer weiter Einzug erhält und viele Arbeitsplätze überflüssig macht. Der Nikkei ist sogar um 7,4% eingebrochen, allerdings aus einem anderen Grund. Es war für diese Woche eine erneute geldpolitische Lockerung erwartet worden, die jedoch nicht kam. Entsprechend ist der japanische Yen stark angestiegen, um 3,2% gegenüber dem Euro, und das lastet umgehend auf den Aktienkursen der Exportnation Japan. Mitte der Woche machte eine andere Meldung Schlagzeilen: Die Rendite der 10 Jahre laufenden Bundesanleihen ist unter Null gerutscht. Wer also in Deutschland Geld für bis zu 10 Jahre festlegen möchte, bekommt keine Zinsen. NIEDRIGE ZINSEN VERHINDERN WACHSTUM Um Wachstum anzukurbeln, hat die EZB nun seit Jahren die Märkte mit Liquidität geflutet. Immer billiger wird das Geld, inzwischen können Unternehmen Investitionsvorhaben zu deutlich unter 2% finanzieren. Toll, oder? Ich halte das, wie die langjährigen Leser unter Ihnen wissen, für kontraproduktiv, oder auf Deutsch: für falsch. Wachstum durch Null Prozent-Politik ist ein schwarzer Schimmel. Kann es nicht geben. In einem Umfeld von 10% Kreditzins können Unternehmen nur diejenigen Investitionsvorhaben umsetzen, die auch mindestens 10% Rendite versprechen, vorzugsweise das doppelte der Finanzierungskosten. Man strengt sich an, um so lukrative Ideen zu entwickeln. Und wer ein solches Projekt lostritt, findet dann auch ausreichend Fachkräfte, um das Projekt umzusetzen. Im 0%-Umfeld lohnt sich fast jedes Investitionsvorhaben. Hinz und Kunz investieren in die ausgefallensten Ideen, ohne besondere Renditeerwartungen zu haben. Bei 2% Kreditzins reicht eine erwartete Gewinnmarge von 4%, um auch noch ein wenig Gewinn für den Investor abzuwerfen. Nun rechnen Sie bei dieser Betrachtung noch diejenigen ein, deren Projekt fehl schlägt und dann haben Sie am Ende gar nicht die Möglichkeit, ordentliche Wachstumsraten für die Volkswirtschaft zu generieren. Schlimmer noch, viele helle Köpfe sind mit der Umsetzung von Ideen von Hinz und Kunz beschäftigt und stehen für die wirklich lukrativen Ideen gar nicht zur Verfügung. Diese simple Wahrheit steckt hinter der inzwischen allerorten zu hörenden Aussage: "Wir müssen uns auf eine lange Zeit mit niedrigen Wachstumsraten einstellen". Ja, aber nicht weil es keine lukrativen Investitionsideen mehr gibt, sondern weil unsere hellsten Köpfe in Projekten von Hinz und Kunz beschäftigt werden. ÖLPREIS PRALLT DOCH NOCH AN 50 USD/FASS WTI AB Nun, da habe ich in der vergangenen Woche meine Einschätzung zum Ölpreis überarbeitet und schwups endet die Rallye, diese Woche gab der Ölpreis 8,8% ab. Bei 45 USD/fass WTI gibt es eine erste Unterstützung. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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