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Letzte Woche hat Nike uns mit überraschend guten Quartalszahlen beglückt. Ich berichtete darüber: In allen Bereichen hat Nike die Erwartungen der Analysten übertroffen. Sei es regional mit einem überraschenden Comeback in China, überraschend hohem Absatz in Europa und Südamerika oder sei es aus Sicht der niedrigen Lagerhaltung und dadurch möglichen hohen Gewinnmarge. Der feste US-Dollar hat den Gewinn nicht gestört, da Nike einen großen Teil der Produktion im Ausland angesiedelt hat sowie sich gegen Wechselkursschwankungen gehedged (abgesichert) hat.
Dann kam am Montag Ford mit einer diametral anderen Nachricht: In Europa fällt die Erholung aus, Südamerika (Brasilien, Venezuela, Argentinien) fällt ins Chaos zurück, und aufgrund alter Modelle und hoher Lagerbestände werden in den USA nur geringe Gewinnmargen erzielt. Alles, was von Ford vor wenigen Wochen noch positiv dargestellt wurde, hat sich mit einem Handstreich ins Negative gekehrt. Wem sollen wir nun glauben? Wie kann es sein, dass zwei international aufgestellte Unternehmen so unterschiedliche Bilder von der weltweiten Konjunktur ausgeben? Wir müssen uns die verschiedenen Ereignisse im einzelnen anschauen. So haben wir beispielsweise seit Monaten fallende Rohstoffpreise. Schauen Sie sich den Ölpreis an, den Kupferpreis, die Preise für Getreide und andere Agrarstoffe oder die Energiepreise mit Öl und Gas auf dem absteigenden Ast: Rohstoffproduzenten haben es schwer. Beim Eisenerz und beim Öl weiß ich, dass der Preisverfall zu einem großen Teil der Überproduktion bzw. der exzessiven Produktionsausweitung geschuldet ist. Es ist (noch) nicht so, dass die Nachfrage einbricht. Vielmehr sind die abgesetzten Volumina hoch, lediglich der Preis sackt immer weiter ab. Es wird also viel produziert, aber eben nicht so viel, wie von den Rohstoffproduzenten erhofft wurde. Und somit brechen die Gewinne der Rohstoffproduzenten ein und deren Aktien stürzen mit Recht ab. Am vergangenen Freitag habe ich Vale (Eisenerz), Salzgitter (Stahl), Freeport McMoRan (Kupfer) und Ensco (Ölbohrung) als fundamental extrem günstig dargestellt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Aktien wieder deutlich höher notieren. Doch bis dahin können die Nerven der Anleger noch dramatisch strapaziert werden. Wenn Sie ein Warren Buffet sind und gemütlich abwarten können, dann können Sie diese Aktien kaufen. Wer jedoch am Wochenende stets Gewinne sehen möchte, der wird noch einige Nerven lassen, bevor hier eine Besserung erfolgt. Aber der Preissturz bei den Rohstoffen ist nicht schlecht für die gesamte Weltkonjunktur. Es ist lediglich ein kleiner Teil der Unternehmen, der von hohen Rohstoffpreisen profitiert. Viel mehr Unternehmen profitieren wiederum von niedrigen Rohstoffpreisen, da sie diese für die Produktion ihrer Produkte einsetzen. Chemieunternehmen wie BASF fallen mir hier als erstes ein (Öl) und eben auch wiederum Salzgitter, das viel Energie für die Produktion von Stahl aufwendet. Oder auch Kupferhersteller Aurubis, die einen Großteil des Kupfers mit großem Energieeinsatz recyclen. Aber diese Aktien werden erst zu einem späteren Zeitpunkt gefragt sein, denn aktuell gilt "rette sich wer kann". Eine zweite Entwicklung, die übrigens ebenfalls zum Teil für den Rohstoffpreisverfall verantwortlich ist, ist der starke US-Dollar. Wir können uns also nach Exportunternehmen aus Europa umschauen, die insbesondere in die USA exportieren. Mir fällt da als erstes Fresenius Medical Care (FMC) ein, die ihre Dialysegeräte hauptsächlich in die USA liefern. Aber das wär's dann auch schon. Vorsichtig wäre ich mit der pauschalen Aussage, alle Exporteure in Deutschland werden vom schwachen Euro profitieren. Denn der Euro ist nicht schwach. Zumindest nicht schwächer als der japanische Yen. Immerhin, da der chinesische Renminbi de facto an den US-Dollar gekoppelt ist, wirkt sich dies auch vorteilhaft für Exporteure nach China aus, also insbesondere den deutschen Anlagen- und Maschinenbau. Manz, Krone, Aixtron, DMG Mori Seiki und Kuka fallen mir da ein. Für Konsumgüterhersteller Metro und Beiersdorf bleibt das Umfeld durchwachsen, da gerade die südamerikanischen Länder mit ebenfalls schwachen Währungen zu kämpfen haben und der Währungsvorteil dort daher ausfällt. Die dritte Entwicklung, die einen ganz eigenen Einfluss auf die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der einzelnen Unternehmen hat, ist die Zinsentwicklung. Soeben hat die EZB bekanntgegeben, den Leitzins unverändert nahe Null zu belassen. Nahezu kostenloses Geld für alle! Zusätzlich werden besicherte Anleihen (asset backed securities - ABS) gezielt aufgekauft, um mehr Liquidität in den Markt zu drücken. Ich erinnere mich an meine Studienzeit als einige Studenten zeigen wollten, wie schnell sie trinken konnten und dazu Bier über einen Trichter den Schlund hinunter spülten. "Hochdruckbetankung" hieß das, ekelhaft. So kommt mir das ABS-Programm der EZB vor, die schneller Geld in den Markt spülen möchte, als es die Banken und deren Kunden als Kreditnehmer haben wollen. Es ist nicht das Umfeld, in dem Banken und Versicherungen hohe Gewinne einfahren. Niedrige Zinsen in einer verfallenden Währung sind ein Problem für den Finanzsektor, der Risiken gerne vermeiden möchte. Der Markt der Junk-Bonds, also Unternehmensanleihen von höchst Emittenten mit schlechtem Rating, ist leergefegt. Alles überschüssige Geld fließt ohnehin bereits in die USA und verhindert dort den von der US-Notenbank ersehnten Zinsanstieg. Rendite lässt sich in diesem Umfeld kaum erwirtschaften. Für Banken gilt demzufolge ebenfalls: Wer dort investiert, braucht einen langen Atem. Die Deutsche Bank beispielsweise ist in meinen Augen extrem günstig bewertet, doch ich weiß nicht, wann die Aktie steigen könnte. Auf der anderen Seite ist der Immobiliensektor bereits stark bevölkert. Immobilienaktien sind beliebt und zahlen eine solide Dividende. Doch die Immobilienpreise, die Basis für die Bewertung der Immobilienaktien, sind bereits auf einem recht hohen Niveau, und die Angst geht um, dass dieses Niveau fallen könnte, wenn der Zins einmal ansteigt und somit die Finanzierung von Immobilien verteuert. Bleibt ein vierter Bereich: Diejenigen Unternehmen, deren Geschäft unabhängig von Rohstoffpreisen, von Finanzierungskosten (Zinsniveau) und Konjunkturentwicklungen wachsen. Unternehmen mit sekulärem Wachstum. Unter sekulärem Wachstum versteht man in der Finanzbranche das Gegenteil von zyklischem Wachstum. Wachstum also, das aufgrund eines zyklischen Konjunkturaufschwungs erfolgt, wird irgendwann auch wieder einen Abschwung erleiden. Sekuläres Wachstum im Unterschied dazu führt den Absatz des entsprechenden Produktes auf ein neues, höheres Niveau. Apples iPhone 6 beispielsweise bricht alle Absatzerfolge und das, obwohl die Konjunktur weltweit zu stocken beginnt. Aber natürlich, hier sind vor allem die Biotech-Unternehmen sowie die Technologieunternehmen gemeint, die mit neuen Produkten neue Märkte erschließen. Celgene, Gilead, Regeneron und auch Evotec zählen im Biotech-Bereich dazu. Facebook, Twitter, Google und Yelp revolutionieren die Technologiebranche. Diese Unternehmen werden am Ende der Korrektur als erstes vom Boden abprallen. Ja, wir befinden uns in meinen Augen in einer Korrektur. Und diese Korrektur droht in eine ungewisse Berichtssaison zu laufen, bei der ich eine Reihe von Prognosekürzungen erwarte. War Ford am Montag die Ausnahme? Oder kam der Einbruch so schnell, dass viele Unternehmen davon überrascht wurden und nicht einmal Zeit für eine rechtzeitige Gewinnwarnung hatten? Ich denke, letztres ist der Fall, zumal da die Q3-Ergebnisse noch kaum betroffen sein dürften und somit gut ausfallen sollten. Doch die Spannungen weltweit, insbesondere geopolitischer Art, weiten sich wieder einmal leider aus, und dieser Entwicklung wird von vielen Unternehmen in Form von einer vorsichtigen Prognose Rechnung getragen. Zudem werden wie immer die US-Unternehmen als erstes berichten und damit die Stimmung maßgeblich beeinflussen. Und die US-Unternehmen leiden unter dem starken US-Dollar, was die dortigen Prognosen nochmals belasten wird. Positive Effekte wie günstige Rohstoffpreise kommen erst in Schritt zwei, dazu ist es noch zu früh. Ich kann mir also kaum vorstellen, dass wir in den kommenden zwei Wochen mehr als eine kleine Erholungsrallye sehen, bevor es dann wieder gen Süden geht. WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (01.10.2014) | Woche Δ Dow Jones: 16.805 | -0,8% DAX: 9.382 | -1,1% Nikkei: 15.662 | -3,5% Euro/US-Dollar: 1,26 | -0,9% Euro/Yen: 137,37 | -1,1% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,40% | -0,11 Umlaufrendite Dt: 0,76% | -0,03 Feinunze Gold: $1.215 | -1,0% Fass Brent Öl: $93,94 | -3,2% Kupfer: 6.703 | -0,4% Baltic Dry Shipping: 1.055 | 1,6% Der Ölpreis ist nochmals um 3,2% eingebrochen. Das ist wie eine Steuererleichterung für die energieintensive Industrie, wovon es in Deutschland noch immer einige gibt. Die positiven Effekte dürften jedoch erst später zu Tage kommen, derzeit beherrscht die Angst vor einer Konjunkturabschwächung (Rezession?) die Gedanken der Anleger. Wenn ich mir unsere Portfolioperformance dieses Jahres anschaue (+4,1%) und dann die Performance des DAX (-1,8%) dagegen stelle, dann wäre es fast schon sinnvoll, alles zu verkaufen um die Performance über's Jahr zu retten. Bei der aktuellen Nachrichtenlage kann es doch kaum noch zu einer Jahresendrallye kommen, oder? Und wenn, dann hätte ich mit meinem Performancevorsprung noch immer Zeit genug, um aufzuspringen... so denken Fondsmanager, die quartalsweise und jährlich Rechenschaft ablegen müssen. Sie als Privatanleger brauchen das nicht, und ich arbeite ausschließlich für Sie. Sie haben damit das Privileg, fundamental günstig bewertete Aktien im Portfolio zu belassen und auf bessere Tage zu warten, ohne jemandem anderes außer sich selbst Rechenschaft dafür ablegen zu müssen. Nutzen Sie dieses Privileg. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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