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Research in Motion, der Blackberry-Anbieter mit Sitz in Toronto, hat gestern Abend sein Quartalsergebnis veröffentlicht. Im Vorfeld war viel spekuliert worden: Werde der Wettbewerb zum iPhone von Apple sowie zum Pre von Palm die Gewinnmarge angreifen? Wird das ambitionierte Umsatzwachstum von 50% erreicht werden? Wann wird der Markt der Smartphones gesättigt sein?
Nun, die Sorgen erwiesen sich als überzogen: Der Markt der Smartphones ist groß genug für drei Anbieter. Die Gewinnmarge stieg auf sensationelle 43,6% an. Nachdem das Blackberry seit Jahren insbesondere bei Unternehmen sehr beliebt ist, hat das Unternehmen nun auch den Schwenk zu den privaten Anwendern geschafft. 80% der Neukunden im abgelaufenen Quartal waren Privatkunden. Von Sättigung kann keine Rede sein, sowohl bei der Bestellung eines iPhones, als auch bei den neuesten Blackberry-Modellen gibt es mehrwöchige Wartezeiten, wenn sie nicht über einen Provider gehen. Der Ausblick von Research in Motion war strikt nach dem Muster „wenig versprechen, viel liefern", es wurde also eine Umsatzprognose am unteren Ende der Erwartungen ausgegeben. Dennoch fiel der Kurs nachbörslich um 5%. Na, da ist es doch einfach zu folgern, dass Anleger enttäuscht über die schwache Umsatzprognose seien. Das Kursminus von 5% deutet doch ganz klar darauf hin, oder? Nun, diese Meldung tickerte zumindest über alle Nachrichtenkanäle und im nächsten Augenblick wird das Ende der Smartphone-Hysterie ausgerufen. Auch Apple und Palm haben nachbörslich abgegeben. Wenn Sie sich aber vor Augen halten, dass der Kurs von Research in Motion in den vergangenen vier Monaten um 90% zugelegt hat, dann könnte es doch auch sein, dass dieses kleine Minus von 5% aufgrund von Gewinnmitnahmen verursacht wurde, oder? Wer 90% Gewinn mitgenommen hat und gestern Abend die Bestätigung seiner positiven Erwartung hörte, der ist doch nur clever, wenn er nun seine Gewinne nach Hause fährt, oder? Heute früh war denn auch das Minus auf 1% geschrumpft. Apple eröffnete mit 2% im Plus und Palm sprang gar um 8% in die Höhe. Der Trend zum Smartphone ist intakt, ich erwarte schon bald einen weiteren Ausbau der Mobilfunknetze um die gestiegenen Datenvolumina transportieren zu können. Es ist genug Platz für drei Anbieter in diesem Markt, ohne dass Palm, Research in Motion oder Apple in einen Preiskampf eintreten müssten. Doch ich glaube nicht, dass der Markt der Smartphones bei drei Anbietern stagnieren wird. Motorola, Nokia und Samsung arbeiten fieberhaft an ähnlichen Produkten. Und dann kommt es irgendwann an den Punkt, wo eben doch ein Preiskampf angezettelt wird. Nokia als Platzhirsch wird das tun können und müssen. Vielleicht sind die besten Zeiten von Research in Motion vorbei. Wenn Sie eine Möglichkeit suchen, in diesem Megatrend zu spielen, dann schauen Sie sich einmal Qualcomm an. Das Unternehmen liefert die Funkchips mit den schnellsten Übertragungsraten, die in jedem Smartphone enthalten sind, egal ob von Research in Motion, Palm, Apple oder den künftigen Wettbewerbern. Leider ist Qualcomm mit einem KGV von 45 nicht mehr billig, aber das Unternehmen würde ich im Auge behalten und im Falle einer größeren Korrektur einsammeln. Dieser Mega-Trend, wie ich den Smartphone-Markt nun einmal nennen möchte, ist um so beliebter an der Börse, da Sie derzeit keinen anderen Wachstumsmarkt finden: Der Solarmarkt ist überbevölkert, wir haben unsere Solarposition gerade rechtzeitig vor dem Ausverkauf dieser Tage deutlich reduziert. Der Biotech-Bereich zittert vor Angst vor den neuen Regulierungen der Obama-Administration, der das Gesundheitswesen reformieren will. Im Bereich der Softwareanbieter gibt es derzeit Übernahmen, also Konsolidierungen. Der Rohstoffsektor hängt am Nabel der Chinesen, und von dort kommen derzeit widersprüchliche Signale: Zuletzt hat China auf die US-Aktion „Buy American" reagiert: „Buy Chinese", sonst bedarf es einer Sondergenehmigung. REZESSION ODER BODENBILDUNG Einmal abgesehen von Research in Motion war die abgelaufene Woche gekennzeichnet von Unternehmensmeldungen, die sowohl den Bullen, als auch den Bären Argumente lieferten. Logistikunternehmen FedEx und Elektroartikelverkäufer BestBuy haben durchwachsene Zahlen veröffentlicht. Durchwachsen, weil zwar immerhin die Gewinnsituation besser war als erwartet – aber nicht, durch bessere Geschäfte, sondern durch bessere Kostenkontrolle, sprich Sparen. Für einen Aufschwung ist es notwendig, wieder anziehende Umsätze bei den Unternehmen zu sehen. Das ist derzeit nicht der Fall. Ich habe an dieser Stelle schon seit einigen Wochen darauf hingewiesen, dass wir zunächst den ersten großen Schritt der Rallye nur deswegen erlebt haben, weil die Weltwirtschaftskrise durch die weltweiten Konjunkturprogramme vermieden werden konnte. Zwischen der Vermeidung einer Weltwirtschaftskrise und einem Konjunkturaufschwung gibt es aber noch ein paar Zwischenstadien: Rezession und Bodenbildung. Sie können gerne mit mir darüber diskutieren, ob wir uns in Sachen Konjunktur noch in der Rezession befinden, oder ob schon eine Bodenbildung begonnen hat. Ich glaube Letzteres, daher meine grundsätzlich optimistische Einstellung. Doch die Sache ist noch lange nicht entschieden, Nobelpreisträger Paul Krugman hat diese Woche auf die Gefahren hingewiesen: Dreimal gab es bislang das Problem einer Liquiditätsfalle. Jeder Volkswirt lernt, dass die Volkswirtschaft nur bis zu einem bestimmten Punkt durch Leitzinssenkungen stimuliert werden kann. Wenn der Leitzins bei Null angelangt ist, dann steht das Mittel Zinssenkung nicht mehr zur Verfügung. Wir haben dies bislang dreimal erlebt: Erstmals in der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932, zum zweiten Mal in Japan 1990 und nun zum dritten Mal, in den USA steht der Leitzins aktuell bei 0-0,25%. An diesem Punkt helfen nur noch unorthodoxe Maßnahmen, wie das vielzitierte Abwerfen von Geld aus Helikoptern (daher der Spitzname Helikopter-Ben, obwohl der US-Notenbankchef Ben Bernanke diese Metapher nicht erfunden hat). Die weltweiten Konjunkturprogramme sowie, insbesondere in den USA, die Billionen USD umfassenden Rettungspakete für den Finanzsektor sind solche unorthodoxen Maßnahmen. 1933-37 gelang F.D. Roosevelt ähnliches mit dem „New Deal". Der Staat förderte Infrastrukturprogramme und schaffte damit die Flucht aus der Deflationsspirale. Auch in Japan wurde insbesondere der Bankensektor mit Geld geflutet, man sprach dort schon von einem negativen Zins – man verdiente also, wenn man Kredite aufnahm. Bis 1996 konnte die japanische Wirtschaft sich sodann recht gut erholen, das Wirtschaftswachstum betrug 3%. Doch sowohl 1937 in den USA, als auch 1996 in Japan machte man dann einen Fehler: Aus Angst vor Inflation begann man zu früh, den Staatshaushalt zu konsolidieren. Der zarte Aufschwung wurde abgewürgt, es kam erneut zu wirtschaftlichen Problemen, die wiederum mehrere Jahre Deflation zur Folge hatten. Genau dies ist die Angst, die derzeit über das Börsenparkett huscht: Könnte es sein, dass die Regierungen weltweit aufgrund der Börsenrallye zu früh die Konjunkturprogramme zurück fahren? Insbesondere Steinbrück pocht auf einen frühestmöglich ausgeglichenen Haushalt. Steinbrücks Aussagen sind inzwischen selbst in den USA bereits gefürchtet. Nach einer Börsenrallye von 35% haben selbst die größten Bullen Angst davor, dass die Konjunkturprogramme, die für die Rallye verantwortlich sind, zusammen gestrichen werden könnten. So werden derzeit schlechte Meldungen dahingehend interpretiert, dass die Wirtschaft eben doch noch nicht anzieht. Und gute Meldungen werden mit der Angst aufgenommen, dass Steinbrück und andere Finanzminister ihren Sparwillen durchzusetzen versuchen. Aber auch in den USA gibt es Verfechter einer frühzeitigen Haushaltskonsolidierung. Prominentester Vertreter dieser Richtung ist derzeit Arthur Laffer, die Volkswirte kennen ihn aus der gleichnamigen Kurve, mit der die hypothetisch maximalen Steuereinnahmen ermittelt werden können. In der Praxis fand seine Theorie bislang keine Verwendung, so sollte seine Bemerkung über die Kürzung der Konjunkturprogramme meiner Ansicht nach ebenfalls als hypothetisch abgetan werden. In der abgelaufenen Woche dominierte die Angst. Völlig untypisch ist, dass die Verfallswoche keinen einzigen positiven Tag auswies, das war seit vielen Jahren nicht mehr der Fall. Hier die Wochenperformance der wichtigsten Indizes: INDIZES (18.06.2009) Dow Jones: 8.555 | -2,5% DAX: 4.837 | -5,3% Nikkei: 9.786 | -3,4% Euro/US-Dollar: 1,392 | -0,9% Euro/Yen: 134,85 | -2,2% 10-Jahre-US-Anleihe: 3,83% | 0,0% Umlaufrendite Dt: 3,24% | -0,1% Feinunze Gold USD: $933,70 | -1,8% Fass Crude Öl USD: $72,44 | -0,6% Baltic Dry Shipping I: 4.073 | 16,9% Insbesondere der DAX ist unter die Räder gekommen. Ich fürchte, daran ist die insgesamt in Europa anzutreffende harte Haltung der Regierungen hinsichtlich der Konjunkturprogramme schuld. Die Stimmung unter den Anlegern ist jedoch erstaunlich gut. Kein Wunder: Da steckt die Hoffnung dahinter, dass der Konjunkturaufschwung geschafft werden kann, ohne die eigene Währung weiter kräftig abwerten zu müssen. Doch in Wirklichkeit ist ein Aufschwung noch weit entfernt und die gute Stimmung setzt Steinbrück unter Druck, die Haushaltskonsolidierung verfrüht in Angriff zu nehmen. Schauen Sie sich die Entwicklung der Stimmung selbst an: SENTIMENTDATEN ANALYSTEN: Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 29.5. - 5.6.(111): 74% / 26% 05.-12. Jun.(129): 68% / 32% 12.-19. Jun (155): 66% / 34% ANALYSTEN KAUF Vossloh, Banco Santander, Renault ANALYSTEN VERKAUF K+S, Volvo, HSBC Hldg. PRIVATANLEGER: Aktuell 62,2% Bullen (-0,6%, 82 Stimmen) Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 4972 PRIVATANLEGER KAUF Arcandor, Novartis, Fannie Mae PRIVATANLEGER VERKAUF Solar Millenium, Elan, Volkswagen Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Noch immer sind die Bullen am Zepter, dabei hat der Markt bereits eine 5%ige Korrektur hinter sich. Das ist untypisch und lässt mich vorsichtig werden. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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