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Was für eine Krise haben wir eigentlich? Eine Bankenkrise? Eine Schuldenkrise? Klar ist, dass die Staatsschulden der Club Med Länder keine Abnehmer finden, wenn die Banken klamm sind. Und klar ist auch, dass die Banken klamm sind, solange Staatsanleihen der Club Med Länder vom Zahlungsausfall bedroht sind.
Ich hatte die Rettung dieser verzwickten Situation in der Heibel-Ticker Ausgabe vom 23.12.11 mit „Ouroboros“ überschrieben: Die Staaten lassen eine Rekapitalisierung der Banken zu, die wiederum die Staatsanleihen kaufen, was wiederum das Ausfallrisiko senkt und somit die Solvenz nicht nur der Staaten sondern auch der Banken stützt. Ein sich selbst ernährendes System wie die griechische Schlange, die sich selbst auffrisst und dadurch stets Nahrung hat. Die Euroländer haben die Rekapitalisierung dadurch ermöglicht, dass die EZB-Spitze nunmehr keinen deutschen Hardliner mehr enthält, sondern durch Tauben der europäischen Weichwährungsländer besetzt ist. Der Leitzins wurde bereits gesenkt ,und den Banken wurden gigantische Rekapitalisierungsfazilitäten zur Verfügung gestellt (ja, ich spreche schon wieder von den unbegrenzten Krediten zu 1% auf drei Jahre). So konnten sich schon die größten Banken der größten Problemländer rekapitalisieren: Unicredit aus Italien und Santander aus Spanien. Es fehlen aber noch eine ganze Reihe großer Banken, inklusive der Société Générale und der BNP Paribas aus Frankreich sowie auch der Commerzbank und der Deutschen Bank aus Deutschland. Die Aktien der Commerzbank sind gestern um 14,7% angesprungen. Grund war die Ankündigung des CEOs Blessing, dass die Kapitallücke von 5,3 Mrd. Euro, die von der jungen europäischen Bankenaufsicht EBA kürzlich ausgerechnet wurde, ohne staatliche Hilfen aufgebracht werden könne. Blessing kennt den Markt und er weiß, wie der Markt funktioniert. Zuversicht ist eine der wichtigsten Zutaten, um auf dem Finanzmarkt erfolgreich zu sein. Wenn die Zuversicht glaubhaft vermittelt wird, dann werden sich auch Investoren finden, die der Commerzbank die fehlenden 5,3 Mrd. Euro geben wollen. Doch Blessing hat es recht geschickt formuliert. Seine Zuversicht begründet er auf Gewinnen aus risikoreichen Geschäften, die er in den kommenden Wochen auflösen werde und deren Gewinne eben in die Eigenkapitalrücklagen fließen würden. Mit anderen Worten: Wir brauchen kaum weitere Investoren, vielmehr sollten Investoren dankbar sein, wenn sie an einer Kapitalerhöhung dieser lukrativen Bank teilhaben dürfen ... Den Staat wolle er (Blessing) nie wieder um Geld bitten. Die Ratingagenturen, die der Commerzbank gerade schlechtere Noten angedroht haben, würden in Europa viel zu wichtig genommen. Und die Risiken aus Staatsanleihen von Club Med Ländern seien nur aus einem Grund so schwer kalkulierbar: Weil sich die Politik nicht zu einem eindeutigen Kurs durchringen könne. Angriff ist die beste Verteidigung, würde ich zur Strategie Blessings sagen. Ja, meiner Ansicht nach ist es gut möglich, dass er mit dieser Strategie Erfolg hat. Erfolg sieht so aus, dass letztlich eine unglaublich große Zahl von Investoren an einer Kapitalerhöhung teilnehmen, die den Aktienkurs erneut verwässert und an dessen Ende man sich fragt, wo denn all die Gewinne der spekulativen Geschäfte bleiben, die aufgelöst werden sollten. Doch egal, wenn das Geld erst einmal in der Kasse ist, ist die Commerzbank ausreichend kapitalisiert und kann der Zukunft gelassen entgegen sehen. Misserfolg wäre diesem Szenario zufolge natürlich der Bettelgang zum Staat, wenn das erforderliche Geld eben doch nicht aufgebracht werden kann. Wenn ich mir die jüngsten Auktionen von Staatsanleihen in Spanien und Italien anschaue, dann muss ich sagen, dass Blessing den richtigen Zeitpunkt für seine Flucht nach vorn gewählt hat: Es scheint, als sei der Risikoappetit der Kapitalmärkte zum Jahreswechsel kräftig angestiegen, und ich gebe seinem Plan gute Chancen auf Erfolg. Es waren letztlich die vollmundigen Äußerungen Blessings, die gestern für eine weltweite Aktienrallye gesorgt haben. Was ich Ihnen am 23.12. als Ouroboros beschrieben habe, fällt nun auch den internationalen Anlegern wie Schuppen von den Augen: Ouroboros funktioniert. Die Aktien der Unicredit, die ja bekanntermaßen zu „desaströsen“ Konditionen neue Aktien ausgeben musste, um das erforderliche Kapital einzusammeln, kennen seit der Transaktion nur noch eine Richtung: Gen Norden. Wenn Sie mit der Commerzbank spekulieren wollen, würde ich empfehlen, auf die Aktienplatzierung zu warten. Und dann auch bitte nur sehr kurzfristig spekulieren, denn Banken sind im Visier der Politik und können daher meines Erachtens ihr eigenes Schicksal nur sehr eingeschränkt bestimmen. Schauen wir einmal, wie die einzelnen Indizes auf diese Entwicklungen reagiert haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (19.01.2012) | DIFF Dow Jones: 12.625 | 1,6% DAX: 6.416 | 4,4% Nikkei: 8.766 | 3,1% Euro/US-Dollar: 1,293 | 2,0% Euro/Yen: 99,876 | 2,4% 10-Jahres-US-Anleihe: 1,97% | 0,1 Umlaufrendite Dt: 1,47% | 0,0 Feinunze Gold USD: $1.651,75 | 0,8% Fass Brent Öl USD: $111,13 | 0,1% Kupfer in US$/to: 8.324 | 3,9% Baltic Dry Shipping I: 893 | -19,2% In den vergangenen Wochen kam eine ganze Reihe von Schiffen zur Auslieferung. Das Angebot an Transportkapazität hat sich in den vergangenen Monaten kontinuierlich erhöht und drückt somit den Preis. Der Baltic Dry Shipping Index ist in Folge der Schiffs-Schwemme eingebrochen. Ich habe keine Meldungen darüber gefunden, dass die Nachfrage nach Transportkapazitäten zurückgegangen sein. Vielmehr ist der Preissturz auf Überkapazitäten auf Seiten der Reedereien zurückzuführen. Die Bedeutung für die Weltwirtschaft ist also in diesem Fall nicht besonders groß. Ein besserer Indikator für die Verfassung der Weltwirtschaft ist ohnehin das Kupfer. Und der Kupferpreis steigt seit einigen Wochen kontinuierlich an, so auch diese Woche. Würden wir hier das Ende der Schuldenkrise sehen, dann müssten die Renditen für US-Anleihen sowie die deutsche Umlaufrendite ansteigen. Der Anstieg am Aktienmarkt könnte nämlich darauf zurückzuführen sein, dass Investoren wieder mehr Risikoappetit haben und eben Aktien den Anleihen vorziehen. Doch die Renditen verharren auf niedrigem Rekordniveau während gleichzeitig die Aktienmärkte steigen. Es liegt also die Vermutung nah, dass die Liquiditätsschwemme das Katastrophenszenario einer Weltwirtschaftskrise verringert hat. Aktien erholen sich von ihren depressiven Kursniveaus. Doch gleichzeitig ist der Bedarf von Anlegern nach einem sicheren Hafen ungebremst groß, denn nicht nur die US-Anleihen und deutschen Bundesobligationen notieren weiterhin auf Rekordhoch, sondern auch der Goldpreis legt seit Jahresbeginn wieder kräftig zu. Entsprechend haben wir die Rallye genutzt um Gewinne bei konjunktursensiblen Werten zu sichern und unser Engagement in Dividendentiteln auszubauen. Schauen wir und nun noch die Stimmung unter Anlegern und Analysten an: SENTIMENTDATEN Analysten Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 30.12.- 05.01. (231): 54% / 8% 05.01.- 13.01. (588): 57% / 9% 13.01.- 20.01. (561): 51% / 11% Kaufempfehlungen der Analysten SAP, Daimler, Gerry Weber Intl. Verkaufsempfehlungen der Analysten SMA Solar, HeidelbergDruckmaschinen, KPN Privatanleger 01. KW: 68% Bullen (122 Stimmen) 02. KW: 61% Bullen (136 Stimmen) 03. KW: 64% Bullen (137 Stimmen) Kaufempfehlungen der Privatanleger Commerzbank, Accor S.A., Renault Verkaufsempfehlungen der Privatanleger Groupon, Praktiker, Lafarge Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Analysten sind deutlich pessimistischer geworden (51% zu 11%), was angesichts der stark gestiegenen Kurse nicht verwundert: Kursziele wurden erreicht und entsprechend wurden die meisten Abstufungen mit Kurszielerreichung begründet, nicht mit sich verschlechternden Geschäftsaussichten. Es handelt sich meiner Einschätzung nach also überwiegend um Analysten, die ihre Modelle noch nicht an die verbesserten Rahmenbedingungen angepasst haben. Gleichzeitig steigt der Optimismus bei Privatanlegern wieder an (64%), was kurzfristig auf eine Überhitzung deuten könnte. Wir befinden uns mitten in der Berichtssaison. In der nächsten Woche steht die Großzahl von Quartalsberichten an. Sind die Erwartungen nach den turbulenten Monaten in der zweiten Jahreshälfte 2011 nunmehr niedrig genug, um positive Überraschungen zu ermöglichen oder sind die positiven Überraschungen durch die Kursrallye seit Jahresbeginn schon wieder eingepreist? | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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