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Warnung des IWF.
Am Dienstag warnte der IWF vor einer weltweiten Rezession und wies auf die Gefahr einer schwerwiegenden Energieknappheit im europäischen Winter hin. Ebenfalls am Dienstag einigte sich die Europäische Kommission auf einen Plan zur Einsparung von Erdgas in den EU-Mitgliedsstaaten. Auf den ersten Blick hängen diese beiden Meldungen unmittelbar zusammen, bei genauerer Betrachtung ist dies allerdings nicht der Fall. Ängstliche Schlagzeilen Die jüngste Prognose des IWF mag sich in Bezug auf die Energieengpässe als zutreffend erweisen oder auch nicht, für Anleger ist diese Meldung allerdings nicht besonders relevant. Sie steht im Einklang mit den beängstigenden Schlagzeilen, die bereits seit vielen Wochen von den Aktienmärkten verarbeitet werden. Mit dem Blick in die Zukunft gerichtet ist es viel eher relevant, wie sich die Realität im Vergleich zu den verfestigten Erwartungen entwickelt. Hierzu lohnt es sich, den EU-Plan im Detail zu überprüfen. Dabei wird deutlich, dass die Absicht zur Energieeinsparung nicht automatisch harte Kürzungen vorsieht, welche die deutsche Industrie „vom Netz“ nehmen und eine garantierte Rezession in der Eurozone hervorrufen. Ein löchriger EU-Plan Im Grunde beinhaltet der EU-Plan keinen Zwang zur Energie- oder Stromrationierung, solange nicht offiziell der Energienotstand ausgerufen wurde. Es handelt sich bis dato um eine lockere Vereinbarung, nach der die meisten Mitgliedsstaaten ihren Erdgasverbrauch freiwillig um 15 Prozent gegenüber dem Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre senken. Zudem existiert jede Menge Spielraum für Ausnahmeregelungen. Vom EU-Plan ausgenommen sind beispielsweise Inselstaaten, die von den kontinentalen Versorgungsleitungen abgekoppelt sind. Der Plan bietet Schlupflöcher für Länder, die über volle Gasreserven verfügen, die „in hohem Maße von Gas als Rohstoff für kritische Industrien abhängig sind“ oder die ihren Verbrauch in den letzten Jahren stark erhöht haben. Länder, die nicht viel Gas aus kontinentalen Pipelines beziehen und Gas für ihre Nachbarn in das System einspeisen, sind ebenfalls qualifiziert für eine Ausnahmeregelung. Das Hauptziel besteht jedenfalls darin, den Gasverbrauch so weit zu senken, dass die Abhängigkeit von russischen Lieferungen auf ein kontrollierbares Maß reduziert wird. Dies wäre insbesondere für Deutschland eine Herausforderung, weshalb es bereits sogar Vorschläge gibt, stillgelegte Kohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen, um ein mögliches Energiedefizit auszugleichen. Naheliegend erscheint ebenfalls, die letzten Schritte des Atomausstiegs zu pausieren und die verbleibenden Reaktoren länger am Netz zu halten als geplant. Darüber hinaus könnte die Ausnahmeregelung für Länder, die auf Erdgas als Rohstoff für Schlüsselindustrien angewiesen sind, in Bezug auf die deutsche Chemieindustrie greifen. Fazit Die europäische Energiesituation lässt sich natürlich nicht exakt vorhersagen. Es bleibt abzuwarten, welche Relevanz der lose Vorstoß der Europäischen Kommission letztendlich entfalten kann. Ebenso ist das Thema „Rezession in Europa“ natürlich nicht komplett vom Tisch, allerdings sind die Vorgänge viel zu komplex und mit zu vielen Fragezeichen behaftet, um heute auf eine garantierte „rationierungsbedingte Rezession“ zu setzen. Wichtig ist für Anleger, dass der wirtschaftliche Gegenwind von den Aktienmärkten nicht ignoriert, sondern ordnungsgemäß verarbeitet wurde – mit einem kräftigen Kursverlust im Jahresverlauf. Der Blick in die Zukunft zählt, und dieser wird von einer niedrigen Erwartungshaltung weiterhin begünstigt. Den aktuellen Kapitalmarktausblick von Grüner Fisher Investments können Sie unter www.gruener-fisher.de kostenlos anfordern. | ||
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