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Brexit, Handelsstreit, US-Shutdown, Konjunkturabschwächung, ... die Beweislast ist erdrückend. Ich erhalte derzeit viele Leserbriefe, doch sie könnten widersprüchlicher nicht sein: die einen belegen lückenlos, warum der DAX schon bald unter 10.000 Punkte fallen muss. Die anderen argumentieren, dass alle negativen Entwicklungen bereits im Dezember eingepreist wurden und daher der Bärenmarkt beendet sei. Wer hat Recht?
Nun, halten wir zunächst einmal fest, dass wir einen fulminanten Jahresauftakt erleben, der bereits einen guten Teil der im vergangenen Jahr, insbesondere im Dezember, erlittenen Verluste wieder ausgeglichen hat. Auch den schlimmsten Meldungen wird derzeit etwas Gutes abgewonnen. EXIT VOM BREXIT Die EU hat Theresa May einen Scheidungsvertrag diktiert, der allen EU-Mitgliedern zeigen soll, dass ein Verlassen der Gemeinschaft ein großer Fehler ist. Ich halte das Verhalten der EU für kritisch, es erinnert mich an Scheidungsfehler, wie sie früher häufig gemacht wurden. Kurz vorab, da ich weiß, dass viele von Ihnen einen Schritt weiter denken: Meine eigene Ehe ist glücklicherweise in bester Ordnung. Aber in einem Land mit einer Scheidungsquote von einem Drittel geht das Thema auch an mir nicht vorbei. Am schwersten ist es wohl einzusehen, dass man die Ehe zwar mit guten Erwartungen, aber manchmal unterschiedlichen Voraussetzungen eingegangen war. Der Scheidungsgrund liegt häufig nicht in den Streitereien der letzten Jahre, sondern in Unterschieden, die bereits vor der Ehe existierten. Für die Trennung darf man also nicht die Probleme der letzten Jahre zugrunde legen. Doch genau das tut die EU mit den Briten. Die EU verhält sich wie ein betrogener Ehepartner, der die Briten für ihren Fehler teuer bezahlen lassen möchte. Dabei wollten die Briten niemals wirklich Teil der EU sein, wie ich Ihnen bereits vor zwei Jahren aufzeigte. Die unendlich vielen Extrawürste für die Briten waren ein Zeichen dafür, dass die Briten niemals wirklich überzeugt von der EU waren. Die Strategie, die in Brüssel derzeit gefahren wird, halte ich für falsch. Nachdem der Vertrag in London abgeschmettert wurde, jubelten die Finanzmärkte. Der Brexit ist nun nämlich ein wenig unwahrscheinlicher geworden. An einen "harten" Brexit glaubt niemand. Es geht derzeit in den Köpfen der Menschen nur darum, ob die Briten mit einem harten Vertrag schon Ende März gehen dürfen, oder ob es eine Verlängerung gibt, vielleicht sogar ein neues Referendum und vielleicht sogar den Exit vom Brexit. Brüssel ist sich sicher, dass dies im Sinne der Europäer und auch Briten wäre. Doch die Briten haben sich anders entschieden und sie haben Anfang der Woche auch einer Regierungschefin erneut das Vertrauen ausgesprochen, die den Brexit durchziehen möchte. Ich weiß also nicht, ob ich jubeln sollte, wenn der Brexit verschoben oder vielleicht sogar aufgehoben wird. LÄNGSTER US-SHUTDOWN DER GESCHICHTE Inzwischen ist der Shutdown in den USA zum längsten der Geschichte geworden: Staatsangestellte (über 800.000) erhalten keine Gehälter mehr, öffentliche Projekte werden auf Eis gelegt, fällige Zahlungen werden zurückgehalten. In den ersten Quartalsberichten lassen US-Vorstände verlauten, dass die Auswirkungen des Shutdowns zwar zu erkennen seien, aber noch keine signifikanten Folgen hätten. Mit dem Shutdown ist es wie mit einer Umweltkatastrophe: Meist geht das schnell vorüber und im Anschluss werden die aufgestauten Entscheidungen und Zahlungen nachgeholt. Doch derzeit sieht es nicht so aus, als ginge dieser Shutdown schnell vorüber. Seitens Donald Trump ist keinerlei Einlenken zu sehen, auch die Demokraten beharren fest auf Ihrer Position. Mauer oder nicht zwischen Mexiko und den USA? Derzeit habe ich den Eindruck, dass der Druck insbesondere auf Donald Trump kontinuierlich steigt... HANDELSSTREIT ...denn ein Einlenken im Streit um die Finanzierung der Mauer würde eine Schwäche Trumps zeigen, die auch China für sich nutzen könnte. Gestern Abend hat das Wallstreet Journal das Gerücht verbreitet, US-Finanzminister Steve Mnuchin prüfe die Reduzierung oder gar Aussetzung der Strafzölle. Verhandlungsführer Lighthizer hat dieses Gerücht umgehend dementiert, Trump bleibt still. Es ist unbestritten, dass der Handelsstreit bereits negative Auswirkungen auf die Konjunktur, sowohl in den USA als auch in China, hat. Wie weit können die beiden Streithähne gehen? Signalisiert die Rallye, die gestern Abend in Folge des Gerüchts startete, dass eine Schwäche Trumps an den Aktienmärkten begrüßt wird? Denn ein mögliches Einknicken Trumps würde den Shutdown, als auch die Handelsbeschränkungen gegenüber China beenden. Auch die noch nicht in Gang gekommene Auseinandersetzung mit Europa hinsichtlich der Autozölle würde von vornherein an Schärfe verlieren. WAS FEHLT? Schön, dass US-Notenbankchef Jay Powell hier keine eigene Überschrift mehr bekommt. Er ist gegenüber Trump eingeknickt, damit hat Trump in meinen Augen freie Hand, seine Streitigkeiten bis zum Äußersten zu führen. Powell wird mit geldpolitischen Maßnahmen das Schlimmste für die Konjunktur verhindern. Zum Beginn der Woche haben einige US-Banken bereits Quartalszahlen veröffentlicht. Goldman Sachs und Citigroup, die Bank of America und J.P. Morgan haben zwar ein schwaches Q4 erlitten, doch für das laufende Quartal sprühten sie Zuversicht aus. Zuversicht, obwohl die Konjunktur Kratzer aufweist und obwohl wir uns mitten im längsten Shutdown der US-Geschichte befinden. Da sehen Sie, wie wichtig die US-Notenbank für die US-Konjunktur und insbesondere für die US-Banken ist. Gestern gab es eine Reihe von schwachen Q-Zahlen: American Express und Morgan Stanley konnten die im Wochenverlauf gestiegenen Ansprüche an Finanzinstitute nicht erfüllen. Netflix vermeldete zwar neue Rekordzahlen, doch nach 50% Kursgewinn seit Ende Dezember war das nicht ausreichend, um die Aktie weiter nach oben zu katapultieren. Heute notiert Netflix mit 10% im Minus. Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (17.01.19) Woche Δ Σ '19 Δ Dow Jones 24.370 2,3% 5,7% DAX 10.919 0,0% 3,4% Nikkei 20.666 2,5% 3,3% Shanghai A 2.680 1,0% 2,6% Euro/US-Dollar 1,14 -0,9% -0,4% Euro/Yen 124,66 0,1% -1,2% 10-Jahres-US-Anleihe 2,75% 0,03 0,01 Umlaufrendite Dt 0,08% -0,02 -0,02 Feinunze Gold $1.292 0,3% 0,9% Fass Brent Öl $61,24 -0,3% 17,3% Kupfer 5.910 -0,9% -1,8% Baltic Dry Shipping 1.077 -9,4% -15,3% Bitcoin 3.653 0,0% -6,9% Der DAX konnte diese Woche nicht zulegen. Zu stark lastet die Ungewissheit, sowohl über Brexit und Italien als auch über eine globale Konjunkturschwäche auf dem Exportindikator. In den USA scheinen institutionelle Anleger jedoch unter Druck geraten zu sein: Wer im Jahr 2018 kräftig Federn lassen musste, der möchte im Jahr 2019 nicht vom Aktienmarkt abgehängt werden, wenn's denn endlich nach oben geht. So laufen viele Anleger den Kursen hinterher, der Dow Jones legte nochmals 2,3% zu. Die nunmehr abwartende Haltung Jay Powells stützt komischerweise auch den US-Dollar (+0,9% ggü. Euro): Drohte Powell bis vor kurzem noch, durch seine Zinserhöhungen die US-Wirtschaft in den Ruin zu stürzen, so bedeutet seine nunmehr moderate Haltung, dass die US-Konjunktur weiterlaufen kann. Entsprechend erholt sich auch der US-Dollar, während das Chaos in Europa nicht gerade förderlich für den Euro ist. Nur noch 2,75% Rendite wirft eine 10 Jahre laufende US-Staatsanleihe ab, deutlich unter 3%. Es war tatsächlich noch zu früh für ein nachhaltiges Überspringen der 3%-Marke. Nun dürfen wir den Blick wieder nach unten richten. Mal sehen, wohin das Zinsniveau in den kommenden Monaten läuft. In Deutschland ist die Umlaufrendite schon wieder nahe Null (-0,02%punkte auf 0,08%). Das Gold erfreut sich derzeit steigender Nachfrage, im Dezember haben Anleger in Europa und den USA 76 Tonnen Gold gekauft. So viel wurde zuletzt im April 2018 gekauft, kurz nach den Börsenturbulenzen des Frühjahrs 2018. Der Preis, gemessen in US-Dollar, ist diese Woche leicht angestiegen (+0,3%). Der Ölpreis ist zurückgeschnellt auf ein durchschnittliches Niveau knapp über 60 USD/Oz. Von hier aus können wir nun entspannt die nächste Richtung abwarten. Der Baltic Dry Verschiffungsindex ist um 9,4% eingebrochen. Wir kennen diese starken Wochenschwankungen schon, insbesondere um chinesische Feiertage herum sind solche Sprünge inzwischen bekannt: Das Neujahr beginnt in China am 5. Februar. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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