Alt 10.03.18, 15:03
Standard So tickt die Börse: Umgekehrte Beweislast
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"Ich würde nicht wollen, dass mein Sohn in einem Panzer sitzt, der aus chinesischem Stahl gebaut wurde", sagt John Ferriola, CEO von Nucor, eins der beiden großen US-Stahlunternehmen, die von dem 25% Stahlzoll am meisten profitieren.

US-Präsident Donald Trump bedient sich dieses Arguments, um die Importzölle für Stahl und Aluminium an den weltweit anerkannten Regeln der Welthandelsorganisation vorbei zu erlassen und behauptet, die Unterstützung des heimischen Stahls und Aluminiums sei eine Frage der nationalen Sicherheit.

Zu Recht schreien intellektuelle Diplomaten weltweit auf und verurteilen diesen Schachzug als Provokation. Trumps bislang treuester Wirtschaftsberater Gary Cohen schmeißt sogar das Handtuch, weil er diesen Winkelzug nicht mittragen kann. Cohen ist ein durch und durch integrer Mainstraem-Manager mit exzellenten Kontakten zur Wallstreet. Die hemdsärmelige Rotzbengel-Art von Trump in seinem Verantwortungsbereich kann er nicht mitgehen.

Vermutlich wird Trump sich nun einen neuen Berater an die Seite holen, der deutlich radikaler unterwegs ist, als es Cohen war. Kein Wunder, dass die US-Finanzmärkte nach der Nachricht über den Ausstieg Cohens erst einmal deutlich in die Knie gingen.

Doch letztlich tut Trump genau das, wofür er gewählt wurde: Es hat Importzölle auf Stahl und Aluminium versprochen, nun liefert er. Er hat versprochen, sich nicht vom Establishment aufhalten zu lassen, und mit dem Winkelzug der nationalen Sicherheit ist ihm das nun gelungen. Man kann nicht gut heißen, wenn jemand nicht nach den Regeln spielt, aber im Rahmen der Regeln waren viele Dinge festgefahren und Trump bringt Bewegung in viele festgefahrene Verhandlungen.

Und aus Sicht der US-Amerikaner tut er dies sogar sehr geschickt: Statt jahrelang über die verschlungenen Wege des Stahl- und Aluminiumdumpings zu diskutieren, schafft er Fakten und stellt sich wenige Tage später als großzügiger Gönner vor die Kameras und erklärt sich bereit, im Einzelfall Ausnahmeregelungen zu prüfen. Nun müssen also sämtliche Handelspartner zu ihm wackeln und Gründe vorbringen, warum die Zölle gerade gegen ihr Land nicht gerecht sind.

Kanada und Mexico, die beiden größten Stahllieferanten, haben schon durch die Blume zu verstehen bekommen, dass sie vermutlich eine Ausnahmeregelung erhalten werden ... aufgrund der nationalen Sicherheit.

Autobauer gehören zu den Hauptabnehmern von Stahl, das hatte ich Ihnen Mitte der Woche im Update aufgezeigt. Ford beispielsweise hatte in den ersten Tagen nach dem Amtsantritt mehrere Krisengespräche mit Trump. Ford war dabei, in Mexiko ein großes Werk zu bauen und Trump hatte öffentlich klar gemacht, dass er solche Arbeitsplätze in den USA halten möchte. Trump drohte sogar ziemlich unverblümt mit Zöllen aus Autoimporten aus Mexiko. So unglaublich es klingen mag, Fords CEO Jim Hackett ist eingeknickt, strich die Investitionspläne für Mexiko (1,5 Mrd. USD) und baute das Werk in Michigan für 700 Mio. USD aus.

Zur gleichen Zeit, also vor rund anderthalb Jahren, investierten Daimler und BMW in neue Werke in Mexiko. Auch an Daimler und BMW schickte Trump deutliche Warnungen, sie sollten lieber in den USA investieren. Doch die deutschen Autobauer ließen sich nicht abschrecken.

Für Sigmar Gabriel oder Heiko Maaß wird es ein Gang nach Canossa, wenn sie zu Trump reisen müssen, um über die Zölle zu reden. Trump wird ihnen die Stahl- und Aluminium-Dumpingpreise in Mexiko vor Augen führen (ich habe die Kette am Dienstag im Update beschrieben) und erklären, dass die in Mexiko aus seiner Sicht zu Unrecht so günstig gebauten Autos beim Import in die USA diesen ungerechten Vorteil bezahlen müssen. Ich fürchte also, in Sachen Ausnahmeregelung für die Stahl- und Aluminiumbranche aus Deutschland wird es bei Trump nichts zu holen geben.

Trump spielt mit dem Feuer und wenn sich Deutschland bzw. Europa dagegen wehren wird, dass chinesischer Billigstahl künftig über die Türkei in Deutschland landet, muss sich die Welthandelsorganisation ziemlich zügig über Gegenmaßnahmen einig werden. Solange angemessene Maßnahmen ergriffen werden, ist das kein Handelskrieg, sondern nichts weiter als eine weltweite Gegenmaßnahme gegen Stahldumping aus China ... und das wird einen weltweit höheren Stahlpreis zur Folge haben.

Ich sehe das als einen weiteren Grund dafür, sich von Automobilaktien fern zu halten. Egal ob BMW, Daimler oder VW, ein Produktionskostenanstieg um 100 Euro je Mittelklassewagen wird sich negativ auf die Gewinnentwicklung auswirken. Doch das wird auch Fiat und Renault treffen, genau wie auch Ford und General Motors.

Doch es laufen auch noch andere Dinge gegen die Autobauer: Der Ölpreis steigt wieder und damit wird das Benzin - vom Diesel will ich gar nicht sprechen - teurer. Der Kostenvorteil gegenüber dem Elektrofahrzeug wird kleiner, ganz zu schweigen vom Imagenachteil der Verbrennungsmotoren gegenüber dem emissionsfreien Elektromobil.

Der Autoabsatz in Deutschland ist zwar im Jahr 2017 noch angestiegen, doch für 2018 rechnet der VDA mit einem Rückgang um 2%. Auch in den USA geht der Absatz im laufenden Jahr allen Erwartungen zufolge zurück, man spricht dort bereits vom "peak auto sales". In den Industrieländern ist die maximale Sättigung mit Fahrzeugen erreicht, so die "peak auto sales" Theorie.

Als Ursache für diese Entwicklung wird das Verhalten der jungen Generation angeführt: Immer mehr junge Leute setzen auf Car Sharing und haben gar kein eigenes Auto mehr. Und wenn das autonome Fahren um sich greift, werden viele nicht einmal mehr selber fahren müssen. Als Vorläufer davon gibt es schon heute immer mehr junge Leute, die gar keinen Führerschein mehr machen. Das Auto könnte zum Auslaufmodell werden.

Autonom fahrende Autos werden in der Zukunft unsere Städte bevölkern. Doch weil diese Autos Gemeingut sind und nicht parken müssen, sondern kontinuierlich fahren, werden wesentlich weniger Autos gebraucht. Das durchschnittliche Auto in Deutschland steht über 90% der Zeit untätig rum.

Da bieten unsere Autobauer günstige Bewertungen und exorbitant hohe Dividenden, doch das könnte eine Value-Falle sein, wie man an der Börse sagt: die Bewertung ist nur deswegen günstig, weil die Gewinn- und Dividendenschätzungen zu hoch sind. Wenn die Tendenz bei der Gewinnentwicklung gen Süden zeigt, wird auch das aktuelle Bewertungsniveau als zu hoch betrachtet werden.

Daimler bietet 5,4% Dividendenrendite, BMW 4,7% und VW 2,3%. Renault zahlt 4,3%, Ford 5,6& und GM 4,0%. So schön das auch aussehen mag, ich würde vielleicht noch die aktuelle Dividendensaison mitnehmen, dann aber für die nächsten Jahre erst einmal abwarten, wer aus der Revolution am Automarkt als Sieger hervorgeht. Wir haben in unserem Heibel-Ticker Portfolio unsere Wette gemacht. Zusätzlich halte ich auch den chinesischen Autobauer Geely für sehr aussichtsreich, da er in China der führende Anbieter von Elektroautos ist.

Zum Abschluss: Ich habe mir interessehalber die Dividendenrenditen der DAX-Unternehmen angeschaut. Hier die entsprechende Tabelle, sortiert nach Dividendenrendite. Es handelt sich um die für das Geschäftsjahr 2017 erwarteten Dividendenausschüttungen, die im Frühjahr 2018 nach Genehmigung der jeweiligen Hauptversammlungen ausgeschüttet werden sollen.

Dax 30 Div. Kurs Rendite HV

RWE 1,50 € 17,73 € 8,5% 26.4
ProSiebenSat1 1,93 € 28,65 € 6,7% 11.5
Daimler 3,65 € 67,59 € 5,4% 5.4
Deutsche Telekom 0,65 € 13,17 € 4,9% 17.5
BMW 4,00 € 84,39 € 4,7% 17.5
Münchener Rück 8,60 € 184,30 € 4,7% 26.4
Allianz 8,00 € 189,06 € 4,2% 9.5
Linde 7,00 € 187,70 € 3,7% 9.5
BASF 3,10 € 84,19 € 3,7% 4.5
Eon 0,30 € 8,45 € 3,6% 9.5
Siemens 3,70 € 105,32 € 3,5% 31.1
Vonovia 1,32 € 38,83 € 3,4% 9.5
Deutsche Post 1,15 € 37,36 € 3,1% 24.4
Bayer 2,80 € 97,48 € 2,9% 25.5
Lufthansa 0,73 € 27,56 € 2,6% 8.5
HeidelbergCement 2,06 € 82,74 € 2,5% 9.5
Volkswagen Vz. 3,56 € 155,50 € 2,3% 9.5
Deutsche Börse 2,45 € 109,70 € 2,2% 16.5
Continental 4,50 € 218,30 € 2,1% 27.4
Henkel Vz. 1,79 € 111,85 € 1,6% 9.4
Merck 1,25 € 78,70 € 1,6% 27.4
FMC 1,01 € 65,58 € 1,5% 17.5
SAP 1,32 € 87,98 € 1,5% 17.5
Adidas 2,47 € 174,10 € 1,4% 9.5
Infineon 0,25 € 23,35 € 1,1% 22.2
Fresenius 0,72 € 84,64 € 0,9% 18.5
Deutsche Bank 0,11 € 13,02 € 0,8% 24.5
Beiersdorf 0,70 € 89,10 € 0,8% 19.4
ThyssenKrupp 0,15 € 21,81 € 0,7% 19.1
Commerzbank - € 12,28 € 0,0% 2.5


Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben. Ich habe heute die Schlusskurse von Freitag Abend verwendet, statt wie sonst die von Donnerstag.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (09.03.2018) Woche Δ Σ '18 Δ

Dow Jones 25.291 2,8% 1,9%
DAX 12.347 1,3% -4,4%
Nikkei 21.469 -1,2% -5,7%
Shanghai A 3.464 1,0% 0,0%
Euro/US-Dollar 1,23 0,3% 2,6%
Euro/Yen 131,50 0,9% -2,6%
10-Jahres-US-Anleihe 2,89% 0,09 0,47
Umlaufrendite Dt 0,44% 0,02 0,16
Feinunze Gold $1.323 0,5% 1,5%
Fass Brent Öl $65,25 2,6% -2,0%
Kupfer 6.829 -1,8% -4,6%
Baltic Dry Shipping 1.197 0,1% -12,4%
Bitcoin 8.891 -19,2% -36,0%



So wie die Ankündigung der Importzölle die Finanzmärkte in den Abgrund gestürzt hat, so hat die Ankündigung der Ausnahmeregelungen nun für eine entsprechende Gegenbewegung gesorgt. Dow Jones und auch der DAX sind entsprechend kräftig angestiegen. Japans Nikkei hingegen noch nicht, immerhin ist Japan einer der größten Stahllieferanten der USA.

Auch das Zinsniveau in den USA sowie in Europa steigt. Gestern hat Mario Draghi die neueste Zinsentscheidung der EZB veröffentlicht. Der Satz, die Anleihekäufe bei Bedarf auch wieder zu vergrößern (aktuell noch 30 Mrd. EUR/Monat), ist aus der Erklärung weggefallen und wird von Zinspropheten als Einstieg in den Ausstieg gefeiert. Somit rechnen nun viele Marktteilnehmer mit einem Ende der Anleihekäufe zum September des laufenden Jahres und mit einem ersten Zinsschritt im Jahr 2019.

Der Ölpreis ist kräftig angestiegen (+2,6%). Ich gehe davon aus, dass dieser Anstieg im Rahmen der Markterholung erfolgt ist, doch viel Luft nach oben gebe ich dem Ölpreis aktuell nicht mehr.

Der Bitcoin ist eingebrochen (-19%). Weltweit befassen sich immer mehr Behörden mit der Kryptowährung und erlassen Einschränkungen und Vorgaben. Das belastet diese junge, digitale Währung.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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