Alt 09.12.16, 19:11
Standard So tickt die Börse: Verhandlungschef Trump
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Der eine oder andere wird sich daran erinnern, wie lange die CDU vor Gerhard Schröder für eine Arbeitsmarktreform gekämpft hat. Sämtliche Vorschläge wurden von der SPD als unsozial blockiert. Schröder nahm die CDU-Vorschläge, weichte sie kräftig auf und schlug die Agenda 2010 vor. Damit machte er sich die erklärten Gegner einer Arbeitsmarktreform innerhalb der SPD zu Gegnern, die CDU jedoch stimmte dem Vorschlag als Minimalkonsens zu.

Häufig ist es so in der Politik, dass wichtige Änderungen ausgerechnet von der Partei umgesetzt werden, der man es am wenigsten zugetraut hätte. So sehe ich inzwischen auch den designierten US-Präsidenten Donald Trump als jemanden, der viele Dinge umsetzen kann, die von den Demokraten niemals durchgebracht worden wären.

Dabei ist Trump ein Dealmaker, jemand der Kompromisse aushandelt. Von einer Führungsperson erwartet die Gesellschaft heute in erster Linie eine starke Meinung. Diese Meinung muss dann umgesetzt werden und wenn das nicht klappt, wird die Macht der Führungsposition in Frage gestellt. Donald Trump tickt anders.

Trump bringt sich derzeit bei vielen Themen in eine gute Verhandlungsposition. Er will so ziemlich alle Außenhandelsabkommen abschaffen oder neu verhandeln. Er will aus dem Umweltschutz aussteigen. Ausländer dürfen nicht mehr ins Land gelassen werden, wir warten auf die Mauer nach Mexiko. Und Unternehmen, die im US-Ausland investieren, werden von ihm geächtet.

So griff Donald Trump zum Telefonhörer und rief den CEO von United Technologies an, eines der größten US-Industrieunternehmen. United Technologies wollte eine Fabrik in den USA schließen und dafür in Mexiko neu eröffnen. 1.000 Arbeitsplätze standen auf dem Spiel. Trump versprach CEO Greg Hayes, dass er die Unternehmenssteuern senken werde, so dass es sich lohnen würde, die Fabrik in den USA zu belassen. Hayes rechnete nach und verkündete, er glaube nun, dass es vorteilhaft sei, die Fabrik in den USA zu belassen.

United Technologies setzt mit Pratt & Whitney 21 Mrd. USD um, mit Carrier, dem Hersteller von Klimaanlagen, werden 17 Mrd. USD umgesetzt, Otis Fahrstühle erwirtschaften 12 Mrd. USD und der Bereich Aerospace Systeme nochmals 15 Mrd. USD. Pauschal kann man sagen, dass United Technologies 30 Mrd. USD mit Gebäudetechnik und 30 Mrd. USD mit der Luftfahrtbranche umsetzt. Hayes gab auf Nachfrage kleinlaut zu, dass insgesamt etwa 10 Mrd. USD Umsatz mit staatlichen Einrichtungen erwirtschaftet werden. Derzeit schlummern 8.000 bestellte Düsenantriebe der neusten Generation in den Büchern von Pratt & Whitney. Sie brauchen 16% weniger Sprit, sind um 75% leiser und stoßen 50% weniger Schadstoffe aus. Wenn die 8.000 Düsenantriebe im Einsatz sind, wird jährlich so viel weniger Schadstoff ausgestoßen als wären 2 Mio. Autos weniger auf den Straßen unterwegs.

United Technologies notiert auf einem KGV 2017e von 16, das Gewinnwachstum wird von Analysten auf 8% p.a. geschätzt. Die versprochene niedrigere Unternehmenssteuer dürfte den Gewinn etwas ankurbeln, aber die Aktie hat bereits ein ordentliches Bewertungsniveau erreicht.

Dann war da noch der Tweet von Trump (@realDonaldTrump), der Furore machte: "Boeing is building a brand new 747 Air Force One for future presidents, but costs are out of control, more than $4 billion. Cancel order!" Boeing baut eine neue Präsidentenmaschine für künftige US-Präsidenten, aber die Kosten sind außer Kontrolle, über 4 Mrd. USD. Auftrag stornieren!

Ich habe keine Ahnung, wie Trump auf die 4 Mrd. USD kommt. Immerhin werden immer gleich zwei davon gebaut und die Maschine ist ein fliegender Gefechtsstand, der unendlich lange in der Luft bleiben kann (Luftbetankung). Aber Donald Trump hat sich schon diverse Privatjets gekauft und wird darin auch auf keinerlei Luxus verzichten. Wenn er nun zu dem Schluss kommt, Boeing bepreise den Präsidentenjet zu hoch, dann sollte sich Boeing warm anziehen.

Mit seinem Tweet bringt sich Trump auch hier in eine Verhandlungsposition und zeigt, dass er direkt in solche Vorgänge eingreifen wird. Es ist genau das, wofür er gewählt wurde: Einmal kräftig den Beziehungssumpf in Washington aufmischen. Boeing hat neben der Präsidentenmaschine Aufträge mit einem Volumen von 18 Mrd. USD von der US-Regierung. Man wird sich wohl auch hier verhandlungsbereit zeigen.

Neben Boeing sind nun auch Lockheed Martin, General Dynamics, Northrop Grumman und viele weitere Rüstungskonzerne an der Börse unter Druck geraten. Mit dem Wahlsieg Trumps waren gerade diese Aktien angesprungen, denn man erwartet von Trump, dass er die Rüstungsausgaben steigern wird. Doch mit diesem Tweet hat er ein Signal gesetzt, dass dies nicht wie in den vergangenen Jahrzehnten zu jedem Preis erfolgen wird. Die Rüstungsaktien haben umgehend 3-5% abgegeben.

Dann ist da noch das Time Magazine, das Donald Trump zur Person des Jahres 2016 gekürt hat. Im Interview sagt Trump dann, er halte die Medikamentenpreise in den USA für viel zu hoch und er werde sich die Pharma-Branche näher anschauen. Ups? War es nicht gerade Hillary Clinton, die der Pharmabranche zusetzen und auf die Preisbildung Einfluss nehmen wollte? Sie war über ein Jahr lang das Schreckgespenst der Pharmabranche. Nun entpuppt sich ausgerechnet Donald Trump als genau das gleiche Schreckgespenst? Auch die Aktien der Pharmakonzerne sind in Folge dieses Interviews kräftig eingebrochen.

Auf der anderen Seite nominiert er nun Scott Pruitt als Umweltminister. Pruitt bestreitet den Klimawandel und gilt als Freund der Ölindustrie. Genau wie Trump möchte auch er aus dem Klimaabkommen von Paris aussteigen. Ist das nun nur eine Verhandlungsposition oder Ideologie? Wir müssen uns überraschen lassen, aber ich fürchte es ist Ideologie.

Und dann ist da noch der überraschende Auftritt von Donald Trump mit Softbank-Chef Masayoshi Son. Der Japaner wolle in den kommenden Jahren 50 Mrd. USD in den USA investieren. Zur Information: Softbank ist Großaktionär von Sprint und T-Mobile wird derzeit mit 48 Mrd. USD bewertet. Vor zwei Jahren hatte Sprint schonmal versucht, T-Mobile zu übernehmen. Die US-Kartellbehörde hat das jedoch verhindert. Vor fünf Jahren wollte AT&T T-Mobile kaufen, auch diese Transaktion wurde von der Kartellbehörde verhindert. Nun macht man sich offensichtlich Hoffnung, dass ein US-Präsident Trump eine solche Übernahe ermöglichen wird. Softbank-Chef Masayoshi Son sagte im selben Atemzug, in dem er die Investition von 50 Mrd. USD verkündete, dass man 50.000 neue Arbeitsplätze in den USA schaffen werde.

Ich würde sagen, auch hier zeigt sich wieder der Dealmaker Trump. Er bleibt unberechenbar, denn manchmal setzt er die schlimmsten Befürchtungen seiner Kritiker um (Nominierung Pruitts als Umweltminister), manchmal überrascht er jedoch positiv mit Aktionen, die selbst Clinton niemals zuwege gebracht hätte.

Schauen wir mal, welcher Teil der Trump-Rallye an den Aktienmärkten gerechtfertigt ist und wo es Probleme geben könnte. Im Wesentlichen sind es drei Versprechen, mit denen er die Richtung vorgibt:
- Steuerquote runter,
- weniger Bürokratie und
- Rückholung im Ausland gebunkerter Unternehmensgewinne.

Davon werden die folgenden Branchen profitieren:
- Einzelhandel indirekt, da Steuerzahler künftig mehr Geld in der Tasche haben und mehr konsumieren
- Banken aufgrund der Rückführung von Regulierungen, die in den vergangenen Jahren zu hohen administrativen Kosten führten
- Öl, weil Trump zum einen die Erderwärmung als Betrug bezeichnet und zum andere weil er günstigere Ölpreise (mehr Produktion!) als Antwort auf geopolitische Spannungen betrachtet.
- Stahl wird natürlich von günstigeren Energiepreisen (siehe Öl) profitieren, Trump hat aber auch gerade dieser Branche eine große Bedeutung zugesprochen und wird sie wohl steuerlich gut stellen.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES 8.12.16 Woche Δ

Dow Jones 19.615 2,3%
DAX 11.182 6,4%
Nikkei 18.996 3,1%
Shanghai A 3.385 -0,3%
Euro/US-Dollar 1,06 -0,6%
Euro/Yen 121,51 0,2%
10-Jahres-US-Anleihe 2,39% 0,01
Umlaufrendite Dt 0,15% 0,04
Feinunze Gold $1.168 -0,6%
Fass Brent Öl $54,10 0,0%
Kupfer 5.838 1,1%
Baltic Dry Shipping 1.122 -6,2%



Diese Woche ist der DAX endlich über 10.800 Punkte ausgebrochen, das Wochenplus von 6,4% zeigt die aufgestaute Nachfrage, die sich nach dem Ausbruch entlud. Auch der Dow Jones stieg um 2,3% an, der Nikkei sogar um 3,1%.

Nach der Entscheidung EZB-Chefs Mario Draghi, das Anleihekaufprogramm bis Ende 2017 zu verlängern, den monatlichen Betrag jedoch von 80 auf 60 Mrd. Euro zu kürzen, gab der Euro nach. Draghi wiederholte in der anschließenden Pressekonferenz gebetsmühlenartig, dass es sich damit nicht um den Anfang vom Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik handele (Tapering). Ich habe jedoch nicht verstanden, was es sonst sein sollte.

Die Diskussion wird fortan nicht mehr darüber gehalten werden, ob die EZB noch weitere zusätzliche Liquiditätsmaßnahmen in petto hat, sondern darüber, wann das monatliche Volumen weiter reduziert wird und wann ggfls. mit einer ersten Zinsanhebung zu rechnen ist. Davon sei man weit entfernt, so Draghi, doch die Gespräche am Markt klingen anders.

Zunächst einmal haben die Aktienmärkte positiv auf die Fortführung der Liquiditätsflutung reagiert. Der Euro bleibt schwach, insbesondere DAX-Aktien werden von dieser Entscheidung profitieren.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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