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In der gestrigen Sitzung der EZB wurde das Zinsniveau in Europa unverändert belassen. Das ist keine Überraschung, der Leitzins von 0% wird uns noch eine ganze Weile begleiten. Zudem wurde erneut bestätigt, dass die Anleihekäufe mit einem Volumen von 60 Mrd. EUR bis Dezember 2017 unvermindert fortgesetzt werden. Auch das ist keine Überraschung.
Überrascht hat mich die Formulierung, dass diese Anleihekäufe in bestehender Höhe auch über Dezember 2017 hinaus aufrecht erhalten werden. Zudem wurde der aggressive Nachsatz beibehalten, mit dem man sogar eine erneute Ausweitung dieses Anleihekaufprogramms in Aussicht stellt, sollten sich die Rahmenbedingungen verschlechtern. Ich hatte damit gerechnet, dass der Tonfall nun endlich ein wenig in Richtung "Ende der Liquiditätsflutung" geht. Die Konjunkturdaten in ganz Europa sind seit Monaten überaus positiv. Mehrmals hat die EZB bereits ihre Prognosen für die Konjunktur- sowie Inflationsentwicklung der kommenden Jahre angehoben. Es wäre nun an der Zeit, die Anleger auf das bevorstehende Ende der Liquiditätsflutung vorzubereiten. Doch stattdessen betonte EZB-Chef Mario Draghi im anschließenden Statement, man werde diese Frage erst auf dem Treffen im Oktober diskutieren. Bei näherem Hinschauen entpuppt sich in meinen Augen die Euro-Entwicklung als der Grund hinter der Zurückhaltung Draghis. Der Euro hat in freudiger Erwartung des Endes der Liquiditätsflutung in Europa gegenüber dem US-Dollar seit Jahresbeginn bereits um 15% zulegen können. Man könnte auch sagen, der US-Dollar hat aus Enttäuschung über die Konjunkturentwicklung in den USA, die weitere Zinsschritte eher unwahrscheinlich macht, kräftig Federn gelassen. Und damit sind wir bei dem wirklichen Konflikt, den Draghi derzeit austrägt: Hätte er gestern Hinweise auf ein bevorstehendes Ende der Liquiditätsflutung gemacht, beispielsweise indem er andeutet, dass die 60 Mrd. monatlichen Anleihekäufe im Verlauf des kommenden Jahres schrittweise reduziert würden, dann wäre der Euro in die Höhe geschnellt. Gleichzeitig sind Anleger skeptisch, ob die US-Notenbank ihre in Aussicht gestellte Zinsanhebung auch umsetzen wird. Die US-Konjunktur lässt der Fed auch die Möglichkeit offen, keine weitere Zinserhöhung mehr vorzunehmen. Das wäre für Anleger das Signal, vom US-Dollar in den Euro zu wechseln, und zwar viel stärker, als das bislang geschehen ist. Am 20. September wird Fed-Chefin Janet Yellen die Zinsentscheidung der US-Notenbank bekannt geben. Sie wird, meiner Einschätzung nach, genau wie in Jackson Hole vor wenigen Wochen ein rosiges Bild über die US-Konjunktur malen und weitere Zinsschritte für die Zukunft als Möglichkeit offen lassen, aber nichts tun. Je nachdem, wie konkret sie die Möglichkeit einer Zinsanhebung in Aussicht stellt, wird der US-Dollar entweder zulegen oder abgeben. Im Umkehrschluss wird also der Euro abgeben, wenn es Janet Yellen gelingt, ihre Zuhörer von der konkreten Möglichkeit weiterer Zinsanhebungen zu überzeugen. Und das ist dann die Basis, auf der EZB-Chef Draghi in Europa das Ende der Liquiditätsflutung in Aussicht stellen kann. Es wird dann von Anlegern wie ein Gleichschritt zwischen den USA und Europa wahrgenommen, wobei Europa halt einfach nur ein wenig hinterherhinkt. Die Wechselkursreaktion in einem solchen Umfeld würde moderat ausfallen. Das Treffen in Jackson Hole dient traditionell dazu, dass sich Notenbanker der ganze Welt über Strategien austauschen und absprechen. Vielleicht haben die beiden ja abgesprochen, dass Yellen zunächst die Zinssteigerugserwartung in den USA anheizen muss, bevor Draghi selbiges in Europa tut. Vielleicht konnten sie sich aber auch nicht einigen, wer in Vorleistung gehen muss. Dann wäre die fortgesetzte Liquiditätsflutung der EZB eine durch die Wechselkursentwicklung getriebene Entscheidung. Doch der Wechselkurs ist nicht Bestandteil des Mandats der EZB. Die EZB würde dann einen Währungskrieg führen. Es wird also spannend. Wenn Sie in diesen Ausführungen eine Antwort auf die Frage in der Überschrift erwartet haben, dann muss ich Sie enttäuschen. Die Welt ist nicht schwarz/weiß. NORDKOREA-KONFLIKT: VERHÄRTETE FRONTEN BRINGEN PUTIN IN ZUGZWANG Zunächst einmal möchte ich mich für den Tippfehler in der Ausgabe vom vergangenen Freitag entschuldigen: Ich habe Süd- statt Nordkorea den Raketentest zugeschrieben. Nun gibt es Berichte, die Nordkoreas Verhalten als überaus rational darstellen: Seit vielen Jahren machen die USA gemeinsam mit Südkorea zweimal jährlich Truppenübungen an der Grenze zu Nordkorea oder aber im Meer vor Nordkorea. Das ist eine klare Provokation und Nordkorea verlangt schon seit vielen Jahren, dass diese Übungen eingestellt werden sollen. Nach der Wahl Donald Trumps habe man einen erneuten Anlauf unternommen und - weil Trump ja gern Kuhhandel betreibt - seine Verhandlungsposition durch die Raketen- und Atomtests verbessert. Trump sei derjenige, der nicht auf die Verhandlungsangebote Nordkoreas einging. Auf der anderen Seite werden die vielen Bemühungen Südkoreas erwähnt, die Nordkorea zu Gesprächen einluden, ohne Erfolg. Dann wird ausgeführt, dass Putin hinter der starren Linie Nordkoreas steckt. China hat ja inzwischen deutlich gemacht, einen Erstschlag Nordkoreas zu verurteilen, gleichzeitig aber auch eine Invasion durch die USA nicht zuzulassen. Russland hat lediglich gesagt, Nordkorea dürfe keine Atomwaffen haben, weitere Sanktionen würden jedoch nicht zum Ziel führen, sondern man müsse verhandeln. Also irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Lösung des Konflikts weder in der Hand von Nord- noch von Südkorea liegt - wieder einmal stehen sich Russland und die USA gegenüber. Sie können mir nicht erzählen, dass Kim Jong-un ein wildgewordener Wahnsinniger ist, da steckt eine Strategie dahinter. Und eine Strategie wäre es, sich in eine gute Verhandlungsposition zu bringen. Nur leider hat er Trump falsch eingeschätzt, er reagiert auf Härte mit noch mehr Härte. Und so eskaliert die Situation permanent eine Stufe höher, dennoch glaube ich nicht, dass einer der beiden wirklich zur nuklearen Option greifen wird. Doch was macht Putin in diesem Spiel? Möchte er etwa aushandeln, dass die USA ihre Militärbasen in Südkorea schließen müssen, um eine Wiedervereinigung Koreas zu ermöglichen? Damit wären die USA endgültig raus aus Asien, egal unter welcher Staatsform die Wiedervereinigung stattfinden würde. Aber derzeit fehlen Putin die Verhandlungsoptionen, am Montag sollen verschärfte Sanktionen gegen Nordkorea im UN-Sicherheitsrat verabschiedet werden, darunter befindet sich ein Importverbot für Öl. Das will Putin nicht, er möchte reden. Stellt er sich als Vetomacht hingegen gegen diese Sanktionen, wird er als Kollaborateur der nuklearen Spielchen Nordkoreas entlarvt. So gesehen ist die harte Linie von Donald Trump zwar gefährlich. Doch wenn wir davon ausgehen, dass weder Kim Jong-un, noch Donald Trump in die Geschichtsbücher eingehen wollen als diejenigen, die einen Atomkrieg angezettelt haben, ist es ein rationaler Weg, den Einfluss der USA in Korea zu sichern. Auch hier gilt also: Weder Kim Jong-un, noch Trump, noch Putin sind einfach nur böse und unsere Kanzlerin, die nach härteren Sanktionen ohne Öl ruft, ist nicht nur einfach gut. Die Interessenlage ist komplex und entsprechend gibt es keine einfache Lösung. Doch das ist eigentlich nichts Neues und daher nehmen die Aktienmärkte diesen Krisenherd zunehmend gelassen wahr. Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (07.09.2017) Woche Δ Σ '17 Δ Dow Jones 21.777 -0,7% 10,2% DAX 12.297 2,0% 7,1% Nikkei 19.397 -1,3% 1,5% Shanghai A 3.525 0,1% 8,5% Euro/US-Dollar 1,20 1,2% 14,2% Euro/Yen 130,20 -0,5% 5,9% 10-Jahres-US-Anleihe 2,04% -0,09 -0,40 Umlaufrendite Dt 0,15% 0,02 0,16 Feinunze Gold $1.347 2,1% 16,9% Fass Brent Öl $54,40 4,0% -4,1% Kupfer 6.842 0,9% 26,1% Baltic Dry Shipping 1.296 9,5% 39,7% Der DAX konnte diese Woche verlorenen Boden gutmachen und stieg um 2% an. Im aktuellen Bereich zwischen 12.300 und 12.350 wird es sich entscheiden, ob die seit Juni eingeschlagene Abwärtsbewegung fortgesetzt wird und wir ein neues Tief bei 11.800 Punkten fürchten müssen, oder ob der Ausbruch nach oben gelingt und eine Herbstrallye ansteht. Erstaunlich ist, dass diese Aufholjagd im DAX trotz eines Anstiegs des Euro-Wechselkurses um 1,2% erzielt wurde. Monatelang wurde der "Exportindikator" DAX verkauft, wenn der Euro anstieg. Diese Korrelation scheint sich nun aufzulösen. Die Renditeentwicklung spiegelt meine obige Analyse wider: In Europa ist das Zinsniveau gestiegen (+0,02%punkte), da die Konjunktur stark genug für ein Ende der Liquiditätsflutung ist. In den USA hingegen fiel die Rendite um 0,09%punkte, weil dort die Hoffnung auf weitere Zinserhöhungen schwindet. An den Rohstoffmärkten hingegen herrscht Aufbruchstimmung: Der Goldpreis ist um 2,1% gestiegen, der Ölpreis sogar um 4%. Kupfer hat in diesem Jahr sogar schon 26% zugelegt, diese Woche nochmals 0,9% und der Baltic Dry Verschiffungsindex spiegelt mit einem Sprung um 9,5% eine zunehmende Handelsaktivität in China wider. Ich hatte dies vor einigen Wochen in Aussicht gestellt, da dies zu einem guten Klima für den nächsten Parteitag der chinesischen Partei gehört. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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