Alt 16.01.21, 13:00
Standard So tickt die Börse: Nvidia wird ARM Holding nicht bekommen
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Die Einzelmeldungen geben die Dramatik kaum wieder: Nvidia kauft ARM Holding, Intel bekommt neuen CEO, Huawei unterliegt US-Handelsembargo, Taiwan Semiconductor TSMC setzt US-Handelsembargo um, Apple ersetzt Intel durch ARM-Technologie, ... und heute hat die USA Xiaomi auf die Liste militärisch sensibler Unternehmen gesetzt.

Wenn wir das Ganze jedoch in einen Zusammenhang setzen, dann ergibt sich ein Bild, in dem die USA, China und Europa um ihre jeweilige Position in der globalen Wirtschaft kämpfen. Die Chip-Industrie hat sich in den vergangenen Monaten zu einem Schlüsselsektor entwickelt, an dem sich die drei Regionen messen. Ich fürchte daher, dass meine im September 2020 formulierte Zuversicht über das Gelingen der Übernahme von ARM Holding durch Nvidia falsch war. Inzwischen haben sich die Dinge dahingehend verändert, dass ich eine harte Linie sowohl seitens China als auch seitens Europa durchaus für möglich halte. Auch die Briten, das Heimatland von ARM Holding, könnten als Akteur auftreten und in die Suppe spucken.

Schauen wir zunächst einmal auf die große Auseinandersetzung zwischen China und den USA. Die USA fürchteten zunächst, dass die enge Verstrickung von Huawei, dem chinesischen Anbieter von 5G-Technologie, mit der US-Chipindustrie zu einem Knowhow-Transfer in Richtung China führen könne. Als wichtiges Militärgeheimnis wurde die Technologie klassifiziert und so gab es schwer zu erfüllende Auflagen für Huawei bei der Beschaffung von Hard- und Software für die eigenen Smartphones, aber auch für die 5G-Technologie, die an den Antennenmasten und Verteilern eingesetzt wird.

Dieser Schritt erschwerte zwar das Geschäft von Huawei, doch der Dolchstoß kam erst mit dem Handelsembargo: Die USA verboten schließlich den Handel mit US-Technologie in Richtung Huawei. Das betraf letztlich auch viele internationale Unternehmen, wie bspw. auch Infineon, deren Produkte US-Patente oder US-Vorprodukte nutzen. Huawei war plötzlich ausgeschlossen: Wir müssen draußen bleiben.

Eines der Ergebnisse ist übrigens, dass heute die Schätzungen für die Absatzzahlen von Apples iPhone 12 in China deutlich nach oben korrigiert wurden. Die Chinesen sind heiß auf 5G-Handys und Huawei kann nicht liefern.

Diese Blockade wurde erst dadurch perfekt, das Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp (kurz: Taiwan Semi, oder TSMC) sich an dieses Embargo der USA gebunden fühlte. Mit einer Marktkapitalisierung von 600 Mrd. USD gehört Taiwan Semi zu den größten Unternehmen der Welt. Das Unternehmen fertigt Chips im Auftrag der Chip-Industrie her und stellt dafür modernste Fabriken zur Verfügung. Erst gestern hat Taiwan Semi bekannt gegeben, die Produktionskapazität massiv auszuweiten, da die Nachfrage nicht bedient werden könne. Welch eine Entwicklung, denn vor einem halben Jahr quollen die Chip-Lager über, da die Branche nicht nur durch Corona, sondern auch schon zuvor, eine Nachfrageflaute erlebte.

Taiwan gehörte eigentlich zu China und bis heute betrachtet China Taiwan als Bestandteil Chinas. Die USA unterstützen Taiwan jedoch, wo es nur geht und sichern sich mit dieser Unterstützung die Gefolgschaft. Um das zu verstehen, möchte ich einen kurzen, sehr kurzen, Exkurs in die Geschichte machen:

Taiwan stand 1895 bis 1945 unter der Herrschaft Japans. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Japan Taiwan an China und in China folgte ein Bürgerkrieg zwischen der Kommunistischen Partei und der Republik China. Die Republik China bestand seit 1912. Wir wissen, dass die Kommunisten gewannen, die Anhänger der unterlegenen Republik flohen nach Taiwan und wurden umgehend dort von den USA unterstützt, also gegen die chinesischen Kommunisten beschützt.

Die Unterstützung Taiwans ist also so etwas wie eine Missbilligung der Kommunistischen Partei Chinas, also des Chinas, wie wir es kennen. Ein Dorn im Auge Chinas und immer wieder Auslöser diplomatischer Eklats.

Genug zur Geschichte, neuer Schauplatz: Intel.

"Moores Law" ist vielen ein Begriff: Gordon Moore ist der Gründer von Intel und gab die Devise aus, dass sich die Leistung von Halbleitern (Chips) jedes Jahr (manche sagen auch: alle zwei Jahre) verdoppeln müsse, ohne die Kosten zu treiben. Moore war 1875 bis 1987 CEO von Intel und lieferte. Ihm folge sein Entwicklungsingenieur Andy Grove, auch er konnte diese technologische Revolution mit gleichbleibendem Tempo fortsetzen. 1998 folgte Craig Barren, ein Marketingexperte. So auch sein Nachfolger Paul Ottelini. In dieser Zeit hat Intel seine weltweite Dominanz als Marktführer aufs Spiel gesetzt. Brian Krzanich, ein Chemiker, konnte 2013 bis 2018 nochmals eine Gegenbewegung starten. Doch wirklich erfolgreich war auch er nicht mehr.

2018 gab es eigentlich niemanden mehr, der Intel führen wollte. Bob Swan lehnte zunächst ab, wurde jedoch so lange bearbeitet, bis er letztlich einwilligte. Als Finanzjongleur holte er aus der Bilanz heraus, was ging. Doch auch er konnte nur zusehen, wie inzwischen Nvidia und AMD das Kerngeschäft von Intel angriffen. Gestern wurde nun Pat Gelsinger zum Nachfolger von Bob Swan ausgerufen: Der CEO von VMWare, der sich als CTO, also als Chef-Ingenieur, einen Namen machte. Die Aktie von Intel ist in den vergangenen Tagen um 14% angesprungen.

Noch vor einer Woche habe ich im Heibel-Ticker im Rahmen der Leserfrage geschrieben, dass ich nicht weiß, welches Ereignis bei Intel für einen Kurssprung sorgen könnte. Jetzt weiß ich es. Und der Kurssprung spricht Bände: Pat Gelsinger hat noch nicht einmal Hand angelegt, da schießt die Aktie bereits nach oben. In meinen Augen sehen wir hier eine Short Squeeze: viele Anleger haben bei Intel auf fallende Kurse gewettet und wurden von der Meldung auf dem falschen Fuß erwischt. Nun müssen sie sich eindecken, ohne Rücksicht auf Verluste.

Nun haben Sie einen Eindruck, warum Taiwan Semi so wichtig für die USA ist: Intel war Weltmarktführer und Quasi-Monopolist bei der Entwicklung und Produktion von Prozessoren. Die britische ARM Holding bietet das Knowhow der Chips zum Kauf an, Unternehmen wie Apple entwickeln auf der Basis dieser Technologie nun eigene Chips und lassen sie von Taiwan Semi produzieren. Wenn Sie verfolgt haben, wie ein Intel-Chip vor wenigen Jahren zum Einfallstor für Hacker wurde, dann können Sie leicht nachvollziehen, wie wichtig es für militärisch sensible Produkte, aber auch für die Patente am Entwicklungswissen sind, um im internationalen Wettbewerb die Nase vorn zu behalten.

Die britische ARM Holding verkauft ihre Patente in alle Länder der Welt, also auch nach China. Wenn nun chinesische Unternehmen wie Huawei nicht mehr auf Intel Chips zugreifen können, dann brauchen sie aber zumindest die ARM-Technologie, um etwas eigenes zu entwickeln.

Sollte nun ARM an Nvidia verkauft werden, dann wird China hohe Auflagen stellen, um sich den Zugang zu dieser Technologie weiterhin zu sichern. ARM Holding ist heute in der Hand der japanischen Softbank. Als ARM vor vier Jahren nach Japan verkauft wurde, stellte die britische Regierung hohe Auflagen an den Käufer: Entwicklung und auch das Wissen sollten auf der britischen Insel bleiben. Als Finanzinvestor war es kein Problem für die Japaner, diese Bedingungen zu erfüllen.

Nvidia spricht jedoch von Synergien nach der Übernahme. Synergien können jedoch nur dann realisiert werden, wenn entsprechende Bereiche zusammengeführt werden. Das würde eine Übertragung vieler essenzieller Bereiche in die USA bedeuten.

Die Briten werden also Arbeitsplätze, Know-how und Patente auf der Insel behalten wollen. Das widerspricht dem Bestreben Nvidia, Synergien zu heben. China wird die Gefahr sehen, dass künftig durch die USA auch noch die Basis für die eigene Chipindustrie, nämlich die Patente von ARM Holding, für China gesperrt werden. Und dann ist da noch Europa...

Europa, genau genommen Deutschland, hat ebenfalls keine gute Erfahrung mit der Sanktionspolitik der USA in den vergangenen Jahren: Nordstream 2, ein Projekt zwischen Russland und Deutschland, das die Energieversorgung Europas betrifft, wird von den USA mit Händen und Füßen bekämpft. Drohungen und Sanktionen gehören zum Instrumentarium der USA, um eigene Energiepolitische Ziele im Ausland durchzudrücken.

Wie schwach Europa in der digitalen Welt aufgestellt ist, hat die Corona-Pandemie gezeigt. Neben ARM Holding haben wir noch STMicrosystems in den Niederlanden, sowie auch ASML, ebenfalls dort. Klar, wir können jetzt noch eine Reihe von kleinen Chip-Unternehmen aufzählen, deren Chips jedoch nur selten in Computer eingehen. Letztlich ist ARM ein Juwel, den die Briten nicht ohne weiteres hergeben sollten.

Was also, wenn die Auflagen für die Übernahme zu hoch werden? Was, wenn Nvidia irgendwann aufgibt?

Nun, für Softbank ist das inzwischen kein Problem: Von überquellenden Chip-Lagern hat sich die Branche nun in einen heißen Markt gewandelt, der für die 5G-Revolution in den Wachstumsmodus umgeschaltet hat. Die Geldschleusen der Notenbanken sind weit geöffnet, jeder IPO wird derzeit überzeichnet. Der Appetit der Anleger kann mit den derzeit verfügbaren Aktien nicht gesättigt werden, daher steigen die Aktienmärkte unaufhörlich - auch Aktien mit einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von 50 und höher. Ein Börsengang von ARM Holding wäre heute sicherlich lukrativer für Softbank als der Verkauf an Nvidia.

Sollte sich ein solches Szenario abzeichnen, wird die Aktie von Nvidia Federn lassen. Daher haben wir sie derzeit nicht in unserem Portfolio und ich würde den Ausgang dieser Geschichte abwarten, bevor ich aktiv werde.

ALIBABA-GRÜNDER JACK MA GEFUNDEN

Die Financial Times erklärte zum Jahreswechsel Jack Ma für verschollen. Gerüchten zufolge wurde er von der Kommunistischen Partei beseitigt, weil er sich gegen das Regime gestellt habe. Die Geschichte gab alles her, was für einen Agenten-Thriller gebraucht wird. Gerade während der besinnlichen Tage des Jahreswechsels kommt eine solche Meldung gut an. Die Aktie von Alibaba fiel von 215 auf 180 Euro.

Die Geschichte passte auch zu gut: Im Oktober, wenige Tage vor dem Börsengang der Alibaba-Tochter Ant Financial, dem weltweit größten IPO, sprach Jack Ma in einer Rede kritisch über das chinesische System: Innovation werde in China mit veralteten Regeln behindert, so seine Kritik. Der Börsengang von Ant Financial wurde quasi über Nacht abgesagt, fadenscheinige Begründungen wurden geliefert. Jack Ma war seither nicht mehr zu sehen.

Agentenfilme mit Liquidationen kommen einem in den Sinn, der Mordversuch am russischen Oppositionellen Nawalny ist noch frisch in den Köpfen der Menschen. Warum sollte so etwas in China nicht möglich sein? Immerhin ist Jack Ma der reichste Chinese, seine Ausbildung genoss er im Feindesland USA. Er hätte die Macht, China mit westlichen Gedanken gegen die Kommunistische Partei aufzuwiegeln, oder?

Nun, ein US-Moderator gab nun Entwarnung: Der rechte Mann Chinas kann nicht so einfach liquidiert werden. Er habe mit einem engen Vertrauten von Jack Ma gesprochen, der ihm versichert habe, es gehe ihm gut. Man habe ihm nur anheim gelegt, für eine gewisse Zeit unterzutauchen. Da ich den US-Moderator seit langem kenne, traue ich ihm zu, zwischen Propaganda und Wahrheit zu unterscheiden. Wenn er dem Vertrauten vertraut, dann ist an dieser Version was dran. Es ist nachvollziehbar, dass die Kommunistische Partei von seiner Rede nicht begeistert war. Und da ist es gar nicht so abwegig, ihn vor die Wahl zu stellen, unterzutauchen, oder ...

Damit ist der Börsengang nun bis auf weiteres auf Eis gelegt. Die Entwicklung von Alibaba steht in den Sternen, denn im Zuge dieser Auseinandersetzung schaut sich die kommunistische Partei auch den Markt von Alibaba an, beurteilt gegebenenfalls eine Monopolstellung oder steuerliche Aspekte und könnte somit einige Steine in den Weg von Alibaba rollen.

Dieser Prozess wird genau dann enden, wenn Jack Ma wieder vor eine Kamera tritt. Die Aktie von Alibaba wird dann einen Sprung machen. Doch ob das vom aktuellen Niveau aus erfolgt, oder von einem deutlich tieferen Niveau aus, das kann ich nicht sagen.

Daher gefallen mir derzeit Tencent und JD.com als chinesische Aktien besser.

So, nun schauen wir mal auf die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (14.01.2021) Woche Δ Σ '21 Δ

Dow Jones 30.874 -0,5% 1,3%
DAX 13.788 -1,9% 0,5%
Nikkei 28.519 1,4% 3,9%
Shanghai A 3.738 -0,1% 4,5%
Euro/US-Dollar 1,21 -1,2% -1,6%
Euro/Yen 125,56 -1,4% -0,9%
10-Jahres-US-Anleihe 1,09% -0,03 0,16
Umlaufrendite Dt -0,56% 0,00 0,00
Feinunze Gold $1.830 -1,2% -2,8%
Fass Brent Öl $55,13 -0,7% 7,3%
Kupfer 7.989 -1,7% 1,9%
Baltic Dry Shipping 1.792 23,8% 31,2%
Bitcoin 36.082 -12,6% 28,1%




Ich dem fulminanten Jahresauftakt folgte diese Woche eine kleine Verschnaufpause. Nicht einmal der Putsch-Versuch in den USA, denn nichts anderes war die Erstürmung des Kapitols in Washington, konnte die Freude der Anleger trüben, dass schon bald ein neuer Präsident im Weißen Haus wohnt.

Und auch die erneuten Lockdown-Diskussionen, Verschärfung, Verlängerung, belasten die Aktienmärkte nur wenig. Mag sein, dass zu wenig Impfstoffe verfügbar sind. Doch für die Finanzbranche ist wichtig, dass die Pandemie besiegt wird - sei es nun drei Monate früher oder später.

Somit hielt sich der DAX stabil über die gesamte Woche nahe seinem in der Vorwoche erzielten Allzeithoch. Erst in den letzten Handelsstunden folgte heute ein heftiger Ausverkauf, der zum Wochenminus von 1,9% führte.

Der Bitcoin hat diese Woche ebenfalls stark korrigiert, teilweise um 20%. Gleichzeitig zog der Baltic Dry Verschiffungsindex als Vorläuferindikator der globalen Konjunktur um 24% an. Auch hier blickt man durch die letzten Monate der Corona-Pandemie hindurch und rechnet fest mit dem kommenden Aufschwung.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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