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Bei dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos waren diesmal die mahnenden Stimmen unüberhörbar in der Mehrzahl. Angefangen über die Kapitalismusschelte vom Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, über den Erzbischof Reinhard Marx, der das Buch „Kapital“ schrieb und neu definierte, bis zu dem Investmentguru George Soros gab es Statements, die in der Tat zum fortgesetzten Nachdenken anregen sollten. Nicht nur Erzbischof Marx ist der Auffassung, dass in den Chefetagen aus der Finanzkrise nichts gelernt wurde. Selbst der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann regte mehr Mäßigung und Risikobewußtsein im Finanzsektor an, da die Übertreibungen und Eskapaden der Vergangenheit in Zukunft von der Bevölkerung nicht mehr geduldet werden.
Über die Aussichten der Weltwirtschaft war man sich uneins. Während viele Redner die zuletzt nach oben revidierte IWF-Prognose von 3,9% Wachstum beim Welt-BSP für realistisch hielten, gab es auch hier mahnende Stimmen. So glaubt der US-Star-Öknonom Nouriel Roubini an ein Nachlassen der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte, nachdem die Mehrzahl der Konjunkturprogramme im ersten Halbjahr auslaufen. Auch Bundesbank-Chef Axel Weber war der Auffassung, dass wir uns noch nicht im Jahr „1 nach der Krise“, sondern im dritten Krisenjahr befinden. Das gute Schlussquartal und Lagerimpulse werden in jedem Fall zu guten BSP-Zahlen für das 4. Quartal 2009 sorgen. Auch die Rede von Obama zur “Lage der Nation“ hat zwar auch gegenüber dem Bankensektor die richtigen Akzente gesetzt, aber es scheint so, dass seine mahnenden Worte kein Gehör finden. Es wäre sicherlich ein Fehler, jetzt wieder gleich zum „Business as usual“ übergehen zu wollen, nachdem im letzten Jahr noch Szenarien von 1929 für möglich gehalten wurden. Welche Lektionen die Finanzwirtschaft gelernt hat, werden wir noch in diesem Jahr erleben. Auch die Boni-Diskussion ist anscheinend noch nicht vom Tisch. Goldman Sachs hat seine Boni in Aktien und nicht in Cash ausgezahlt und zum Teil auch auf Boni verzichtet, was ein Gewinnergebnis von 13 Mrd. USD für 2009 einbrachte. Die Investmentbanker in London überlegen jetzt auszuwandern, wenn die Boni tatsächlich mit 50% versteuert werden sollen, aber wohin? In die Schweiz oder nach Singapore? Ein Gerichtsurteil in der Schweiz verhindert bis jetzt den von den USA geforderten Datentransfer von Bankdaten der UBS in die USA, weil es sich um Steuerhinterziehung, aber nicht um Steuerbetrug – welch feinsinnige Unterscheidung – handelt. Man darf gespannt sein, wie die USA und die UBS selbst darauf reagieren werden. In jedem Fall zeigte sich die Wall Street „not amused“ über das Ansinnen von Obama, die Großbanken zu trennen, die Boni zu beschränken und den Eigenhandel einzuschränken, denn hier entstehen immer noch die größten Gewinne bei Goldman Sachs, JP Morgan & Co.. Ich befürchte aber, dass es nur bei Obama-Visionen bleibt, die in den USA im Kongress und Senat nicht umsetzbar sind, denn Amerika wollte zwar den Wechsel einer „Bush-Regierung“, aber auch keine „Sozialisten“. So war die Wall Street letzte Woche erkennbar verschnupft. Auch am Freitag verlor der Dow Jones um 0,53 % auf 10.067 Indexpunkte und der S&P um 0,98% auf 1072 Indexpunkte. Trotz guter Zahlen von Technologie-Aktien und dem neuen iPod von Apple verlor auch die NASDAQ am Freitag 1,7% an Wert und schloss bei 1741 Indexpunkten. Alle genannten Indices befinden sich damit seit Jahresbeginn im Minus, von den Höchstkursen in der ersten guten Januarwoche korrigierten sie sogar fast 10%. Der Schwung zu Jahresbeginn ging also schnell verloren. In den USA gingen vergangene Woche 6 weitere Banken Pleite, so dass die Zahl der Bankenpleiten sich in den USA auf 15 erhöhte. Dies kostete dem US-Einlagensicherungsfonds weitere 4,2 Mrd. USD. China hat sein Wachstum im letzten Jahr durch eine bis dahin noch nie dagewesene Kreditexpansion, die ein Viertel des BSP ausmachte, herbeigeführt; dennoch ist China vergleichsweise gering verschuldet und auch die Banken sind nicht so anfällig wie westliche Banken, da sie zuvor kaum strukturierte Produkte im Portfolio haben. China ist nicht nur der neue Exportweltmeister, sondern auch die Binnenkonjunktur wächst sehr stark, was wiederum auch Chancen für ausländische Produzenten bedeutet. Vor allem die schnell wachsende Mittelschicht wird zum wichtigsten Wachstumsmotor der Zukunft. So gibt es immer noch enorme Wachstumsraten in vielen Konsumsektoren, über Internet, Nahrung bis zum Auto. Ein Politikum bleibt die Aufwertung des Yuan bzw. des Renmimbi, die zwar von den USA immer wieder heftig gefordert wird und auch fundamental gerechtfertigt ist, aber wohl nicht umgesetzt wird, weil China lieber den Export stützen will. Der Investment-Guru Mark Faber hält eine scharfe Korrektur in China für möglich, zumal jetzt Überkapazitäten aufgebaut werden. Falls es aber zu einer scharfen Korrektur in China kommen sollte, werden auch andere Emerging Markets davon negativ betroffen sein. Mit einem KGV von 15 ist China aber längst nicht mehr so teuer wie Mitte 2008. Dafür könnte Japan in diesem Jahr wie schon Ende 2009 positiv überraschen. Der Nikkei-Index verlor am Freitag allerdings auch 2,08% an Wert und schloss bei 10.198 Indexpunkten. Mit einem KGV von 20 sind amerikanische Aktien gegenüber europäischen Aktien mit einem KGV von 16 trotz der Korrektur immer noch überbewertet. Asiatische Aktien haben ein durchschnittliches KGV von 15-16, wobei vor allem japanische Aktien im historischen Vergleich niedrig bewertet sind. Auch osteuropäischen Aktien haben ein KGV von 13-14. Das ist weder besonders preiswert, noch besonders billig. Am preiswertesten unter den BRIC-Ländern sind immer noch russische Aktien. Wahre „Schnäppchen“ sind Mangelware und gehören wohl der Vergangenheit an. Dabei wird es jetzt ganz wesentlich darauf ankommen, wie hoch und vor allem wie nachhaltig das Wachstum in 2010/11 sein wird. Sobald den Börsen durch steigende Zinsen Liquidität entzogen wird, kann es in Kombination zu einem empfindlichen Anleihencrash kommen. Im letzten Jahr floss das meiste Geld in den den USA in den Anleihen-Sektor und zwar 227 Mrd. USD in den ersten 9 Monaten 2009, während in den US-Aktiensektor nur 2 Mrd. USD flossen. Was wird aber passieren, wenn Kapital aus dem Anleihensektor abgezogen wird, wenn die Zinsen in den in den USA zu steigen beginnen? Die notwendigen Exitstrategien aus der Verschuldungs-Orgie und Notenbankschwemme muss also koordiniert und abgestimmt erfolgen. Die Summe der ungedeckten Schecks nimmt derweil zu. Griechenland ist ein weiteres Beispiel. Die 8 Mrd. € an Staatsanleihen konnte ohne Probleme mit einem Kupon von staatlichen zu 6,25% platziert werden; es wären sogar 25 Mrd. € möglich gewesen, was die griechische Regierung ermuntert, jetzt gleich eine zweite Anleihe hinterher zuschieben. In Deutschland bringen Bundesanleihen gerade einmal 2,25%, in Griechenland fast das Dreifache an Zinsen. Wer will da nicht zuschlagen, wobei auch hier die Gier wieder eine Rolle spielt. Im Notfall sollen dann Deutschland und Frankreich Griechenland zur Seite stehen, falls keiner mehr die griechischen Anleihen haben will. Insgesamt muss Griechenland in diesem Jahr 50 Mrd. € platzieren. Dieses Roll-over der Kredite wird in diesem Jahr immer wieder für Spannung auch an den Aktienmärkten sorgen. Der zweite Zitterkandidat ist Argentinien und der dritte Venezuela. Der Zentralbank-Chef Argentiniens Redrado hat schon das Handtuch geworfen wegen des Streits um die Währungsreserven. Redorado wollte nicht die von der Regierung geforderten 6,6 Mrd. USD zur Begleichung der Finanzlöcher im argentinischen Haushalt herausrücken. Der Peso geriet bereits unter Druck, zumal die Kapitalflucht wieder zunimmt. Hier erwarte ich in den nächsten Monaten die nächste Finanzkrise von Bedeutung. Auch die Ukraine bleibt auf der Wacht-list für mögliche Defaults. Hier ist der IWF das Zünglein an der Waage. Am 7. Februar wird hier ein neuer Präsident gewählt, wobei Janukovic eindeutiger Favorit vor Tymochenko ist. Auch ihm muss es gelingen, den Haushalt zu konsolidieren. Auch auf den Bankensektor wird in diesem Jahr noch einiges Ungemach zu kommen, was immer wieder für Irritationen an den Aktienmärkten sorgen wird. Die UBS trat wieder wegen des eigentlich schon vereinbarten Datentransfers von 4200 Kundendaten in die USA in den Mittelpunkt der Diskussion um Steueroasen, Steuerhinterziehung bis zu Steuerbetrug. Amtshilfe sei nur bei Steuerbetrug möglich und dies beschränke sich angeblich auf etwa 200 Fälle. Nach dem Urteil des Schweizer Bundesverwaltungsgerichts geht die Regierung in Bern wieder auf Konfrontationskurs mit den USA oder sie spielt zumindest auf Zeit. Die UBS-Kunden, die Steuern hinterzogen haben, sollen anonym bleiben. Warren Buffet erhöhte seinen Anteil an Munich Re, was den deutschen Aktienmarkt aufwertet, der aber ohnehin schon lange mehrheitlich in der Hand von ausländischen Investoren ist. Die deutschen und auch schweizer Unternehmen machen sich weiter schlank und einige werden in der Tat aus der Krise gestärkt hervorgehen Die DAX-Unternehmen wollen dieses Jahr 23 Mrd. € einsparen, um sich fit für den globalen Wettbewerb zu machen. Ähnlich wird es dieses Jahr in den USA aussehen. Es gingen durch die Krise bis jetzt schon 7 Mio. Arbeitsplätze verloren und die Arbeitslosenquote ist mit 10% immer noch einer der höchsten in der Nachkriegszeit. Dennoch wird es überwiegend gute Unternehmensergebnisse zum Vorjahr geben. Vor allem Technologieaktien werden gut abschneiden. IBM, Intel, Apple und Microsoft überzeugten alle schon mit sehr guten Quartalsergebnissen im Mrd-Bereich, wo der Turn around deutlich erkennbar ist. Pharmawerte, Versorger und Telekomaktien überzeugen durch hohe Dividendenrenditen. Bei vielen Rohstoffunternehmen ist der Umsatz und Gewinn deutlich niedriger als 2007/2008, aber im Bergriff zu steigen, nachdem er sich im letzten Jahr halbiert hat. Die Haussetrends von März wurden jetzt reihenweise verlassen, was immer eine relativ starke Reaktion nach unten schon durch Gewinnmitnahmen und Stopp-loss-Order auslöst. Das ist ganz normal und war vorhersehbar. Es ist jedenfalls nicht besorgniserregend, solange die Advanced/Decline-Linie noch steigt, was der Fall ist. Die Chancen bei einem Neueinstieg werden damit später größer. Die Emerging Markets werden sich diesem Korrektur-Sog nicht entziehen können. Langfristig ist aber der geringe Verschuldungsgrad der Emerging Markets in Verbindung mit dem höheren Wachstum ein strategischer Wettbewerbs-Vorteil, den auch Anleger sehen sollten. Die Abkoppelungs-Theorie von Emerging Markets aufgrund der geringen Verschuldung und des höheren Wachstums wurde auch auf der Euromoney-Konferenz in Wien thematisiert. Blicken auch Sie daher mehr über den Tellerrand! Denn nach der Korrektur werden die Erholungschancen hernach wesentlich größer in Emerging Marktes – auch im Emerging Europe - sein als an den etablierten westlichen Weltbörsen. Bei dem Fondskongress am 26/27. Januar in Mannheim, der gut besucht und überwiegend auch von den Referenten von Optimismus geprägt war, wurde Osteuropa kaum diskutiert; es wird daher auch nicht als Chance für Finanzberater wahrgenommen, obwohl die Moskauer Börse mit einem Plus von über 120% in 2009 überzeugte und auch in diesem Jahr bisher outperformte. Gerade, weil jetzt Osteuropa kaum beachtet wird, setze ich weiter auf Osteuropa. Mein Motto bleibt daher: „Go East – but watch also always the Wall Street!“ | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Andreas Männicke die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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