Alt 21.08.09, 20:21
So tickt die Börse: Gefahren von Hebelprodukten
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In der vorigen Ausgabe des Heibel-Tickers beschrieb ich das innere Verlangen der Bären, den DAX und Dow Jones einmal wieder in die Knie zu zwingen. An einem Sommer-Freitag, an dem die meisten Bullen mit guten Gewinnen im Rücken schon frühzeitig ins Wochenende fahren, haben die Bären ein leichtes Spiel die Kurse zu drücken.

Was anschließend jedoch in dieser Woche geschah, lässt sich mit fundamentalen Gründen kaum erklären. Ich habe den Eindruck, dass die Verwirrung unter den institutionellen Anlegern groß ist, in meinen Augen ist dies ein Zeichen dafür, dass die Entscheidungsträger im Urlaub sind.

Am Montag starteten die asiatischen Börsen mit heftigem Minus in die Woche. In China kommen derzeit Ängste auf, dass die lockere Kreditvergabe im Land schon bald massiv gedrosselt werden könnte. Gemeinsam mit dem schwachen Freitag an den US-Börsen breitete sich somit auch auf dem deutschen Börsenparkett langsam Panik aus.

Im weiteren Wochenverlauf bestimmte die Sorge über das Wirtschaftswachstum in China die Gespräche auf dem Parkett. Nachdem nun monatelang China als Retter unserer Konjunktur herhalten musste, ist es verwunderlich, dass der 20%ige Kurseinbruch in China spurlos an unseren Börsen vorbei geht.

Als Werkbank der Welt kaufen die Chinesen hauptsächlich Rohstoffe ein und verkaufen anschließend Fertigprodukte. So haben insbesondere die Unternehmen des Rohstoffsektors in der abgelaufenen Woche Federn lassen müssen. BHP Billiton, Vale und Freeport McMoRan fallen mir da als erstes ein, aber auch Salzgitter und ThyssenKrupp.

Und wenn das Zugpferd der Weltkonjunktur strauchelt, dann wird auch der Ölpreis einbrechen: Der Preis für das Fass Öl ist jedoch um 4,4% angestiegen. Wie passt denn das zusammen?

Und an dieser Stelle zeigt sich die Verwirrung oder das hektische, ungerichtete Stochern im Ungewissen das die Anleger derzeit an den Tag legen. Sollte Chinas Wirtschaft tatsächlich straucheln, dann dürfte der Ölpreis schon schnell wieder unter 50 USD/Fass fallen. Doch in der abgelaufenen Woche wurden die 70 USD/Fass erneut übersprungen. Mit einem Wochenplus von 4,4% verzeichnet der Ölpreis einen heftigen Preisanstieg.

Hier die Wochenperformance der wichtigsten Indizes im Überblick:


INDIZES (20.08.2009)

Dow Jones: 9.350 | 0,3%
DAX: 5.311 | 0,0%
Nikkei: 10.238 | -3,4%
Euro/US-Dollar: 1,429 | 0,6%
Euro/Yen: 133,92 | -0,3%
10-Jahre-US-Anleihe: 3,44% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 3,02% | -0,2
Feinunze Gold USD: $940,65 | -0,5%
Fass Crude Öl USD: $72,66 | 4,4%
Baltic Dry Shipping I: 2.534 | -7,9%



Im Juni haben der DAX und der Dow Jones korrigiert während der Shanghai Index unbeeindruckt weiter nach oben strebte. Wenn nun die chinesische Börse um 20% korrigiert, dann ist das in meinen Augen nichts weiter als eine normale und überfällige Konsolidierung der vorangegangenen Kursgewinne. Besorgniserregend finde ich das nicht.

Viel erstaunlicher finde ich die verlorene Schlacht der Bären, die nicht einmal aus der Schwäche der chinesischen Börse Panik für den DAX und Dow Jones erzeugen konnten. Die Kursverluste vom Montag wurden am Dienstag wieder ausgeglichen. Die großen Schwankungen dieser Woche lassen in meinen Augen zwei Folgerungen zu: Zum einen haben wir es wieder einmal mit verstärkter Kursmanipulation aufgrund des heutigen Optionsverfallstages zu tun, zum anderenen gibt es eine ganze Menge von institutionellen Anlegern, die unbedingt „rein“ müssen. Mit zu hohen Barquoten lässt sich bei steigenden Börsen kein Geld verdienen und so werden schon die geringsten Korrekturen genutzt, um Positionen aufzubauen. Nur so ist zu erklären, dass heftigere Kursrückgänge nicht erfolgten.

Ich interpretiere dies als ein absolut bullisches Zeichen für die nächsten Wochen. Schauen wir einmal, wie Privatanleger und Analysten über die aktuellen Entwicklungen denken:


SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen

01.-07. Aug (184): 80% / 20%
07.-14. Aug (153): 47% / 53%
14.-21. Aug (132): 66% / 34%

ANALYSTEN KAUF
Hochtief, Aixtron, Wirecard

ANALYSTEN VERKAUF
Clariant, Sunways, Wienerberger

PRIVATANLEGER:
Aktuell 59,3% Bullen (+5%, 81 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 5.267

PRIVATANLEGER KAUF
Royal Bank of Scotland, Arques, Freenet

PRIVATANLEGER VERKAUF
Volkswagen Stämme, AIG, Prosiebensat1 Media


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Analysten werden ebenfalls wieder bullischer. Auch ihnen läuft die Börse davon und in steigende Kurse hinein Kaufempfehlungen zu rufen, wird in deren Zunft eher als Notwendigkeit, nicht aber als weise Voraussicht gesehen. So haben viele Analysten diese Woche genutzt um einige Aktien aufzuwerten.

Komisch, dass trotz Konjunkturängsten aus China gerade die konjunktursensiblen Werte wie Hochtief (Bau) sowie Aixtron und Wirecard (Technologie) auf dem Wunschzettel der Analysten stehen.

Privatanleger werden auch immer bullischer gestimmt und stürzen sich sowohl auf die hochspekulativen Finanztitel (RBS, Arques) sowie auf einen defensiven Cashflow-König (Freenet).

Übrigens: Die langjährigen Leser unter Ihnen kennen meine Kritik an den gehebelten Finanzprodukten. Im Juni wurde in den USA von der dortigen Brokeraufsicht FINRA die Produktgruppe „gehebelte ETFs sowie Short ETFs“ für Privatanleger als ungeeignet bezeichnet. Der Umsatz mit diesen Produkten ist in Folge der Warnung eingebrochen und die UBS sowie Morgan Stanley stellten diese Produktgruppe ein.

Ich weiß, dass der eine oder andere unter Ihnen mit Hebelprodukten schon gut Geld verdient hat. Doch mal ehrlich, Hand auf’s Herz: Wenn Sie nicht als Daytrader täglich am Ball sind dann werden Sie damit über einen längeren Zeitraum kaum positive Erträge erzielen können. Die Kosten sind zu hoch, Seitwärtsphasen zehren das eingesetzte Kapital schnell auf.

Wieder einmal sind uns die USA hier am Finanzmarkt um einige Schritte voraus. Während diese Produktgruppe in den USA langsam aussterben wird, werden bei uns noch neue Hebel-ETFs an den Markt gebracht. Es ist meiner Ansicht nach nur eine Frage der Zeit, bis auch bei uns diese Produkte für Privatanleger zumindest mit besonderen Auflagen versehen werden.

Abgesehen von der gefährlichen Natur dieser Produkte führen sie auch zu übertriebenen Kursbewegungen in den zugrunde liegenden Werten. Wenn beispielsweise ein Double-DAX-Long-ETF, wie unlängst von ETF Securities aufgelegt, Mittelzuflüsse von 1 Mio. Euro verzeichnet, dann werden DAX Aktien im Wert von 2 Mio. Euro gekauft bzw. entsprechende Käufe über Optionen und andere Derivate abgebildet.

Unterm Strich wird also mit dem eingesetzten Kapital eine doppelte Kaufbereitschaft vorgegaukelt und entsprechend heftig wird auch der Kurs des DAX bewegt.

Ich habe zwei Kritikpunkte an diesen Produkten: Zum einen werden alle DAX-Titel entsprechend der jeweiligen Gewichtung im DAX gekauft, ein Umstand der zu einem Gleichlauf der DAX-Aktien führt, egal ob das eine Unternehmen besser als das andere durch die Krise läuft.

Zum anderen wird die Aufwärtsbewegung unnatürlich verstärkt. Gleiches gilt dann in Abwärtsphasen, in denen der DOUBLE-DAX-SHORT-ETF gekauft wird. Da die kurzfristig orientierten Spekulanten meistens auf Trendfolgesysteme setzen, anders als der langfristig orientierte Anleger, der auf unterbewertete Aktien setzt, werden einmal angelaufene Kursbewegungen durch diese gehebelten Finanzprodukte unnatürlich verstärkt.

So ist zu erklären, dass der DAX im Frühjahr auf 3.600 Punkte fiel. Und so ist die nun angelaufene heftige, sich selbst verstärkende Gegenbewegung zu verstehen, die erst auslaufen wird, wenn alle Spekulanten ihr Risikokapital vollständig in gehebelte Long-Produkte positioniert haben. Entsprechend heftig wird sodann die Gegenbewegung wieder ausfallen.

Vielfach wurde schon ein Verbot dieser Finanzprodukte gefordert. Der „freiwillige“ Rückzug der UBS und Morgan Stanleys in den USA aus diesen Produkten wurde zwar von der PR-Abteilung als „Einsicht zum Wohle der Kunden“ verkauft, Hintergrund ist jedoch, dass die Umsätze mit diesen Produkten nach der FINRA-Warnung um 1,56 Mrd. USD eingebrochen waren.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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